Freund Herbert sandte ein Mail mit dem Titel Festtage. Mein überschnelles Gedächtnis schuf aus Herbert und Festtage: Herbsttage. Genauso fühle und empfinde ich. Nach unserer ersten Reise-Etappe von Chiang Mai nach Phitsanulok im November, bestellte ich zum vorzüglichen Essen einen anständigen Wein.
Die Schwierigkeit war, ich konnte mit meinen Gelenkschäden in Armen und Händen die Öffnung des künstlerisch im Neo-barock geformten Glases nicht an meinen Mund führen. Pablo Picasso hätte mich entsprechend porträtieren können. Das Weinglas klapperte aufgeregt und äusserst laut an meinen Augengläsern. Trinken konnte ich nach den Anstrengungen der Reise zunächst nicht.
Mit kürzeren Etappen und weniger Anstrengungen verminderten sich dann die Leiden. Es dauerte einen Monat, bis ich mich annähernd erholt hatte.
Aber wenn der säuselnde Wind eine Türe zuknallt oder wenn die fleissige Dick einen Löffel fallen lässt, dann ist endgültig Feierabend. Ich kann Laptop, Ultra-Book oder Smartphone nicht mehr bedienen. Beim Zeitungslesen lösche ich dauernd Inhalte. Google entdeckt dann verräterisches Verhalten der Seiten des Laptops und möchte Sicherheitstests durchführen. Der einzige Unsicherheitsfaktor bin ich.
Meine Zukunft wurde zur Vergangenheit. Ich mag kaum mehr kämpfen. Hier bedeutet aber das Leben Kampf. Kampf für anständiges Futter, gegen Verleumdung, für Gerechtigkeit, für Gesundheit und Kampf für kleinste Freiheiten.
Wir kauften innerhalb der letzten zwei Monate „orinetalische“ Wai Wai Nudel-Suppen. Ein Verfalldatum auf dem zwölf Portionen Beutel suchten wir vergeblich. Das Pulver in den Verpackungen sind verklebte Monoblöcke. Das Palm-Öl in den Beutelchen ist ranzig! Konsumentenschutz ist ein Fremdwort.
Die Militärdiktatur billigte am 16. Dezember ein Gesetz über sogenannte Computerverbrechen. Es erlaubt, Internetinhalte selbst dann zu verurteilen, wenn sie nicht direkt illegal sind, sondern lediglich gegen die öffentliche Moral verstoßen. Gegenseitige Bespitzelung wird gefördert.
General Prayuth hält bezüglich Moral und der Internetzensur jedoch an seiner Linie fest: Gute Moral ist Frieden, Ordnung und nationale Sicherheit. Innerhalb der Verwandtschaft gelten seine strengen Massstäbe nicht. Da riskierten in den vergangenen Tagen und Monaten mehrere mutige Journalisten ihre Freiheit.
Praktisch jeder 7/11 Laden im Norden hat eine grössere Auswahl an Medikamenten als sogenannte Apotheken in Satun. Wir versuchten Medikamente, von Antibiotika über Heftpflaster bis Stuhlzäpfchen, zu kaufen. Glyzerin ja, Dulcolax nein. Andere Medizin war verschreibungspflichtig durch Fach-Ärzte. Heisst das, ein Augenarzt darf keine Stuhlzäpfchen verschreiben?
Dick sagte:
“Kein Problem, wir besuchen einen Arzt und bringen den Schein.“
Die Apothekerin antwortete:
„Das hilft Ihnen leider nicht. Keine Apotheke in Satun wird dieses Medikament verkaufen!“
Ohne weitere erfolgslose Diskussionen bestellten wir im Norden.
Auf genehmigungspflichtige Schmerzmittel muss ich in Satun verzichten. Dagegen wären harte Drogen einfach zu beschaffen.
Bedingt durch meine Schwächen, sie nehmen eher zu als ab, wird es mir kaum mehr möglich sein, meine Familie, die Grosskinder und die Schwester in der Schweiz zu besuchen. Ist das meine einzige verheissungsvolle Zukunft? Werde ich noch einmal den Mut aufbringen, in wenigen Wochen mit der Fähre nach Langkawi zu reisen?
Zuvor fahren wir in einen Tempel, möglicherweise zum Wat Chanathipchaloem. Dort suche ich für meine verspätete Abschieds-Reise einen verschnörkelten südlichen Grabstein aus. Die gefallen mir bedeutend besser, als die Legionen von Geisterhäuschen des Nordens.
Zur feierlichen Verabschiedung des vergangenen Jahres fanden wir einen Prosecco. Mögen die Bläschen perlend in unsere Köpfe aufsteigen und es leicht machen, uns gegen erneute Tiefschläge schützen, denn die Zukunft ist bestimmt nicht nur Zuckerschlecken.
Ihnen wünschen wir mehr als Blasen in ihren Denkmaschinen! Ach, die benutzen Sie kaum mehr. Sie haben jetzt 4G, LTE, Smartphones!
Prosit Neujahr!