Ein alter Egoist ist seit fünfzehn Jahren auf der Flucht aus seiner Heimat. Doch nicht genug. Vor drei Monaten ergriff er wieder geplanten Reissaus aus seinem bloss zehnjährigen Haus im Dorf an den Reisfeldern.
1964, nach sieben Jahren Krankenhaus, Abteilung Absonderung, bezog ich eine Mietwohnung. Die grosse, uneingeschränkte Freiheit war es nicht. Baden nach zweiundzwanzig Uhr war nicht gestattet. Rücksichtnahme auf die weiteren Mieter war vertraglich gefordert. Es drohte eigentlich jederzeit ein Rausschmiss. Uneingeschränkt war der grossartige Blick auf die Berner Altstadt mit der gotischen Kathedrale, dem Münster.
Meine Eltern zogen in zwanzig Jahren acht Mal um. Dem sinnlosen, wiederholten Ein- und Auspacken, wollte ich nicht ausgeliefert sein. Ich fand eine Baugrube auf dem Lande, in der Nähe von Äckern, Kühen, Jaucheduft, Wald, mit freier Sicht auf Gurten und Voralpen.
Dort pflanzte ich kurz danach Bäume, verwirklichte erfüllbare Träume und füllte im Laufe der Zeit leere Räume. Ähnlich wie uralte Vorfahren wurde ich zum Jäger und Sammler.
Für mein Weib jagte ich nach Nahrung. Im Winter verlangte ihr zarter Körper nach wärmenden Fellen. Ich erlegte keine zähnefletschenden Wölfe oder listige, langschwänzige Füchse. Als trippergefährderter Trapper stellte ich keine Biberfallen. Wozu gab es Kürschner? Als Dank für Verpflegung und Kleidung wurden mir zwei Kinder geschenkt.
Daneben sammelte ich, ich war kein vermögender Fürst mit eigenem Hoforchester – kein Mafioso mit eigener Big Band, Musikkonserven in allen denkbaren Formen. Die Wände des Hauses bedeckten Batikbilder aus Indonesien, Ölgemälde von den Bernern Lindi und Paolo, Holzschnitte von Freunden.
In Asien kauften wir alte Möbel, Skulpturen und Teppiche gegen die Kälte. Weil wir öfters reisten, teils beruflich, teils ferienhalber, ergab sich mit den Jahren eine beachtliche Büchersammlung mit Berichten von Ibn Battuta, (1) Kolumbus,
Sven Hedin, Richard Katz und Rene Gardi. Gardi, die Inhalte seiner Bücher stammten anfänglich aus Skandinavien, später aus den Regionen des Tschadsees, lebte in der Nähe des Spitals.
Nach der beglückenden Arbeit mit neuesten elektronischen Errungenschaften, verbrachte ich die Feierabende in einer erlesenen Sammlung ausgesuchter Objekte in der Gesellschaft der lieben Familie mit zwei lebhaften Kindern. Trotz Gold, Lammfell und Rotfuchs, dachte die offenbar enttäuschte Gattin an Scheidung. Sie wollte mehr: innerhalb eines Vierteljahres, ein grösseres Haus und einen sportlich aktiven, reichen Mann.
Der behinderte Schlucker hatte das Nachsehen. Als Anhänger der Lehre Buddhas lernte ich das Einsehen, mich an Verluste zu gewöhnen.
Zehn Jahre später erwischte mich die eidgenössische Kälte. Ich trug fünf Schichten Beinkleider und Moonboots an den Füssen. Es kostete mich annähernd drei Stunden schweisstreibende Arbeit, mich anzuziehen. Sobald ich sämtlichen Schichten trug und mich ins Auto setzen wollte, meldete sich die Harnblase: „Sir, pissen – dringend.“
Der Schöpfer versah mich nicht mit einem dreissig Zentimeter langen Schlauchwerk zur Notentwässerung. Ich strampelte mich also wegen einigen Kubikzentimetern Urin aus sämtlichen Schichten, nur um mich danach schweisstreibend und mühevoll wieder einzukleiden.
Der Beamte kam verspätet zur Arbeit. Da ich während der Mittagszeit im Labor blieb, wurde die verlorene Zeit kompensiert. Nach einigen Jahren fiel ich im Februar morgens vor dem Laboratorium auf Glatteis beim Transfer vom Auto in den Rollstuhl, schmerzhaft auf die Schnauze. Ein Bluterguss im linken Arm, vom Bereich Oberarm bis in die Hand, erschwerte mein Leben und speziell das Ankleiden. Deshalb flüchtete ich zur Genesung in das mir bekannte, sommerlich warme, Chiang Mai.
Lieber Rolf
Interessante Einblicke in Dein Leben, Du „Ruheloser“ .
Was ist den der Grund dass Du schon wieder auf der Walz bist? Eher behördliche Einflüsse oder familiäre?, Entschuldige falls ich zu privat frage.
Danke für die Frage. Die erwartete winterliche Kälte – verbunden mit zeitlich unbegrenzten Aufgaben für Dick im Dorf, langfristige Planung ist unbekannt, liess mich während Monaten die Flucht planen. Der geruhsame Lebensabend wurde zu Nächten des Schreckens. Weitere, ungeschminkte Beiträge folgen demnächst.
Also auch in La Na.Auch bei uns, im Nordosten , ist Kälte angesagt.
Ich erinnre mich letztes jahr, Nakhon Phanom, am Morgen 16/17 Grad, ich war froh, eine Fleecjacke dabeizuhaben.
Bislang lassen mich die Familienverhältnisse mehr oder weniger in Ruhe, hat aber auch mit der momentanen Distanz zu tun.
Ich hab aber meine Angetraute schon vorinformiert, dass bezüglich Verwandtschaftshilfe (=Falang gibt Geld) nichts funktioniert,