Kochen ist eigentlich eine exakte Wissenschaft, mindestens für westliche Esskulturen. Nur die Masseinheiten waren bei den Mengenangaben lange Zeit relativ ungenau. Es gibt Teelöffel oder Suppenlöffel. Die Grössen waren nicht genormt. Eine Prise oder eine Handvoll ist je nach Anwender nicht dasselbe. Was ist bei Flüssigkeiten der Unterschied zwischen einem Spritzer oder einem Schluck. Sollte der Koch den Schluck wirklich im Mund abmessen? Bei Öl ist das weniger empfehlenswert.
Ich verrate ihnen ein Geheimnis. Dick kann nicht kochen – oder nur zufälligerweise gut. Sie benutzt die einheimische Herz-, Magen-, Hand-Methode. Da werden Zutaten aus Fläschchen, Flaschen und Töpfen mit mir unbekanntem Inhalt grosszügig in Töpfe und Pfannen gegeben. Zu oft wird irgendeine wichtige Kleinigkeit vergessen. Die Chili- und Knoblauchzähler werden durch Stromausfälle, eher durch Telefonanrufe zurück gestellt. Ein thailändischer Rindfleischsalat, Yam Nuea Yang, ohne Fleisch ist kaum besser, als Ravioli ohne Füllung.
Dick kaufte ein halbes Pfund Farang Bohnen, dazu ein Pfund schönen Speck. Thais würden den ganzen Speck zerstückeln und das Fleisch zusammen mit Reis und Bohnen auf den Tisch stellen. Ich wollte vierzig Prozent zu Speckwürfeln verarbeiten, die gekochten Bohnen danach in den Würfeln kurz aromatisieren. Den Rest des Specks wollte ich für einen Curry anbraten.
Vor kurzer Zeit noch mussten wir Öl aus der Pfanne abgiessen, um das Fleisch nicht zu ersäufen. Heutzutage wird der Speck durch kriminelle Lebensmittelverfälscher entfettet und tiefgefroren. Man muss Schmiermittel beifügen, damit die Würfel selbst auf beschichteten Oberflächen nicht kleben. Seit dem Unfug mit dem fettfreien Speck schmeckt mir selbst Gaeng Hung Lay nicht mehr. (1) Die nördliche Spezialität könnte in Satun zubereitet werden, weil die Bauern unter Missachtung sämtlicher Auflagen und Verbote selber schlachten.
Beim Backen bin ich kleinlich. Bevor wir Mehl kauften, wollte ich sogar in Satun eine teure Küchenwaage. Die Brotqualität wurde damit reproduzierbar. Wir beherrschen Gewichte, Zeiten und Temperaturen als Voraussetzungen für erfolgreiches Backen.
Die Waage kann sogar zur Zubereitung von Cocktails eingesetzt werden. Im tiefen Süden, halal Land, fanden wir keine geeigneten Messbecher für Spirituosen. Der Umrechnungsfaktor: Ein Zentiliter entspricht zehn Gramm – oder der Schluck wird an Feiertagen aus tief-religiösen Gründen im Mund abgemessen. Ich zelebriere Feiertage meist schluckend, weil ich keine Wanderschuhe besitze. Allah, Buddha, Christus und Konfuzius, ich bin schon ganz konfus, haben nach fernöstlichen Zeitbegriffen mindestens jeden dritten Tag Geburtstag! An buddhistischen Feiertagen dürfen nur Tante Emma Läden illegal Alkoholika abgeben.
Die Küchenwaagen dienen ebenfalls zur Überprüfung der Einkäufe. Die Marktfrauen sind nicht kleinlich beim Wägen, auch bei sich selbst. Sie sind, Vorteil beim Sitzen, gut gepolstert.
Ein spezielles Kapitel ist der abgepackte Käse. Hartkäse wird meist ohne Verpackung gewogen, verpackt, vakuumiert, der Beutel verschweisst und zusätzlich mit viel Klebeband dekoriert. Bei einem Stücklein Parmesan las ich folgende Gewichte:
Angabe Etikette: 158 Gramm,
Gemessenes Gewicht verpackt: 166 Gramm
Klebeband: 3 Gramm – Schwerstarbeit für einen Greis mit klammen Fingern. Ich verlor Unmengen von Flüssigkeiten in Form von Speichel und Schweiss. So heiss kann Käse sein.
Bei Weichkäse wie Brie, Gorgonzola, Roquefort und Stilton dagegen, werden nach meinen Messungen die Styroporschalen und das Verpackungsmaterial als teurer Käse verkauft. Meistens verwenden die Angestellten zwei Folien, verzichten dafür auf das Klebeband.
Aber ich erinnere mich an eine Käsehandlung in einem Vorort von Bern. Der Chef bediente die Kundschaft persönlich und erzählte während des Verpackens zwecks Ablenkung ellenlange Käsegeschichten.
Zuerst legte der Meister eine ältere Zeitung auf die Präzisionswaage von Mettler, damals aus Küsnacht am Zürichsee. Dann folgte ein grauweisses Papier. Er legte eine pergamentähnliche Folie darüber. Dann griff der Künstler zum Messer – schnitt den bestellten Greyerzer oder Emmentaler, legte den Käse auf die Papiersammlung – et voilà – die Waage zeigte genau 250 Gramm, wie verlangt.
Käsehändlers alte Zeitung war für mich das Käseblatt. Ich las es auf dem Plumpsklo, bevor es nach einer letzten Verwendung endgültig vernichtet wurde.
(1) https://hinterindien.com/2012/12/16/kuchendienst-hunglay/