Kühle Getränke in den Tropen

Ohne น้ำแข็ง, Nahm Kaeng, Ayer Batu, Es, Eis, kann man sich ein Leben in den Tropen nur schlecht vorstellen.
Im Artikel ‚Hamburg – Singapore 1857‘ (1) berichtete Fedor Jagor über seine Ankunft am Sonntag, den 27. September 1857 in Singapur:
Alles war so fremdartig, nicht eine europäische Kleidung war zu sehen, bevor wir das Gasthaus erreichten, wo wir den Abend mit Champagner, Chesterkäse und englischen Zeitungen beschlossen.“
Lange fragte ich mich, tranken die Reisenden den Champagner warm? Eine erste Kältemaschine war bereits 1851 patentiert worden. Leider war sie unbrauchbar.Bourbon11
Der Geschäftsmann Frederic Tudor begann 1806 in Neu England, USA, einen Eishandel. (2,3) Im Winter wurden Natureisblöcke aus Seen und Flüssen geschnitten und in riesigen Eishäusern gelagert. Seine Lieferungen im ersten Jahr betrugen nur 130 Tonnen. Am Höhepunkt des Handels um 1850 wurden von Tudors Firma jährlich über 140‘000 Tonnen Eis aus Massachusetts exportiert. Tudor verschiffte Eis von Boston in entfernte Häfen wie New Orleans, Charleston, Savannah, Calcutta, Singapore, Rio de Janeiro und in die ganze Karibik. Die Verluste auf dem Weg nach Kalkutta betrugen fünfzig Prozent. Von den anfänglichen Mengen konnten etwa ein Viertel verkauft werden. 1833 gelangten 90 Tonnen nach Kalkutta. Der Verkaufspreis betrug ungefähr 60 Baht für ein halbes Kilogramm Eis und ergab einen Profit von 253‘000 $.Bourbon12

Das Ende der Natureisexporte begann leise und unbemerkt 1851. Der Arzt und Erfinder John Gorrie aus Apalachicola in Florida, beantragte sein Patent für „die künstliche Herstellung von Eis.“
Seine unpraktische Kältemaschine konnte sich auf dem Markt jedoch nicht durchsetzen. Ein Franzose, Ferdinand Carré, entwickelte 1859 eine Ammoniak Kompressions-Kältemaschine. Sie produzierte pro Stunde 200 Kilogramm Eis.
Ab 1877 baute und vertrieb der Genfer Physiker Raoul Pictet Kältemaschinen. Pictet nahm als Sekretär des Schweizer Gesandten an der Eröffnung des Suez-Kanals 1869 teil. (4)
Dampfmaschinen trieben ab 1870 Apparate an, die zur Kompression der Gase von Kohlensäure, Schwefliger Säure oder Ammoniak benutzt wurden. Auf diese Weise erzeugte man Eis mit Kältemaschinen.
Hauptentwickler und Hersteller solcher Maschinen war die von Professor Carl von Linde geleitete Gesellschaft für Linde’s Eismaschinen AG. (5) Von Linde studierte ab 1861 in Zürich am 1855 gegründeten Polytechnikum, heute Eidgenössisch Technische Hochschule, ETH. Dort lehrte damals Rudolf Clausius, der Schöpfer des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre: ‘Wärme geht niemals von selbst von einem Körper niederer Temperatur zu einem Körper höherer Temperatur über‘.
Das merken alle, die lange vor einem kalten Getränk sitzen – man muss selbst Hand anlegen.
Das erste Eis in Bangkok produzierte um 1894 Lert Sreshthaputa, Nai Lert, alias Phraya Bhakdi Noraset. (6)
Durch die Eismaschinen entwickelten sich weltweit eigene Eis-Industrien. (7) Bis in die 1970er Jahre wurden Europas Kaschemmen noch teilweise mit Stangeneis beliefert. Gleichzeitig erfolgte endgültig die breite Einführung von Klein-Kühlgeräten. Erst sie ermöglichten ein komfortables Leben in den Tropen.

(1) http://wp.me/p2ljyL-1kL
(2) http://en.wikipedia.org/wiki/Ice_trade
(3) http://www.accountingin.com/accounting-historians-journal/volume-11-number-1/planning-and-control-in-the-19th-century-ice-trade/
(4) http://wp.me/p2ljyL-1lm
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Linde
(6) http://en.wikipedia.org/wiki/Nai_Lert
(7) http://de.wikipedia.org/wiki/Eisfabrik

7 Gedanken zu „Kühle Getränke in den Tropen

  1. Danke Ulrike. Die Champagner Geschichte beschäftigte mich während 4 Monaten. Jagor fand es offenbar selbstverständlich, dass der Champagner – wie in Berlin, kalt war.

  2. Hat dies auf Deutsch in Singapore rebloggt und kommentierte:
    Dank an Low für seine Recherchen!

    Schon lange habe ich mich gefragt, wie man früher Bier und Wein in den Tropen gekühlt hatte.

    Auf die Idee mit dem Verschiffen von Eis bin ich nicht gekommen.

    Im Studium habe ich mal gehört, daß die ersten elektrischen Kühlschränke in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts auf den Markt kamen. Die deutsche Wikipedia schreibt dazu:
    „Zur Entwicklung des Kühlschranks trug 1876 der deutsche Ingenieur und Unternehmer Carl von Linde bei, der Entwickler des für die Wissenschaft und Technik fundamentalen Linde-Verfahrens. Seine Erfindung erlaubte es, die Zuverlässigkeit des Kompressors und der gesamten Kältemaschine so zu verbessern, dass diese industrietauglich wurde. Nun konnte man Wassereis ganzjährig industriell herstellen; man war nicht mehr auf Natureis angewiesen. Auch seine Erstentwicklung wurde damals noch mit Ammoniak betrieben. Diese Substanz ist ätzend und verursachte nicht nur Lecks, sondern auch einen üblen Geruch, so dass Kühlschränke erst in den 1920er Jahren seit der Entwicklung von Ersatzchemikalien für den Hausgebrauch geeignet waren. In den 1930er Jahren wurde er in den USA und Kuba zur Standardausstattung privater Haushalte; bereits 1937 hatte jeder zweite amerikanische Haushalt einen Kühlschrank.“
    http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BChlschrank

    Bezeichnenderweise wurde die hiesige Brauerei im Jahr 1930 gegründet.
    „Asia Pacific Breweries is an Asian brewery company founded as Malayan Breweries Limited in 1931, in a joint venture between Heineken International and Fraser and Neave“
    http://en.wikipedia.org/wiki/Asia_Pacific_Breweries

    Welch seltsame Koinzidenz.

    Trotzdem interessant zu erfahren, wie man vor 150 Jahren Champagner trank.

    Ich wäre damals ja mehr mit dem damals populären Rum in die Richtung Kokosnuss-Ananas-Cocktail gegangen, obwohl Lows Kokosnuss-Anstecher noch nicht erfunden war.

    • Danke Martin für die Ergänzungen.
      Ich arbeitete 1970 in Oklahoma. Meine Kollegen hatten Villen mit mehreren Kühlschränken. Meine Wochenend-Expeditionen nach Louisiana zeigten, dass schwarze Familien mehrheitlich keine Kühlgeräte hatten. Die USA Statistik von 1937 beweist eindrücklich die Teuerung von 2013/2014 in Thailand mit 2.4 %. http://wp.me/p2ljyL-1rF

  3. super-interessant!

    Ich stelle mir gerade vor, wie angenehm es damals gewesen sein muß, auf einem der Eis-Segelschiffe als Matrose in den Tropen zu arbeiten: jeden Tag kaltes und frisches Wasser à la volontée, noch heute im Gegensatz zu den anderen Schiffen. Wasser muß auf Schiffen heute noch aufwendig per Entsalzungsanlage produziert werden.

  4. Die Familie eines guten Freundes betrieb hier in meiner Umgebung von 1887 – 1900 eine kleine, aber feine, sogenannte „Gasthausbrauerei“. (Palting in Oberösterreich)
    Hier wurde im Winter jedesmal das Eis aus dem nahen See gesägt, mit Pferd in die Brauerei transportiert, und in einem extra gebauten “Eiskeller” bis weit in den folgenden Sommer zur Kühlung des edlen Gerstensaftes genutzt.
    Das hat mich auch sehr fasziniert, wie lange Eis eigentlich seinen Zustand halten kann.

    Viele Grüße
    Mandybär

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