Gegen Gedächtnisschwächen wiederholte ich, für Leser wie mich, einige Sätze aus früheren Beiträgen.
Mitte September fuhr Mowgli, der kein Fahrrad unfallfrei benutzen konnte, ohne Helm auf einem fremden Moped. Ich erklärte ihm mögliche Gefahren und die finanziellen Folgen eines Unfalles. Fachgerechte, regelmässige Wartung für Fahrzeuge gibt es selten. Spezialisierte Knäblein trimmen den Zündzeitpunkt auf sportlich hartes Knattern. Leistungsverminderung ist Nebensache. Bremsen funktionieren nach dem Zufallsprinzip.
Nebenbei erwähnte ich, er benötige einen Führerschein. Den könne er nicht bei BIG C oder TESCO kaufen, aber in der Thanom Khao San in Bangkok würden perfekte Fälschungen, auch Pässe und Doktortitel, preiswert angeboten. (1) Vernünftiger und günstiger sei es, die Kurse des Verkehrsamts zu besuchen und dann eine Prüfung zu bestehen.
Meine Hinweise betrachtete er als reine Schikane: „Der griesgrämige Grufti gönnt gewitzten Gewinnertypen keinen Spass!“
Der Pflegling bestrafte mich und zeigte an unserer Zusammenarbeit kein Interesse mehr. Bereits früher benutzte er zur Machtdemonstration ähnliche Tricks. Darauf beurlaubte ich mich.
Für ihn war seine Aktion reines Säbelrasseln. Er beobachtete täglich, wie mich mittlerweile wieder die ganze zugezogene nahe Verwandtschaft zu begaunern versucht. Die Erfolgreichste ist Yai, Grossmutter. Sie bestahl uns im Dezember 2011 und verreiste bei Nacht und Nebel, ohne sich zu verabschieden. (2) Dick und ich erklärten, diese Frau kommt nie wieder ins Haus.
Nach Wat Sala und der Ordination ihres Enkels lebte sie einige Monate bei Sohn und Enkeln im Dorf. (3) Trotzdem wurde ihr langweilig.
Trickreich gelang es ihr – mit getürkten Unfällen – sich als schwer Verletzte wieder mit dem Service ihrer Tochter im Beauty Salon einzunisten. Die Unfälle, Blutergüsse an den unmöglichsten Körperstellen, fügte auf ihr auf Verlangen meine Masseuse gratis zu! Augenblicklich trennte ich mich von der Hämatom-Spezialistin.
Spital, Doktoren, Pillen, Salben und die beste (blödeste) aller Töchter steht ihr wieder jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung. Yai ist die abgebrühte, unschlagbare Lehrerin von Mowgli. Sie demonstriert ihm täglich Dummheit und Ohnmacht des Farangs.
Mowgli verbrachte im Oktober eine Woche seiner Ferien auf dem Verkehrsamt. Als einsamer und stolzer Eigentümer eines Ausweises – das halbe Dorf fährt ohne Bewilligungen – wünschte er sich die Fortsetzung meiner Lehrtätigkeit. Ich schrieb damals: Darauf darf er lange warten.*
Einer meiner Freunde bat mich: „Hilf dem Jungen. Er hat gute Eigenschaften.“
Ja, er ist anständig, nimmt weder alkoholische Getränke, Nikotin noch Drogen. Bisher schwängerte er keine Schulkollegin.
Als ich sah, er ist der zweitbeste in der Klasse, dachte ich, er verdient wirklich Unterstützung. Wieder machte ich einen Versuch, Vergessenes aufzufrischen. Die sinnlosen Formeln der Farang Ohm und Pythagoras, sowie Volumenberechnungen kannte er nicht mehr. Wozu auch. Er will nicht Formeln büffeln. Sein Ziel ist, möglichst ohne Arbeit schnell viel Geld zu scheffeln (Wie viele in Hinterindien verdienen ihren Lohn?) und reich und berühmt zu werden.
Anfangs November kamen wir an einem frühen Nachmittag mit dem Automobil voller Besorgungen zurück. Von weitem sah ich am Wegrand einen Jungen auf einem Motorrad. Er unterhielt sich mit einer alten Frau. Beim Vorbeifahren erkannte ich den Kerl, aber nicht das Moped. Es war Mowgli. Er räkelte sich auf einem ausgeliehenen Fahrzeug – ohne Helm!
Dick stoppte unser Vehikel. Ich öffnete die Türe und begrüsste ihn relativ unfreundlich. Bloss zwei Wochen nach der Prüfung vergass er, die am Verkehrsamt eingetrichterten Regeln. Wir machten ihn auf seinen Fehler aufmerksam. Aus seinem Verhalten schloss ich, dass bei selektiver Vergesslichkeit, denn neuere Schlagertexte und Namen von Schauspielern bleiben gespeichert, sämtlicher Unterricht sinnlos ist.
Ohne jegliche Gewissensbisse konnte ich nach Borneo verreisen.
(Quelle)* http://wp.me/p2ljyL-1aV
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Khaosan_Road
(2) http://wp.me/p2ljyL-1cx
(3) http://wp.me/p2ljyL-10Q
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Pythagoras
Nach längerer Zeit hier wieder mal reingeschaut. LOW. Ich habe Dich mal geschätzt, und Dein Buch nicht erst gelesen, als es schon fertig war, aber man liest immer mehr zwischen den Zeilen, daß Du genau so ein Hansel bist, wie die meisten in der Pampa mit ihren 08/15 Isan und Lan Na Frauen. Diese endlose Geschichte mit dem ewigen hin- und her mit Deinem Fast-Adoptivsohn, mein Gott!
Das ist doch nur peinlich. Mal isser der kluge junge Halbgott, aber wenn er sich dann nix von irgendwelchen dahergelaufenen ahnungslosen Ausländern nix sagen läßt, dann schmollt der Herr Farang.
Danke für die Weihnachtsbotschaft, Herr Zeisix. Sie haben Recht. Natürlich ist diese Angelegenheit äusserst peinlich. Ich empfand nichts anderes. Trotzdem hatte ich den Mut, darüber zu berichten. Edles Schweigen hätte nichts verändert.
Die traurige Tatsache ist, sämtliche Menschen im Dorf gestalten ihr Leben nach ähnlich bescheidenen Strickmustern. Daran ändern selbst Tempel und der Buddhismus nichts.
Hätte der junge Mann etwas mehr Glaubwürdigkeit, Respekt und Rückgrat gezeigt, wäre er ein willkommener Reiseteilnehmer gewesen. Nutzlosen Ballast schleppen wir jedoch ohnehin genug.
Rückblickend stelle ich fest, meine Tätigkeit im Dorf scheiterte. Darauf steht die Todesstrafe. Aber auch erfolgreich schmarotzende Selbstverwirklicher müssen eines Tages die Löffel abgeben.
Frohe Festtage…