Die Leiden des jungen Goon

 Januar 2012

Leser, vergeßt Euer Selbstbedauern. Ich kenne einen lustigen Knirps. Er ist wenige Monate älter als ein Jahr. Wir kommen gut miteinander aus. Wenn er mich besucht, greift er zur Biskuitdose auf dem Tisch und bringt mir den Behälter. In der andern Hand schleppt er seinen einst weißen Stoffhasen mit.
Ich öffne den Deckel, ergreife die Verpackung und klaube ein Biskuit heraus. Er läßt den Hasen fallen (Der WWF sollte sich endlich um all die gefallenen Häschen kümmern) und macht einen Wai. Ich gebe ihm das Gebäck und die Dose. Er stellt die Dose zurück, setzt sich und knabbert glücklich.

Er machte bereits ganz andere Erfahrungen.
Er war knapp neun Monate alt, als seine Großtante ihre Beherrschung verlor. Nach einem Todesfall wollte die habgierige Frau sofort Geld, nicht nur sehen, sondern haben. Aber da war nichts vorhanden. Bis die Versicherung zahlt, würden Tage und Wochen vergehen. Sie war nicht auf der Liste der Begünstigten aufgeführt. Fast besinnungslos, schäumend vor Wut, entriß sie mit brutaler Gewalt das Kleinkind der Mutter. Ein Arm schien gebrochen. Im Krankenhaus erkannte man, das Gelenk war ausgekugelt.

Der Vater des Kleinen, ein brutaler Schläger, arbeitsscheuer und drogenabhängiger Alkoholiker, knüppelte seine Frau mehrmals spitalreif. Er schlug seinen eigenen Vater, einen Offizier im Ruhestand, zusammen. Selbst die glorreiche Armee verzichtete auf Dienste des Besessenen. Im Rausch wußte er nichts besseres, als das am Boden sitzende Kind als Fußball zu benutzen. Wenn niemand auf Prügel warteten, ließ er seine Zerstörungswut an Geschenken und Spielzeugen des Sohnes aus. Ein Spitzenexemplar eines bösartigen Tunichtguts. Saß er im Knast, gab seine Mutter keine Ruhe, bis er auf Kaution wieder seine rabiaten Triebe ausleben konnte!

Irgend einer in der Familie mußte sich mit dem Lebenserwerb befassen. Folglich arbeitete die Mutter des Kleinen. Verschiedentlich verlor sie gut honorierte Kaderstellen, nachdem ihr Mann in den betreffenden Unternehmungen auftauchte und unaufgefordert mit teils gewalttätigen Aktionen glänzte.
Die Frau schaffte Distanz und verließ das Haus der Schwieger- und Großeltern.
Als der Rüpel sein Unwesen im entfernten Chiang Mai trieb, handelten die Behörden endlich und er verlor Freiheit und Frau unglaublich schnell.

Was tun mit dem Kleinkind? Dafür gibt es Kinderhorte. Die Ware wird am Morgen angeliefert. Die Kleinen spielen etwas, kriegen eine Mahlzeit und ab elf Uhr herrscht Schlafzwang. Dazu gibt es preisgünstige, beruhigende Medikamente. Am Nachmittag werden die Kleinen wieder abgeholt. Der Kleine hatte Mühe mit der Anstalt. Verschiedenes stimmte nicht mehr. Plötzlich fürchtete er sich vor mir.

Einen Abends fütterten wir ihm etwas Sandwich. Er verschlang das Zeug heißhungrig.
Dann holte ihn seine Mutter ab zum Schlafen. Aber da war nichts mit Bettruhe. Er begann zu erbrechen. Zuerst Brötchenteile, dann Früchte wie Orangen und Bananen. Später undefinierbar, aggressiv stinkende Klumpen.
Als er sich bis am frühen Morgen nicht erholte, brachten ihn die Frauen ins Spital.
Ich wußte, unser Sandwich war in Ordnung. Wir aßen es beschwerdefrei. Nach dem Erbrechen litt das Kind unter Dünnpfiff. Eine Infusion wurde gesteckt.
Der Herr Doktor erzählte weit ausholend, daß sich da eine schwere Infektion aus dem Lungenbereich in den Darm verzogen hätte. Der Kleine hatte zuvor kein Fieber und litt nie unter Atemwegsproblemen.
Als weitere Kinder aus dem Hort eingeliefert wurden, schöpften die Ärzte endlich Verdacht auf eine Lebensmittelvergiftung. Währendessen erholte er sich rasch mit Cola und meiner Haferschleimsuppe nach Großmutterart.
Es ging ihm besser, bis ihn eine Pflegerin zwangsweise mit Chinawurst, bestehend aus reichlich rotem Farbstoff, 59 % Fett, 20 % Zucker, 10 % (Gammel)Fleisch, 10 % Chili, Zwiebeln und Knoblauch, fütterte. Danach strömte die Kacke explosionsartig erneut. Von angepaßter Ernährung für Kleinkinder, wie geriebenen Früchten, oder Müesli nach Dr. med. Maximilian Bircher-Benner, hatten diese Spezialisten keine Ahnung. (1)
Eines der Kinder verstarb leider in der Universitätsklinik. Wie viele Kinder erkrankten, fanden wir nie heraus, weil sie in verschiedenen Spitälern gepflegt wurden. Die Kleinkindergartenschule entschuldigte sich nie, machte aber diskret Zahlungen an Geschädigte, sofern sie aufbegehrten.
Wir nahmen Goon und ein Fässchen Antibiotika nach Hause. Zum Glück mochte er meine Süppchen und erholte sich blitzartig. Neben Suppe liebt er Pasta und Ta.

(1)
http://www.test.de/themen/essen-trinken/test/Fruechtemueslis-Zwei-sind-mangelhaft-1410217-1410208/

Ein Gedanke zu „Die Leiden des jungen Goon

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