Abhängigkeiten

Wir sind ein ganzes Leben lang abgängig von irgend etwas oder irgend wem. Am Anfang saugen wir an den Brüsten der Mütter. Als Gegenleistungen säubern sie uns die Hintern. Nahrung, Kleidung, Bildung, Einbildung liefert teilweise das Elternhaus. Ausbildung nach Noten vermitteln Schulen und Lehrer. Von ihnen sind wir abhängig, denn wir benötigen Zeugnisse.
Zeugnisse sind lebenswichtig. So ein Papier bescheinigt in Thailand, der Inhaber beherrsche die englische Sprache mündlich und schriftlich, obwohl er keine Minute Unterricht genoss. Der Vater bezahlte mit dem Unterricht ebenfalls das Dokument, das der korrekte Farang Lehrer nicht ausstellen wollte.

Weitere Formulare, Abhängigkeitsdokumente, liefern Ämter und Verwaltungen. Da gibt es Scheine, wie beispielsweise zu meiner Zeit das Ehefähigkeitszeugnis. Dazu muss man weder geistige noch körperliche Beweise liefern, Banknoten genügen. Spätestens damit beginnt eine lebenslängliche Papiersammlung.
Vielleicht wird man nach erfolgter Ausbildung abhängig von Arbeitgebern, Vermietern und anderen Ausbeutern. Kirchenglocken locken. Der Weg zum ewigen Leben wird durch eifriges bitten, beten und opfern erworben. Mindestens ein Platz im Paradies wird geboten. Aber die sogenannten Gotteshäuser sind gottlose Prunkbauten für nutzloses Wirken von Bonzen und Priestern. Denken sie, Thailands Geisterhäuser werden von Geistern bewohnt?
Sogar bei der Nahrungsaufnahme werden Verpflichtungen geschaffen. Neben absurden religiösen Essensvorschriften existieren Fastfood-Fans, Makrobiotiker, Vegetarier und Veganer. Sie alle verkünden ihre Heilsbotschaften für unzerstörbare Gesundheit, garantieren wohltuende Darmentleerungen und fast ewiges Leben.
Charakterlose Wesen, geistige Weicheier und Neandertaler, Schwachköpfe, werden durch Laster aller Art, wie Alkohol, Drogen, Tabak und geschlechtliche Entgleisungen jederzeit verführt.

Ausser dem Lügen habe ich keine Laster. Aber es kann vorkommen, dass beim exzessiven ausserehelichen Beischlaf, ich bin nicht verheiratet, Glimmstengel und Schnapsglas zu Boden plumpsen und in der Hitze des tropisch exotischen Nahkampfes die Matratze flambieren.

Dennoch bin ich abhängig. Ein Leben lang kämpfte ich für Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Das Schicksal, nicht besänftigt durch Weihrauch und fromme Gesänge, rächte sich und schlug vor wenigen Jahren grausam zu. Seitdem benötige ich die Hilfe und Unterstützung von Dick. Ohne sie kann ich nichts mehr unternehmen.

Ich suche immer wieder nach neuen technischen Kniffen und Krücken. Diese Dinge erleichtern das Leben im Haus in Satun. Im unbekannten Dschungel und den Unterkünften der Grossstädte bin ich auf Hilfe angewiesen. Das ist hart.
Erst jetzt verstehe ich die Situation, in welcher sich meine, durch Kinderlähmung behinderten Freundinnen und Freunde im Krankenhaus befanden. Sogar ihre Lungenfunktion war beeinträchtigt. Sie konnten nicht dauernd selbst atmen. Freund Heini legte am Respirator (Beatmungsgerät) öfters eine Rauchpause mit Peter Stuyvesant ein. Diese Patienten lebten trotzdem glücklich und zufrieden.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Beatmungsger%C3%A4t
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Stuyvesant_(Zigarettenmarke)

6 Gedanken zu „Abhängigkeiten

  1. Ach weisst du, auch hier bekommst du manchmal ein Zeugnis, das nichts mit deinen wahren Fähigkeiten zu tun hat!! Mit unserer Abhängigkeit, so denke ich, geben wir unseren Lieben, Freunden und Nachbarn einen Lebenssinn.Dein Beitrag ist wie immer witzig und tiefgreifend. Danke:)
    Ich hätte noch eine Frage, wenn du erlaubst, die nichts zu tun hat mit deinem Beitrag, oder doch?
    Wenn z.B. internationale Konzerne in Thailand eine Tochterfirma gründen und diese umeltfreundlich und für die Bevölkerung/Belegschaft gesundheitsschonend bauen wollten, würde die zuständige Behörde Bewilligung erteilen? Für deine Überlegungen bin ich dankbar.
    Cari saluti Martina

    • Danke Martina, ich freue mich, dass Du meine teils bösartigen Sprüche magst und verstehst. Die Zensur ist hart. Sarkasmus wird nicht verstanden.

      Bei Firmengründungen bezahlen Farang üblicherweise 100 %. Aber die Thai besitzen immer Mehrheitsanteile von mindestens 51 %.
      Ausländische Firme sind als Arbeitgeber beliebt. Die Löhne werden pünktlich, ohne Betrügereien bezahlt. Ich kenne Arbeiter von Siam Cement (Holcim).

      Nestlé produziert in Thailand. Das fürchterlichste Produkt für mich ist Vanille Ice Cream, synthetische Vanille mit Palmöl und Zucker. Aber Nestlé versorgte nach den Fluten 2011 die Bevölkerung rasch wieder mit Trinkwasser.
      Der Staat und das Gesundheitsministerium boten seither keine sterile Kochsalzlösung in 0.5 Liter Gebinden an. Die kleinen Beutel müssen immer noch teuer importiert werden. Anstatt Kochsalzlösung benutze ich nun Trinkwasser in Kleinstflaschen von Nestlé und andere Anbietern.

  2. In den 70ern war der Modebegriff für ein höchstes Ziel in der Pädagogik die Emanzipation. Ich weiß nich, ob man eine innere schaffen kann, die äußere erscheint mir jedenfalls mehr oder weniger unerreichbar.
    Was die Firmen betrifft, so ist das hier wohl genauso: Nur die ausländischen behandeln Arbeiter nicht wie Sklaven – soweit menschliche Ansätze nicht durch immer zwischengeschaltete Einheimische torpediert werden. Und Umweltprobleme spielen solange keine Rolle, wie genügend Schmiergeld fließt. Da gibt es nach jahrelang wirksamem Waldschutz-Programm weniger Wald als vorher, und in Touristen-Gebieten darf – trotz vorhandener, einschränkender Gesetze – nach Gold und Uranerz geschürft werden.

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