Die weltweite Covid-19 Seuche beeinflusst die deutsche Sprache. Englische Floskeln, Neu-Deutsch, verharmlosen behördliche Beschlüsse und kaschieren sie. Während der Einschliessungs-Phase litten verschiedene Menschen in der Schweiz an psychologischen Störungen im Zeitraum von bloss zwei Monaten. Die Leute hatten es schwer, trotz Unmengen zuverlässiger elektronischer Kommunikationsgeräte auf Anlässe jeglicher Art, Konzerte, Theater, Kino, Bar- und Restaurant-Besuche zu verzichten.
Ich müsste eigentlich total verrückt sein, denn seit drei Jahren konnte ich in keiner Form in den Ausgang, oder man stuft die zehn Monate Hospitalisierung im vergangenen Jahr bereits als Vergnügen ein.
Im Januar hatte ich zwei angenehme Besucher aus der Schweiz. Im Februar besuchte mich ein Ehepaar aus dem Dorf. Diese Leute belogen mich, dass das Eis im Tiefkühler krachte. Auf solche Visiten verzichte ich gerne.
Im Vergleich zum mehrjährigen Spitalaufenthalt ab 1957 gibt es heutzutage Internet. Bedingt durch meine praktisch gelähmten Arme und Finger kann ich leider E-Mail kaum nutzen. Filme auf YouTube kann ich schlecht auswählen, denn mein kleiner Finger tippt manchmal einen Film an, den ich freiwillig kaum aussuchen würde. Über Internet empfange ich Schweizer Radio – heimatliche Klänge, Jodel-Gesang mit einem Hauch alpiner eidgenössicher Kuhfladen-Kultur – und weitere geschriebene oder gesprochene Nachrichten aus aller Welt. Den Blog Hinterindien, an welchem ich seit Jahren arbeite, kann ich kaum weiterführen.
Im Tiefenauspital hatte ich vergleichsweise viel Besuch, Eltern, Großeltern, Verwandte und Freunde. Mein Vater klassifizierte junge Männer in engen Beinkleidern, mit langen Haaren und saloppen Lederjacken als Halbstarke. Als mich solche Typen besuchten und sahen, was was mir als Abendessen beschert wurde, sassen einige junge Herren auf ihre Motorräder, lärmten in die Stadt Bern und kamen Minuten später mit einem heißen Hähnchen in einem Alubeutel zurück.
Ein Privat-Lehrer weihte mich in die damaligen Geheimnisse der Elektrotechnik ein. Halbleiter und Digital-Technik eroberten die Welt.
Manche Pflegerinnen ärgerten sich über meine Freundin, die sich aufs Bett setzte um zu flirten und zu küssen. Eine Krankenschwester sagte ihr wenig freundlich:
„Es ist minderjährigen Besucherinnen verboten, sich auf das Bett der Patienten zu setzen!“
Bärbeli setzte darauf einen Griff des Rollstuhls unter die Türfalle. Eintritt unmöglich!
Später besuchte ich Schulen, Konzerte und Kinos. Brenzlig wurde die Situation mit dem Personal, als ich meinen eigenen Wagen vor dem Eingang 4 parkierte und einen Schlüssel fürs Haus verlangte. Den erhielt ich problemlos, weil ich nicht nur in den Ausgang ging, sondern arbeitete und gutes Geld verdiente.
1964 fand ich endlich eine Wohnung, die mir erlaubte, den Spitalaufenthalt zu beenden. Der Lift war so klein, dass ich in der Garage die Fußstützen vom Rollstuhl entfernen musste. Das WC und die Badewanne konnte ich nur über einen Hocker erreichen. Dafür war die Aussicht auf die Altstadt phänomenal. 
Die teure neue Wohnung am Liebeggweg wurde dennoch für wenige Jahre zum Hauptquartier für Reisen in die Welt, inbegriffen Europa, Afrika, Amerika und Asien. Der Horizont des Krankenhauses genügte mir nicht mehr. Einige Ausflüge waren Arbeitsaufenthalte: Amerika, Israel, Malaysia und weiterer Nervenkitzel.
Gegenwärtig liege ich am Rande eines selbst verursachten Müllberges und blicke in ein tropisches Tal des Grauens; umgeben von Lügnern, Dieben, Betrügern, und geistig behinderten Analphabeten. Übliche Konversation ist unmöglich. Die Frauen plappern den ganzen Tag unermüdlich bloß Dorftratsch. Meine Wenigkeit ist eine wichtige Erscheinung in diesen Nachrichten. Die außergewöhnliche hübsche und sanfte Masseurin fiel auf das dumme Geschwätz herein. Sie fragte vor wenigen Tagen, ob ich wirklich nach Abheilung der Geschwüre sogleich in die Schweiz reisen würde.
Die Englisch-Lehrerin versteht kein Englisch. Dick ist beschäftigt mit ihrer Mutter, den Geschwistern, dem kleinen Mädchen Phuy und dem 10 jährigen Goon, Schüler und Sohn ihrer Tochter. Morgens nach 7 Uhr reist sie mit den Kindern zur Schule. Abends sammelt sie die Kinder ein. Wenn ich Glück habe, ist sie um 19 Uhr zurück und kocht.
So ein Tag kostet mich im Mittel 10.000 Thai Baht. Ich habe genügend Zeit um Probleme zu finden und nach Lösungen zu suchen.
Covid19 behindert den Luftverkehr und damit den Nachschub für medizinisch- technisches Material. Es gibt gegenwärtig keine sterilen Katheter mit einfacher und sicherer Anwendung. Ich bat die schweizerische Vertretung in Bangkok erfolglos um Hilfe. Mit einem annähernd brauchbaren Finger und 4 unbeherrschbaren, schmerzhaften Dingern schrieb ich Mails. Denn es geht schlicht um mein Leben. Ich möchte nicht fiebrig schmerzhaft verrecken.
Ich checkte den ganzen asiatischen Raum nach Vertretungen des Herstellers ab. Die Händler in den Ländern wie Hongkong, Thailand, Malaysia änderten. Alle Lagerbestände waren Null. Ich schrieb an die regionale Hauptvertretung in Singapur und erklärte, ich sei Kunde seit über 10 Jahren und möchte den Artikel Nummer XXY kaufen.
Singapur verwies mich an einen Vertreter in Bangkok. Er schrieb mir, ohne mein Mail zu verstehen:
( I am Nam, marketing manager…
I would like to inform you to place online purchasing order from oversea in a maximum of 4 retail boxes and send to you personally by registered mail.
Thai customs is allowed for this quantity for personal used.
I am not sure how long you will stay in Thailand but it may be easier for you to go to see the urologist at hospital nearby and get the product recommendation that suit for your lifestyle.)
Als ich sein Schreiben las, dachte ich der Herr Manager wolle mich veräppeln, denn offenbar benutzte er ein i-Phone. Aber nach einigem Nachdenken fand ich heraus, dass er keine Ahnung von seinem Business hat. Denn er schrieb mir:
„Ich bin Nam, Vertriebsmanager. Bestellen sie ihre Ware in Übersee und lassen sie 4 Pakete eingeschrieben an ihre Adresse senden. Die thailändische Zollverwaltung erlaubt 4 Pakete zum persönlichen Gebrauch. Ich weiß nicht wie lange sie in Thailand bleiben möchten, aber es wäre einfacher für sie, im nächstgelegenen Krankenhaus einen Urologen aufzusuchen und das Produkt auszuwählen, das ihrem Lebensstil entspricht.“
1. Wenn sie mehrere Tage nicht urinieren können, sind ihre Nieren tot oder mindestens beschädigt.
2. Kliniken, inbegriffen Privatspitäler im Land des Lächelns, kennen zeitgemäße Produkte nicht.
3. Sie brauchen immer noch uralte Latex-Katheter mit Gleitmittel. Das funktioniert in meinem Falle überhaupt nicht.
4. Die 4 erlaubten Pakete reichen nur für 33, oder maximal 50 Tage.
Die Kosten spielen natürlich eine wesentliche Rolle. Ich benutzte Katheter zu 80 Baht das Stück. In Malaysia kostete mich das selbe Produkt nur 40 Baht. Der neue Agent in Thailand wollte 90 Baht. 300 Stück zu 90 Baht kosten demnach 27’000 Baht und reichen maximal 150 Tage. Lagerbestand: Null!
Dick fand eine Firma, welche ein japanisches Produkt verkauft. Ich ermittelte, dass japanische Katheter 10 cm kürzer sind. In meinem Falle ist das sehr knapp. Der stolze Preis für die Luxusware war 600 Baht pro Stück. Pro Tag würde mich das Pinkeln nahezu 40 bis 60 Franken kosten. Für 300 Stück müsste ich 180’000 Baht hinlegen. Ein Flug nach Europa und zurück mit der kostbaren Fracht wäre günstiger.
Ob meine neue Problemlösung funktioniert, werde ich demnächst herausfinden. Das nenne ich angewandten Psycho-Terror.