Hundert Tage

Mehr als hundert Tage in Hotels leben, schlägt irgendwann, irgendwo, irgendwie auf das Gemüt. Darum sind wir froh, wenn wir nun wieder unter einem eigenen Dach prügeln, kochen, lieben und schlafen dürfen.
Unsere Herbergen waren nicht billigst Absteigen, mit kiffenden Alkoholikern, leichten Mädchen und schweren Jungs. Dennoch prägen nicht nur das Personal, sondern ebenfalls die Gäste die Hotels.
Heutzutage können sich Menschen mit Geld, ohne Spuren von Manieren, anstelle von Bildung bloss Einbildung, in exotischen Edelherbergen einquartieren. Sie demonstrieren stolz ihre Empfindung, die Gegenwart sei vor Allem eine Frage des verfügbaren Kapitals. Sie erlauben sich alles. Häufig duften Nichtraucherzimmer nach Tabak, in Ausnahmefällen nach gefälschtem, französischen Parfum, vermischt mit dem Mief von heissem, hauchdünnem Latex!

Gediegene Restaurants mit Selbstbedienungs-Buffets werden zu schmutzigen, lärmigen Markthallen. Tücher, Besteck, Essen, Zigarettenstummel, malerische farbige Sorbet Resten, neben Bier-, Schnaps und weiteren Getränkepfützen, zieren die Böden. Tische und Stühle sind mit streng riechenden Saucen wie Sambal Blachang, Knoblauch-Ketchup, oder klebrigen Süssigkeiten verschmiert. Die Unterseite der Tischblätter sind bunte Alben diverser Kaugummi-Marken.
Auf Tischen türmen sich halbvolle Teller und Gläser, während rülpsende Gäste erneut frisch zubereitete Delikatessen heranschleppen. Das überforderte Personal, durch abstossendes Verhalten abgebrüht, leistet nur noch Notfalldienste. Verstreuter Zucker, kullernde Pfefferkörner, vermanschte Gurken und Peperoni, sind noch lange kein Grund, reinigend einzuwirken. Schmutziges und sauberes Besteck geraten in der Hektik durcheinander. Messer werden beim Bereitstellen an den Klingen angefasst. Fade Suppen werden durch ungewaschene Finger gestresster Kellner in der Brühe nicht aromatischer.
Sämtliche Fenster, Spiegel und glänzenden Flächen, in jedem öffentlich begehbaren Raum, in Einkaufsparadiesen und auf Flughäfen, sind mit reizvoll schmierigen Fingerabdrücken übersät. Kinder bearbeiten die Flächen meisterhaft vom Boden bis auf etwa hundertfünfzig Zentimeter Höhe. Erwachsene schaffen daumenpressend, händeringend auf Zehenspitzen das Doppelte.
Menschen, welche keine freien Flächen für Schmutz und Bakterien finden, besitzen als Sammelobjekte dafür, glücklicherweise Smartphones. Eines Tages könnten diese Dinger aus hygienischen Gründen verboten werden.Satun401 Seit letzter Woche lebten wir wieder in einem äusserst bescheidenen Häuschen auf dem Lande, fünf Zimmer, zwei Küchen, drei Badezimmer und spärlichen Fingerabdrücken.
Echtes Vogelgezwitscher aus reichlich Natur hob die nicht vorhandene, vorweihnachtliche Stimmung. Irgendwie wurden wir abhängig. Am Mittag, es war finster wie im Magen eines, mit geschlossenen Augen dösenden, südthailändischen Wasserbüffels und es goss aus Milcheimern, reisten wir freiwillig ins Hotel nach Kuah zurück – für zwei Nächte.

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