Dünkelhafte Typen titulieren die Überschrift als Kanzleilatein ab. Die Übersetzung lautet: “Schlechter Weg“. (1) Leider gibt es für die schmalen Lebenspfade der Menschen noch kein GPS. Deshalb sind Abweichungen von tugendhaften Wegen nicht ausgeschlossen. Die Schnellstrassen zur Hölle dagegen, sind gut beschildert.
Bereits seit längerer Zeit wollte ich einen Nachruf auf einen aussergewöhnlichen Reisenden unter unseren Bekannten verfassen. Er opferte seinen Hintern in Hinterindien einem wütenden Nashorn und überlebte. Unsere geplante Begegnung in Europa fand leider nicht mehr statt. Die Geschichte folgt später.
Die geschätzten Leser wurden kürzlich mit der Erzählung über einen einbrechenden Jungen geschockt. Leser des TIP Forums kannten den Knaben bereits. Viele Ereignisse wurden wahrscheinlich vergessen. Zum besseren Verständnis des Geschehens, skizziere ich einen einseitigen Lebenslauf aus Farangsicht.
Im hügeligen Grenzgebiet zu Laos reicherte 1998 eine unverheiratete Frau den Männerbestand Hinterindiens mindestens zum dritten Mal an. Sie erhob sich vom Wochenbett und flüchtete aus der Klinik zurück nach Bangkok. Dort floßen Baht und Sperma weitaus reichlicher. Sie vergaß dabei unter anderem, ihr Söhnchen mitzunehmen. Aber zum Ablaichen war die Provinz allemal günstiger.
Dick wollte bloss einen Besuch machen. Sie kam zu spät und dennoch zur rechten Zeit. Sie hatte wenig Probleme, ihre Geschäfte florierten. Sie brachte den elternlosen, kleinen Scheißer mit nach Hause. Das Büblein wuchs mit andern Kindern in der Familie eines benachbarten Bruders auf, bis dessen Ehe in die Brüche ging. Der Knabe übersiedelte zu den Großeltern. Dick zahlte immer reichlich Unterhaltsbeiträge. Sie übernahm Schulgelder und die Kosten für die Uniformen.
Als sie nach Chiang Mai zog, verbrachte der aufgeweckte Kleine mit Kameraden seine Schulferien bei uns. Wir spielten zusammen. Wir bauten aus Karton ganze Dörfer. Daneben zeichneten und malten die Kinder. Sie lernten schreiben und etwas Englisch sprechen. Kleinere Rechenaufgaben lösten sie gänzlich ohne Taschenrechner. Wir kochten, wir pflanzten und sahen uns abends pro Woche einige wenige Filme an. Es gab keine täglichen brutalen Killerserien, wie sie es gewohnt waren, sondern langweilige Kultur wie das Dschungelbuch. Deshalb nannte ich den Kleinen aus dem Urwald in meinen Aufsätzen phantasielos Mowgli.
Die Knaben fochten mit Messer und Gabel. Sie lernten beim Essen, Rotz von Reis zu unterscheiden. In den Schulen herrschten üble Tischsitten. Schweine futterten manierlicher.
Die Situation für den heranwachsenden Knaben im abgelegenen Dorf war schlecht. Erst dachte ich, er lerne hie und da etwas bei Verwandten. Er wurde als dumme und billige Arbeitskraft ausgenutzt. Seine von World Vision gesponserten Milchrationen dienten zur Aufzucht junger Hunde für die Fleischfabrik. In der Schule profitierte der eigentlich begabte Junge von alkoholisierten Lehrkräften in überfüllten Klassenzimmern nichts mehr. Da gab es täglich Prügeleien und Angriffe mit Farbe und Kugelschreibern auf saubere Schuhe und Uniformen. Wir wollten ihm eine Chance geben und holten ihn nach Chiang Mai.
Anstelle von Schlägen und Fußtritten gab es gepflegte Mahlzeiten, ein eigenes Zimmer mit Bett, Schreibtisch und Schränken. Er erhielt ein Telefon, eine Uhr, einen Wecker und ein Fahrrad.
Die Schulen hier warteten nicht auf ihn. Ein Direktor stellte sofort unbescheidene Tee- Geldforderungen. Andere Schulen sahen Aufnahmeprüfungen vor. Ich hatte keine Bange, daß er es nicht schaffen würde. Wir lernten fleißig und vor allen das Richtige. So bestand er die Prüfung. Von dreihundert Kindern wurden lediglich fünfzig aufgenommen. Er war einer der Besten. In der Schule arbeitete er gut. Bereits nach einem Monat wurde er in eine Klasse fortgeschrittener Schüler versetzt. Für sein bescheidenes Thai, was sprach er eigentlich in den Jahren zuvor, organisierten wir eine zusätzliche Lehrerin.
Wir hatten große Pläne. Er würde alles erreichen können, was er wollte. Der Weg nach oben war offen. Vom Liftboy in einem Sexstar Resort bis zum Piloten am grenzenlosen Himmel. Ganz anders als bei mir. Mein halbes Leben verbrachte ich wegen des Gewichts und der Empfindlichkeit der Analyseapparate in quecksilberverseuchten Kellern. Die Welt schien in Ordnung, bis ich für wenige Wochen nach Europa verreisen mußte. Wir organisierten Betreuung, Reinigung, Essen, Aufgabenhilfen und Unterhaltung. Der Knabe war in besten Händen. Wir meinten es.
(1) Via Mala ist der Titel eines von John Knittel im Jahre 1934 veröffentlichten Romans. http://de.wikipedia.org/wiki/Via_Mala_(Roman)
Viamala Schlucht: http://www.youtube.com/watch?v=nT4_-KgSRB8&feature=related
Fortsetzung folgt