Treibholz

Bedaure, ich liess regelmässige Leser sitzen. Der Grund war ein erneuter Angriff meines Erzfeindes auf die Kontrolle meiner Hände und Finger. Ich konnte kaum Mails lesen. Ein kleines Teufelchen in der Finger-Steuerung liess mich Mails und Nachrichten löschen, bevor ich sie gelesen hatte. Mühsam gelang es mir, die meisten Texte zu retten. Vor einigen Jahren war ich ahnungslos, dass es solche Viren ebenfalls gibt.
Aus einer relativ aktiven Person, wurde ein mühsamer, fast passiver Lebenspartner. Das einzige, zu was der alte, stinkende Fleischhaufen noch taugt, ist reine Umweltverschmutzung. Dies beelendet mich wenig, denn parasitäre Lebensformen sind unter der Bevölkerung weit verbreitet.
Getränke führe ich zweihändig zum Mund. Letzthin in der Kneipe mampfte ich Finger-Food. Ich scheute mich, wegen unnütz lautem Geklapper Gabel und Messer zu benutzen.
Erinnerungen wurden wach. Ich dachte an das Buch: Lady Chatterley’s Lover, Lady Chatterleys Liebhaber. (1)
Dick ist glücklicherweise wirklich beschäftigt. Sie bedient alte Kundinnen im Salon. Sie repariert und lackiert unter meiner Regie, alles – von Elektronik bis zu aufwändigen Restaurationen. (3) Todesfälle und gesellschaftliche Einladungen gibt es zu Hauf. So ist sie oft von acht Uhr morgens bis um Mitternacht unterwegs. Mittagessen gibt es im Dorf, von frisch gezuckerten Nudeln bis zu Klebreis.
Selbst kleinste Besorgungen benötigen viel Zeit. Sie benötigte einen ganzen Tag, um ihre Versicherung zu bewegen, endlich eine Gutschrift für eine bevorstehende Operation auszustellen. Die amtliche Organisation, die ihr im Falle einer Krebsbehandlung problemlos 350‘000 Baht vorgaukelte, wurde pingelig und bezahlt für einen kleinen Eingriff nicht einmal eine Jahresprämie. Das erlebte sie doch schon mit AIA, vier Krankenhausaufenthalte – keine Leistungen! Aber für den Prämienbezug waren die Angestellten stets pünktlich zur Stelle.

Vor zwanzig Jahren war ich stolzer Kapitän meines Lebensschiffes und bestimmte den Kurs. Mittlerweile wurde ich zum vergammelnden, langsam absaufenden Stück Treibholz. Dessen Weg wird von andern Mächten bestimmt. Ich wurde zum passiven Zuschauer. Schaffe ich den Weg noch einmal nach Satun? Zur Zeit eher nicht.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lady_Chatterley
(2) vergleiche Mai 2013, https://hinterindien.files.wordpress.com/2013/05/root2.jpg
(3) Arbeit von Dicks Sohn Dei, 2013, lackiert August 2017

4 Gedanken zu „Treibholz

  1. ***Schaffe ich den Weg noch einmal nach Satun? Zur Zeit eher nicht. ***
    So, wie ich Deinen Willen kennengelernt habe, gelingt Dir das!
    Warum erwaegst Du nicht einen fixen Ortswechsel nach Satun? Die Kuehle (Kaelte kann man ja als DACHler nicht wirklich sagen) in Chiang Mai sind ja Gift fuer Dich. Auch die Luft ist laut Deinen Berichten dort im Sueden wesentlich besser.
    Irgendwie wird das und noch viel mehr mit Deiner Gesundheit zusammenhaengen.

    fr

    • Bedaure Franzi. Rettete den Kommentar am 3.9. aus Spam – Viagra etc.
      Der einzige Grund für die Reise in den Norden im Mai war die bösartige Alte. Sie überlebt nun ohne unsere Hilfe – Dicks Pflege und meine Finanzen! Die schwer Kranke sollte nach ärztlicher Verordnung eigentlich seit Mai 2016 kremiert sein. Grossartige Charakterdarstellerin!

  2. Lieber Low,
    das alles klingt schon ziemlich ernüchternd.
    Magst Du als Treibholz auch noch so sehr
    ins Schwimmen kommen – untergehen ist
    nicht möglich.

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