Ein kurzer, zu früher Kälteeinbruch Ende September lähmte mich in Chiang Mai. Im Oktober brachen wir Richtung Süden in eine ungewisse Zukunft auf. Wir wussten bloss, wir würden kaum weiter im gemieteten Haus verweilen. Die gesundheitlichen Bedenken überwogen.
Auf Anhieb fand Dick ein angenehmes Haus. Erstmals seit fast zwei Jahren wurden meine Handgelenke schmerzfrei. Ich konnte wieder, ohne Hilfe und ohne den Hintern aufzureissen, das WC benutzen und duschen.. Die Freude währte nicht lange. Eines Nachts verlor ich Empfindungen und Kontrolle der Hände, nicht komplett, aber beängstigend. Ich erhole mich langsam oder gewöhne mich daran.
Die nächtlichen Temperaturen sanken im Januar in HangDong auf 12 °C. In Satun dagegen hatten wir heisses Wetter, denn angesagter Regen blieb oft aus. Strenge Nordwinde bliesen die Wolken aus der Andamanensee nach Süden.
Die Tastaturen von PCs und Laptops spielten mit mir. Schreiben und lesen waren an mehreren Tagen unmöglich. Die unkontrollierbaren Finger wechselten mühsam geöffnete Seiten nach Belieben. Meine eigenen Hände verschaukelten und vergaukelten mich. Ich wusste:
„Erkläre den Lesern, das Ende der Geschichten aus Hinterindien ist möglicherweise nahe.“
Ich weiss, es gibt Spracheingabe.
Der PC versteht meine feuchte Aussprache nicht besonders gut. Ich müsste das Gerät dauernd trocknen oder mit Windeln schützen. Es ist lärmig. Hunde bellen. Hühner gackern. Hähne krähen. Mopeds röhren. Waschmaschinen der Nachbarn dudeln vierundzwanzig Stunden am Tag. Die Lautsprecher arbeiten noch, wenn der Wassertank bereits lange leer ist. Die Warnsignale finden keine Beachtung. Lautsprecherwagen werben fahrend. Akustische Umweltverschmutzung ist gestattet. Dicks Smartphone produziert Geräusche.
Das schlimmste, ich fluche laut. Ich verfluche die Schmerzen, meine Ungeschicklichkeit. Der PC versteht meine Sätze nicht, nur Flüche, dafür in fast sämtlichen Sprachen.
Dank eines Fernsehers mit Zugang zum Internet, wird es mir nicht langweilig, wenn die PCs unbenutzt herumstehen. Wir sehen uns Filme an und hören Musik über YouTube.
Das Haus fordert uns täglich. Ich entwickelte Moskitogitter für die ausstellbaren Fenster. Eine kleine Firma in der Nähe baut die gesuchten Einheiten mit Magnetschliessern. Die jungen Leute haben einen zusätzlichen Lebenserwerb.
Am Eingang von der Veranda her bauten wir eine Brücke als Schutz vor Rollstuhl-Rädern für die Profile der gleitenden Kunststoff-Türen. Die sogenannten Aluminium-Fenster – schlecht imitiertes, nicht deutsches, nicht patentiertes Qualitätsprodukt – entpuppten sich als Kunststoff-Attrappen.
Zum Blockieren der Schiebefenster musste ich bohren. Im Geschäft verkaufte man uns nicht die ausgesuchten billig Bohrer aus China. Der Chef erklärte der Verkäuferin:
„Siehst du den Farang im Auto? Der will bessere Qualität, wenn er Stahl bohrt.“
Ich grinste, denn die Bohrer waren für die Aluminium-Fenster bestimmt. Man verkaufte uns Ware aus USA. Zu Hause bohrte ich dann in reinen Kunststoff. Die Arbeit war leichter als das Schneiden von Import-Butter. In die Löcher setzte ich Stahlpfropfen als Fensterstopper. Sie sollen bei Abwesenheiten einige Fenster gesichert offen halten.
Dick stach die zahlreichen Farbbeulen am Haus auf und entfernte die Farbschichten sorgfältig. Danach grundierte sie die Flächen mehrmals mit einem Pinsel.
Der grösste Brocken steht uns noch bevor. Das zweite einbetonierte WC müsste ersetzt werden. Ausgerechnet im Esszimmer stinkt es zeitweise appetitkillend nach Pisse. Ich könnte mir damit ein Denkmal setzen und den Stinker einfach stehen lassen. Thais bemerken solche Düfte nicht. Sie speisen landesweit unbeeindruckt an Abwasserkanälen und neben Abfallhaufen. Gerümpel und Abfälle gehören oft zum unentbehrlichen Hausrat.
Unser Glastisch ist klein und zudem eine unwillkommene Lärmquelle. Demnächst soll er durch ein Holztischblatt mit Chromstahlsäulen ersetzt werden. Noch kontrollieren die Uniformierten den Holzhandel in Satun nur beschränkt.
Mit meinen Händen kann ich nur wenig zum Gelingen beitragen. Die Frage ist, ob mir die Zeit geschenkt wird, die Vollendung zu erleben.
Keiner kennt die Dauer seiner Zukunft. Sind es drei Minuten oder drei Monate? Nur die Wahrsager in den Tempeln wissen alles.
Hallo Low, früher war ich Wahrheitsfinder und nachdem erfolgreichen Ende nur noch „Wahrsager für das halbvolle Glas“ ! Zeit muß man sich nehmen, denn geschenkt wird einem (auch) in Thailand nichts. Die Zukunft hat keine Dauer, sie ist dauerhaft.
Eine Vollendung erleben, bedeutet für einen Wissenden, aber auch für Glaubende, aufgegeben zu haben……denn was nicht schon geschehen ist Zukunft!!
Einer der Dich gerne liest und auch nach der Kurvenlehre mal unten ist!
Gruß Klaus
Danke Klaus.
Ich frage mich immer wieder, wie macht er das? Wie erträgt das sein Körper? Zwei Welten, Norwegen und Thailand. Isst Du etwa Bananenkuchen mit viel Rum?
„Isst Du etwa Bananenkuchen mit viel Rum?“
Niemals nur Fischkuchen (fiskekake med hjemmebrand) mit Heimbrand!!!
Außerdem habe ich formmässig einen „globalen“ Körper“ für alle Welten zwischen 50 Breitengraden!
Low, deine Flucht in den Süden war gut geplant, denn im Moment ist es hier in Chiang Mai bitterkalt. Für thailändische Verhältnisse – in Deutschland wäre es einfach nur ein normaler frühherbstlicher Tag. Wie sich der menschliche Körper doch den Gegenheiten anpasst: In Deutschland hätte ich mir bei dem Wetter eine Windjacke angezogen und es wäre gut gewesen, hier friere ich trotzdem.
Die Sache hat auch etwas gutes: Es hat die letzten beiden Tage ausgiebig und ohne schwere Stürme geregnet. Dafür friere ich auch gerne.
In Satun brauchst Du keine Windjacke. Da hast Du im Notfall vier fettleibige Fleischberge, die Dir Wärme spenden. Wind hat es beliebig. Wärme ebenfalls. Mir genügt die schlanke Dick.