Am 5. Mai erhielt Dick in Satun verschiedene Anrufe aus Hang Dong, Mutter sei bereit zum Sterben. Die Ärzte prognostizierten die Überlebensdauer auf wenige Tage. Es gäbe keine Therapien mehr. Am Montag müsse sie das Krankenhaus verlassen. Einen Tag später reisten wir Richtung Norden. Die Reise von annähernd 2000 Kilometern, sollte vier Tage dauern. Am Montag erreichten wir unser Dorf. Ich war froh, dass wir es zeitlich schafften und Dick ihre Mutter begrüssen und gleichzeitig Abschied nehmen konnte.
Dick erzählte anschliessend, der Magen oder/und der Darm seien durchlöchert. Mutter verliere immer wieder Blut. Seit zwölf Tagen habe sie keine feste Nahrung mehr zu sich genommen.
In der ausgetrockneten Provinz Nakhon Sawan, holte ich mir am Montag auf der Durchreise eine bösartige Darmgrippe. Haferschleimsuppen halfen in der Vergangenheit in solchen Fällen dem kleinen Goon und mir. Deshalb kochte ich Hafer.
Dann dachte ich, vielleicht könnte ich der Kranken eine Schale mit Suppe abgeben. Sie schlürfte das unbekannte Farang Zeug. Sie verdaute es. Sie erholte sich dank den Süppchen sichtbar. Sie konnte sogar unter Benutzung einer von mir konstruierten Gehhilfe aus PVC aufstehen.
Die Angehörigen fanden, Farang Suppen seien zur Förderung des Wohlbefindens Thai Delikatessen weit unterlegen. Die Patientin genoss ihr heimisches Essen. Als krönenden Abschluss gab es Melone. Nach der Melone folgte das blitzartige Erwachen, als die Kranke im zehn Minuten Takt erbrach. Nach einigen Stunden beförderten die hilflosen Schlaumeier ihre Mutter ins Krankenhaus.
In meiner Jugendzeit, las ich Bücher über Indien. Da gab es Radschas, Maharadschas und Moguln. Einige davon krepierten jämmerlich, weil ihnen dank Hof-Intrigen Tiger-Schnurrhaare ins Essen geschnippelt wurden. Die Haare durchdrangen Magen und Darm und liess die reichen Herren verbluten. Es braucht nicht unbedingt Tigerhaare, Grannen genügen. Was stellten die Gauner mit der alten Frau an? War es Rattengift – oder ein einfacher Haushaltunfall?
Nach der Rückkehr vom Spital begann ich erneut mit Suppendiät für die Patientin. Ich wechselte später erfolgreich auf Griesspudding und Polenta. Das ging solange gut, bis schwachsinnige Trottel die Alte mit eingeschleppter Nahrung fütterten. Einmal entdeckte Dick im Erbrochenen schwarzen Reis. Jede Kotzerei erforderte eine Reise ins Krankenhaus, denn die Patientin konnte keine Pillen schlucken.
Füttern verboten, hiess es im Tierpark Dählhölzli in Bern. Genau das setzte ich zum Schutz unserer Kranken in PhonPhat durch.
Vor wenigen Tagen beschwerte sich Dicks Bruder mit Tränen in den Augen, Mowgli hätte sich schlecht benommen, ihn tief beleidigt und sogar aus dem Haus geschmissen. Dick wollte mehr erfahren.
„Ich wollte doch Mutter eine Freude bereiten und brachte ihr gegrillte Hühnerkrallen!“
Wir sind länger als einen Monat in Chiang Mai. Die Frau lebt immer noch. Thais hätten sie mit Klebreis und Krallen längst umgebracht.
Dr. Christian Friedrich Ludwig Wildberg, 1812
Handbuch der gerichtlichen Arzneywissenschaft…
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