Der letzte Wille

Ausser der Verstorbenen und den in Gefängnissen verwahrten, sah ich die meisten Akteure der ‚Geschichten aus Hinterindien‘ am und im Tempelareal wieder. Ein armes Tierlein, arg gestaucht durch das unübliche Gewicht des Reiters, angetrieben durch kräftige Trommeln, schaffte mit letzter Kraft den kurzen Weg.Riding Monk2

Bevor sie sich setzen, sollten sich Mönche vergewissern, mit ihrer Körperfülle keine Würmer, Ameisen und andere Lebewesen zu quetschen. Solange die Robe weiss und nicht gelb ist, gelten solche Regeln offenbar nicht. Der alte
Herr Kleptomanewitsch trug ohne spezielle Einladung während der Prozession lächelnd eine junge Palme in den Händen. Wir konnten und wollten seine Teilnahme nicht verhindern. Da waren sie, all die schweren Jungs und die ehemals leichten Mädchen. Einige Kilogramm mehr, aber immer noch im alten Gewerbe, Huren, Hexen, Hungerleider.

Sie wusste nichts von ihrem Glück. Vor wenigen Wochen verstarb in Phitsanulok eine vermögende Tante. Sie traute ihrer Familie nicht und bestellte ohne Vorwarnung Dick zur Testamentsvollstreckerin. Die alte Frau besass mehrere Grundstücke, Häuser und eine Sammlung von Buddha Figuren, über deren Wert bereits ein Erbfolgekrieg ausbrach. Ahnungslose Phantasten sprachen von zwanzig Millionen Baht. Die werden sich mit zweihunderttausend Baht, bei schnellen Verkäufen entsprechend weniger, begnügen müssen. Vermögende Farang fehlen als Käufer. Offiziell können religiöse Bronzen, wie Buddha, Guan Ihm, Ganesch und Garuda, nicht exportiert werden.
Eine grössere Lebens-, oder Todesfallversicherung wartete jedoch auf gierige Bedürftige. Dick löste die meisten Probleme geschickt mit Hilfe von Beamten der Gemeindeverwaltung.

Die Verstorbene hatte einen letzten Wunsch: Einer der Söhne der Familie sollte für eine befristete Zeit als Mönch ihre Zukunft im Nibbana sichern.
Der junge Mann der engeren Familie wollte und konnte nicht. Erben schon – aber in den Tempel, nein. Seine Vergangenheit und die Gegenwart wiesen dunkle Stellen wie Drogenkonsum und zusätzliche Gesetzesverstösse auf.

Kaum zurück von Phitsanulok, fragte Dick ihren Sohn, wie er über einen Tempelaufenthalt denke. Der junge Mann besprach die heikle Angelegenheit mit seinem Arbeitgeber. Der Chef fand, das sei ein gutes Omen für die Firma. Er gewährte nicht nur bezahlten Urlaub, sondern versprach, er übernehme die Kosten für die Ausrüstung des künftigen Mönchs.
Dann brach für zwei Wochen Dunkelheit und Nacht über unser Haus und mich herein. Dick war beschäftigt. Leider nicht im Salon. Ich bemerkte: Lebensmittel und Getränke wurden im Nibbana nicht benötigt. Eigentlich hatte ich noch nicht vor, mich auf ein ideales Kremationsgewicht herunter zu hungern.

Erst musste ein Tempel in der Nähe gefunden werden. Analog zur Käseunion in der Schweiz zwecks weltweiter Vermarktung von Löchern, gibt es in der Gegend eine Wat-Union. Sie vertritt die Interessen der Tempel nach aussen. Nach langem Feilschen und Verhandeln fand sich ein Tempel. Der Abt verlangte eine Reihe amtlicher Dokumente und Garantieerklärungen! Zusätzlich wollte er einen Persilschein der Polizei über die Straffreiheit des Antragsstellers! Der zukünftige Mönch musste im Spital ein Dokument für seine Drogenfreiheit erstellen lassen. Weil er kein Radfahrer ist, wurden weder Urin noch Blut analysiert. Das unbewaffnete Auge des Arztes genügte für das Formular. Dieses Papier musste von der Polizei beglaubigt werden. Jeder Antrag, jeder Gang verschluckte locker einen halben Tag.
Dann telefonierte Dick. Stundenlang. Hundert Gäste wurden während intensiven Gesprächen eingeladen. Für auswärtige Besucher, aus Bangkok, Phitsanulok und Umgebung, musste sie im Dorf Schlafgelegenheiten finden.

Fortsetzung folgt

3 Gedanken zu „Der letzte Wille

  1. —–Die Verstorbene hatte einen letzten Wunsch: Einer der Söhne der Familie sollte für eine befristete Zeit als Mönch ihre Zukunft im Nibbana sichern. —–

    Unser wahres Zuhause (Ajahn Chah)
    Die Buddhalehre zu verwirklichen, den Weg zur Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod, ist eine Aufgabe, die jeder alleine vollbringen muss.

    Da hat wohl jemand nicht richtig zugehört/aufgepasst im vergangenen Leben – ist zwar menschlich – nützt aber nichts, Dummheit oder Unaufmerksamkeit schützt vor Strafe nicht –> in diesem Fall kein Nibbana sondern Wiedergeburt.

    Ja, sie haben/hatten sehr gute Lehrer in ihrem Land, doch denen hört niemand zu. Alle sind beschäftigt mit dem Götzendienst. Aber der westliche Bildungsbürger unterscheidet sich keinen Deut, sein Götzendienst ist demokratischer und mit Wissen untermauert – man erkennt ihn heute an den Begriffen Demokratie und Sozialstaat, Krankenversicherung und sicherer Rente ……

    Da bleibt nicht mal mehr der schwache Versuch, sich mit der Hilfe eines befristeten Fürsprechers ein gutes Gewissen zu kaufen …. denn sowas lässt der Verstand nicht mehr zu.
    Same, Same but different ……
    Gruss

    • Danke für die Kommentare.
      Illuminati denkt. Thais denken nicht. Sie handeln.
      Als naiver Beobachter beschreibe ich Lügen und Märchen.
      Erst die Fortsetzungen zeigen die gesammelten Unglaubwürdigkeiten.
      Leo:
      Für Tempelangelegenheiten haben sämtliche Amtsinhaber ein offenes Ohr,
      denn man will sich ja Verdienste fürs Jenseits erwerben. Die leitenden Herren gaben uns in massgeschneiderten Anzügen mit Schlips die Ehre ihrer Anwesenheit im Wat.

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