Eine Mondseite des Lebens lernte ich in diesem Städtchen kennen. Wir waren hungrig. Dick fragte einen jungen Mitarbeiter im Hotel, wie denn das Restaurant kurz nach dem Big C sei. Gut und günstig, meinte der Gefragte.
Ich war enttäuscht. Zwanzig vorgekochte, kalte Speisen litten unter dauerndem schweren Fliegenbeschiss und warteten auf zweibeinige Gäste. Dick gelüstete trotzdem nach Moo Daeng, dem rotem Schweinefleisch. Sie bestellte zusätzlich zwei frisch zubereitete Speisen, Moo Manao, Pilze und Reis. Geschnetzeltes zähes Schwein wurde lieblos in Limonensirup gegart. Die Dekoration, delikates, schmackhaftes Gemüse und Salate fehlten. Moo Daeng war eine vertrocknete Zumutung. Am besten mundeten die Pilze. Ich versuchte den Frass, aber bald schlang ich nichts mehr hinunter. Zu spät, ich war bereits leicht vergiftet.
Wir traten den Rückweg an. Gegenüber dem Hotel war die Chabar. Das war ein Ladengeschäft, das vornehmlich auf den abendlichen Verkauf von jungem, weiblichem Fleisch spezialisiert war. Wir suchten das Lokal auf, um anständige Häppchen zu verspeisen. Die Bar mixte keine Cocktails. Die Damen mischten bloss Eiswürfel in Bier und potente Schnäpse.
Dutzende aufgetakelter Schönheiten warteten gelangweilt in handgeschmiedeten Brautkleidern auf zahlungskräftige Kundschaft. Es waren alles Blondinen, mit langen schwarzen Wimpern. Die hätten sich zum Klavierspielen geeignet. Die Wimpern – zum Klimpern, nicht die Weiber.
Die Gesichter waren unter dichten Puderschichten versteckt. Die Lippen glänzten rotlakiert wie italienische Neuwagen der Oberklasse. Während unserer Anwesenheit traf eine neue Frischfleischlieferung aus Laos ein. Diese Töchter schienen mit ihrem zukünftigen Lebenserwerb einverstanden. Keine weinte oder zeterte, wie dies durch Lügen unbefriedigter Missionare über entführte Jungfrauen weisgemacht wird.
Später fuhren lebenslustige Kunden mit ihren fahrbaren Untersätzen vor. Auf der Schnellstrasse standen auf zwei Spuren Vehikel, vom rustikalen Eierschüttler bis zur fahrbaren Luxus-Matratze. Der Laden war vollgestopft. Die elektronisch verstärken Bässe liessen das Hotel zwei Fahrbahnen weiter vibrieren. Neue Gäste drängten hinzu. Die Sitzplätze vor dem Etablissement waren längst besetzt. (1) Unverzagte sassen mit ihrem geeisten Fusel am und auf dem Gehsteig. Andere tanzten im dröhnenden Lärm auf der Strasse. Dies bis zwei Uhr.
Als Dick am Vortag mit dem Betreiber des Hotels telefonierte, sagte er, sofern wir gleich bezahlen, überlasse er uns ein Zimmer für tausend Baht, der Normalpreis sei tausenddreihundert. Wie sollten wir den Betrag um zweiundzwanzig Uhr sogleich überweisen? Als wir ankamen und ich die Chabar gegenüber bemerkte, wollte ich möglichst hoch hinauf, denn ich wusste, wie die Bässe krachten. Am Ende knöpfte uns der gerissene Gauner tausendneunhundert Baht ab. Die Investition lohnte sich. Ich hatte kein Klingeln in den Ohren, genannt Tinnitus. Das Rumpeln in den Eingeweiden genügte vollständig.
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Etablissement