Kein Vertrauen in Schleusenwärter

Eines der wenigen Diplome, die mich mit Stolz erfüllten, erhielt ich von der Firma Carl Zeiss in Oberkochen. Die Herren von Hühnerbein, Koch und Spletzer übergaben mir 1967 eine Urkunde und ernannten mich damit zum Zeiss’schen Elektronenmikroskop-Schleusenwärter. Diese delikate Schleuse ermöglichte den Probenwechsel im Vakuum, ohne das Gerät zu belüften. Vertrauen sie dem beinahe Experten als Verfasser dieses Berichts.BA4ATG2 Anmerkung: Das Deutsche Zertifikat wurde vom Schweizerischen Amt für Berufsbildung nie anerkannt.

Im Norden von Chiang Mai gibt es einige Stauseen. Sie speichern Brauchwasser für die Trockenzeit. Jeder Betreiber versucht krampfhaft, möglichst viel Wasser in die Zeit der Dürre zu retten. Oft konsultierte Wahrsager sind nicht Schleusenwärter. Sie können keine Empfehlungen für ein sinnvolles Wassermanagement erteilen. Beim Verkauf garantiert nicht gewinnbringender Lottonummern, beschränkt sich der Sachschaden in berechenbare Dimensionen, nicht wie lausige Voraussagen für diese Flutwellen-Akrobaten.
Sekunden bevor die Dammkronen brechen, werden die Schleusen so stark geöffnet, dass ganze Landstriche überflutet werden. Dass man während Tagen und Wochen gut überwacht, berechenbar, geehrte Herren Wasserregulatoren – die Grössenordnungen sind Kubikmeter pro Sekunde – kleinere Mengen Wasser abfliessen lassen könnte, lernten diese Stümper nie. Ihre Grössenordnungen liegen in den Bereichen von Milli-Litern pro Stunde für Lao Khao. Ihre Behausungen stehen sicher an den Hängen. Schäden, ausser an den Lebern, haben sie keine zu befürchten.

Am zwölften Oktober war es nach einigen trockenen Jahren wieder soweit. Der einzige Wissenschaftler weit und breit, wurde wahrscheinlich in den Ruhestand versetzt. Die Armee übernahm das Kommando über Speicher und Wasser.
Morgens um vier gab es eine fast unverständliche Lautsprechermeldung: „Die Schleusen wurden geöffnet. Wasserschäden sind nicht auszuschliessen“. Aus Erfahrung wusste ich, es dauert ungefähr zwei Stunden, bis die Fluten unser Dorf erreichen. Um viertel vor sechs Uhr verwandelte sich die Strasse in einen rauschenden Fluss. Dann stieg das Wasser bis um neun Uhr kontinuierlich bis einen Meter über Teichpegel.
Diese Flut war gewaltiger, als alles Vorherige. Sogar die Matratzen im Schönheitssalon litten. Oktober und November sind die Wandermonate der Schlangenkopffische. Dort unter dem Kühlschrank, versteckte sich ein kleines Kerlchen. Ab elf Uhr bemerkte ich, der Wasserpegel ging zurück. Als man um die Mittagszeit mit der Schlammbekämpfung hätte beginnen können, stellten unsere Energielieferanten den Strom ab. Einige Geistesschwache in umliegenden Dörfern, wurden aus Unkenntnis – Elektrizität und Wasser – getötet. Andere setzten sich in ihre Fahrzeuge mit der Idee, mit möglichst hoher Geschwindigkeit, den Fluten zu trotzen. Ihre motorisierten Blechscherze verwandelten sich in schwimmende Särge.
Meine Folgerung: Schlecht ausgebildete Schleusenwärter heben den Intelligenzquotienten!

5 Gedanken zu „Kein Vertrauen in Schleusenwärter

  1. Das ist auch etwas was ich nie verstehen werde.
    Im August wurde gemeldet, die Stauseen seien 68 – 80% voll. Klar, es gab noch nie Starkregen im Sept. – Nov. ist ja bekanntlich Trockenzeit. Hätte mann den Abfluss im August leicht verstärkt, ohne Überschwemmungen zu riskieren, hätte es jetzt noch Platz in den Speicherbecken.

    Aber ich denke, die Schleusenwärter machen einen Wettbewerb unter sich, wer am frühesten das bestgefüllte Speicherbecken hat. Vieleicht gibt’s auch noch ein Bonus (lao khao) ?
    Nachher sind dann frühere Ministerpräsidenten schuld…

    Im August kam das Wasser bis 2 Meter an unser Grundstück. Wir haben aber eine Mauer rundherum und innen 1.20m aufgefüllt. Beim Mauerbau und Auffüllen haben viele den Kopf geschüttelt und auf Farang ben baa gelächelt…

    • Martin, es ist leicht zu verstehen.
      Die Bevölkerung dieses Landes lebt vor allen Dingen in der Vergangenheit und ein wenig im hier und jetzt. Zukunft und damit Planung sind Fremdwörter. Im Deutschen gibt es das Sprichwort „Du kannst so weit denken wie ein Schwein scheißt.“.
      Außerdem gibt es noch einen Hinderungsgrund: Für die zukünftige Prognose des Wasserstandes müsste ein Schleusenwärter die 4 Grundrechenarten und den Dreisatz beherrschen. Undenkbar!

      • Martin und Ralf, besten Dank für die Kommentare.

        Überschwemmungen sind bis im November möglich!
        Einige Soldaten kamen ins Dorf. Sie halfen beim Aufräumen. Sie waren besonders gefragt beim Schleppen schwerer, schlammig durchnässter Matratzen und geborstener Schränke. Beim Wegräumen benutzter Reinigungs-Utensilien, zeigten sie schwere Ermüdungserscheinungen. Wie wollen die Krieg führen?

        Ihr Kommandant machte dafür erfolgreich Psychoterror. Er erzählte, dass gegen Mitternacht eine weitere Flutwelle folgen würde.
        Dick besitzt vier Häuser. Nur eines blieb verschont. Mein Weitblick beim Entwurf lohnte sich. Die Reinigung geht schleppend voran. Pro Haus muss mit eineinhalb Tagen gerechnet werden. Der getrocknete Schlamm erreicht die Härte von thailändischem Zement.

        Ich kochte mir gegen drei Uhr ein Pilzsüppchen mit einigen Brotstücklein. Dicks Smartphone dudelte leise. Es war der Dorfvorsteher. Ich liess Dick schlafen.
        Im Gästehaus versteckte sich eine Krait in einem Bett. MiMi verbellte den tödlichen Giftwurm. Selbst Kühe sterben spätestens eine Stunde nach dem Biss.

        Der Dorfvorsteher machte sich besonders beliebt, als er nachmittags gegen fünf Uhr erneut eine weitere, sinnlose Warnung aus einer Gerüchteküche prognostizierte.
        Ich erinnere mich: Vor Jahren verprügelten Einwohner bei Sarapi einen Schleusenwärter auf buddhistische Art. Das ist offenbar die einzige Art, deren Denkschärfe wirksam zu fördern.

        Unser Nachbar, Polizist, liess nach der vorletzten Flut Schutzmäuerchen und Treppen erhöhen. Er brauchte eine Pumpe, um das Wasser aus dem Haus zu befördern. Restfeuchtigkeit kennt er nur vom Alkoholgenuss her! Gestern waren die Maurer wieder am Werk. Zum Betreten seines Palastes sind jetzt Steigeisen und Gletscherseil erforderlich. Wie funktioniert eigentlich sein WC?

  2. *Klar, es gab noch nie Starkregen im Sept. – Nov. ist ja bekanntlich Trockenzeit.*

    *Überschwemmungen sind bis im November möglich!*

    Rolf, ich hoffe Du hast meinen Sarkasmus verstanden ;-)

    Wie in er ganzen Welt ist auch in Thailand das Klima verändert. Konnte man vor 10 Jahren noch zu 95% davon ausgehen, dass Mitte November der Monsun beendet ist, stimmt heute nichts mehr. Heftige Niederschläge teils bis in den Januar werden immer öfter. Hinzu kommt, dass durch die Bodenverdichtung (Betonierungen) und die Kanalisierung von Wasserläufen das natürliche Versickern verunmöglicht wurde. Die oben erwähnte Unfähigkeit von Schleusenwärtern setzt noch das Pünktchen auf’s i.

    • Zusätzlich zur globalen Klimaveränderung kommt noch der hausgemachte Anteil. Massive Abholzungen in den letzten 50 Jahren haben das lokale Klima nachhaltig verändert.
      Eine Bekannte erzählte mir einmal, das es in ihrer Kindheit (also vor gut 50 Jahren) im Winter in Udon Thani noch Bodenfrost gegeben hat. Heute lässt man besser die AirCon laufen, falls vorhanden.
      Und das die Überschwemmungen teils natürlich teils eigenverschuldet sind, sollte jedem klar sein. Aber es ist natürlich einfacher, die Schuld den Geistern und ehemaligen Ministerpräsidenden zu geben. Das erspart das Denken, was hier augenblicklich zu Kopfschmerzen führt und deshalb tunlichst vermieden wird.

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