Dicks Bruder fährt in Chiang Mai einen Minibus. Die Wartezeiten auf Kundschaft sind länger, als die effektiven Fahrzeiten. Das Verhältnis Fahrzeug pro Kunde ist längst gestört, weil es zu wenig reisefreudige, vor allem depperte, Farang gibt. Wegen Fahrzeugüberfluss, verbunden mit der in der Schule antrainierten Zahlenblindheit – Dyskalkulie, verdoppelte sich innerhalb von drei Monaten der Preis vom Flughafen nach Hangdong. Als wir unser Erstaunen darüber äusserten und bestätigten – wir möchten nicht mit einem Mini-Bus nach Chiang Rai, sondern mit einem Taxi nach Hangdong reisen, sagte die resolute Dame am Taxistand hilfreich, liebreizend und unfreundlich:
„Geld für das Fliegen haben die Leute. Nur für Taxis ist keines vorhanden.“ Sie verlor augenblicklich weitere Kunden. Gehören Taxibetriebe nun ebenfalls zu den tributpflichtigen Unternehmen, die Sch(m)utzgeld zahlen?
In Singapur wäre diese Angestellte postwendend gefeuert worden. Diskussionen um Fahrpreise gibt es nicht, Meter einschalten, fertig! In Malaysia fahren wir für denselben Betrag nicht zehn, sondern fünfzig Kilometer. Nachdem es in Bangkok gelang, den Fahrern den schwierigen Griff zum Meter einzuüben, wäre es endlich an der Zeit, in Chiang Mai dieses Verhalten zu kopieren.
Bruderherz bemühte sich dehalb um einen zusätzlichen Broterwerb. Die Aussage ist falsch. Hier isst man Reis, vor allem Klebreis. Das gesamte Geschäftsmodell Hinterindiens beruht auf Klebreis: Es sollte immer etwas kleben bleiben.
Er fand anständig bezahlte Arbeit bei einer Familie in der Nähe. Sie stellte konkurrenzlos dekorative Fliesen mit farbigen Motiven aus Zement her. Sogar Mowgli erhielt einen Anstellungsvertrag, weil er mit den Farben spielerisch neue Ideen entwickelte. Die Ware verkaufte sich zufriedenstellend. Für weitere Geschäfte reiste der Chef angeblich einige Tage nach Hongkong.
Wir waren in Chiang Rai unterwegs. Währenddessen rief der Verwalter der Provinz Chiang Mai unseren Dorfobmann zu einer dringenden Aussprache. Unwirsch teilte er ihm mit, seine vier selbst ausgesuchten Helfer seien alle in illegale Drogengeschäfte verwickelt. Das eine Gift hat viele Namen: Ice, Crystal, Meth, Yabaa, Crank, und N-Methylamphetamin.
Dem Obmann konnte kein fehlbares Verhalten nachgewiesen werden. Trotzdem wurde er des Amtes enthoben. Unterdessen verhaftete die Polizei seine Mitarbeiter. Bei der Vernehmung stellte sich heraus, dass zwei Lieferanten des Stoffes im Dorf leben. Sie entzogen sich den Ordnungshütern, weil sie ihre Häuser – welch ein Zufall – bereits fluchtartig verlassen hatten.
Glücklicherweise kehrten wir am Dienstag zurück, sonst hätten wir uns als Abwesende in der Gerüchteküche ebenfalls verdächtig gemacht.
Offenbar verdiente der Fliesenproduzent trotz des guten Geschäftsganges nicht genug. Anhand der Liegenschaften und des Fahrzeugparkes war er gewiss kein Hungerleider. Kürzlich wurde er gefasst und abgeführt. Die Familie war ebenfalls in den Drogenhandel verwickelt. Seitdem sind mindestens zwei Personen arbeitslos.
Erstaunlich ist, wie ein so kleines Dorf sieben Händlern eine Geschäftsgrundlage bot. Wie viele Abhängige gibt es denn? Es wird klar, warum bereits Schulkinder mit Stoff vollgepumpt werden.
Warum kam es zu den Festnahmen? Grosshändler dulden keine Konkurrenz!
Lesen sie dazu: Einträgliche Geschäfte.
https://hinterindien.com/2013/02/18/eintragliche-geschafte/