Herz-, vor allem Schmerz-Polka

Meine neueren Beiträge widmeten sich biologischen, medizinischen und technischen Problemen.
Das Herz, das eigentlich fruchtbare Leben, das seelenlose Treiben in den Häusern des Dorfes, die starken thai-familiären Bindungen und Beziehungen, all die Unglücksfälle und Verbrechen, gerieten ohne übliche starke Schnäpse in den Hintergrund und allgemeine Vergessenheit.

Da war dieser vielversprechende Bursche im Nachbarhaus. Seine Schwester agierte als verführerische Amateur-Schauspielerin vor unserem Garten in einem vom cleveren Jungen selbst einstudierten Porno-Video. (1) Mit knapp siebzehn Jahren wurde er vor einem Jahr Vater.
Seit unserer Rückkehr von Satun atmet er gesiebte Luft. Zu fünft vergewaltigten gedankenbefreite Rüpel in der Schule ein Mädchen, Gang Bang, wie es die Fachsprache verharmlosend nennt. Die Vorgehensweisen zeigt jedes Smartphone. Nach buddhistischer Ethik müsste gesucht werden.

Als wäre nichts geschehen, roch ich von draussen, hart angebratenen Knoblauch. Der Wind drehte etwas. Ein Hauch Tom Yum, Duft von Zitronengras, Galanga, Ingwer und Chili lag in der Luft. (2) Plötzlich wurde der angenehme Eindruck durch eine Spur Dieselabgas verdorben.

Da war diese, von fehlender Intelligenz und exotischem Schicksal gebeutelte, ältere Frau, Mutter, Grossmutter und unbekannterweise durchaus mögliche Urgrossmutter. Die Leere des Gehirns, der fehlende Verstand wurde durch ein unermüdliches Mundwerk mehr als kompensiert. Obwohl ihre lebenslangen Ansprüche und Ausgaben Millionen verschlangen, blieb ihr nichts in Truhen und Schränken oder in ihren blossen Händen, als ihr unbeugsamer Wille, ihre Nachkommenschaft bis ins zwölfte Glied an ihren Irrungen und Verwirrungen teilhaben zu lassen.
Die Frau vergiftete sich in den letzten Jahren mehrmals mit verdorbenen Speisen oder sichtbar und riechbar schlechtem Wasser. Leber und Nieren überlebten. Unsichtbare Schäden entstanden höchstens im Schädel. Weil keine Substanz vorhanden war, bemerkte niemand nichts. Die taprige Vergesslichkeit prügelte sich um nichts mit streitbaren Nachbarinnen oder wurde verschiedentlich Opfer der Schwerkraft sämtlicher Fallgesetze, ich meine nicht Genitiv, Dativ, Akkusativ – sondern Newtons Apfel – ohne sich bei all diesen Krankheiten und Unfällen endlich endgültig zu verabschieden. Im Krankenhaus vierhundert Kilometer südlich von Chiang Mai retteten die Ärzte erfolgreich kostbares Leben und brachten die Reste jeweils mit Ambulanzen zu den Töchtern in den Norden – zwecks Rekonvaleszenz.

Eine der Töchter lebte zwar in unmittelbarer Nachbarschaft der Mutter. Die junge Frau kümmerte sich, ausser dass sie sich selbst gelegentlich gratis mit Lebensmitteln versorgte, nie um das Wohl der leicht Angegrauten.
Das muntere Töchterlein litt an chronischem Reissen zwischen ihren prallen Oberschenkeln. Deshalb war sie dauernd angespannt auf der Suche nach kräftigen Kerlen, von welchen sie Linderung und Wohlgefühle erhoffte. Weil dieses Reissen so intensiv war, konnte die Frau und Mutter sich nicht um die Belange ihrer drei Knäblein kümmern. Die drei haben komplett verschiedene Interessen, genauso wie ihre diversen Väter. Einer klaut Fahrzeuge und Treibstoffe. Ein Halbbruder ist Spezialist für Einbrüche. Der dritte handelt mit Drogen. Es verwunderte nicht, dass diese unerzogenen Bengel und Tagediebe, dank endloser Gaunereien, verschiedentlich Verpflegung und Unterkunft bei den Hütern des Gesetzes genossen.

Fortsetzung aus dem nördlichen Irrenhaus folgt.

(1) https://hinterindien.com/2012/08/01/verheisungsvoller-nachwuchs/
(2) http://www.eatingthaifood.com/2014/08/tom-yum-soup-recipe/

(Herz-Schmerz Polka) https://www.youtube.com/watch?v=CluYL5BSqdI

Pech

Khun Ding erhob sich üblicherweise im Morgengrauen. Er hing seine ausgebleichte, verwaschene, dünne Decke an einen krummen, rostigen Nagel in einem Balken und schaute als erstes nach seinen Tieren.
Die Nachbarn kochten bereits aromatische Süppchen aus Knochen, Zitronengras, Chili und Galanga. Es roch in der feuchten Luft nach verbranntem Gummi. Holzkohle war fast unbezahlbar. Auch beim Gas musste man sparen. Reis und Gemüse waren kaum noch gefragt am Markt. Billige Importwaren zerstörten die Preise. Sprachfetzen aus den Fernsehgeräten vermischten sich mit dem Gegacker der Hühner, dem Heulen der Hunde und dem Knattern der Motorräder.

Heute war alles anders. Ding lag leise stöhnend am Schlafplatz. Wiederholt versuchte er sich zu erheben. Röchelnd brach er kraftlos zusammen. Frau und Kinder bemühten sich vergeblich, den Alten irgendwie aufzustellen. Suppen, Reis oder Lao Khao mochte er nicht.
Nach einigen Stunden dämmerte die Gewissheit im Letzten der wenig gebildeten Köpfe des Dorfes: Ding war ernsthaft krank. Ein Phi schlug verborgenerweise in den dunklen Schatten der Nacht zu. Der Zauberer und Hexenmeister des Weilers wurde gerufen.
Er prüfte den Puls des Darniederliegenden. Er blies ihm Schnapswolken ins bleiche Gesicht. Er ölte die Stirn des Kranken. Er opferte Weihrauch und feuerte riesige Dampfschwaden. Dann schlitzte er unter starken Zaubersprüchen und mit magischen Gesten einem schwarzen Huhn die Kehle auf. Ding blieb liegen.

Die verstörten Kinder starrten mit Rotz in den Nasen und mit verweinten Augen auf den schmierigen Bildschirm des halbblinden Fernsehers, während sich eine emsige Spinne über eine Fliege im Netz hermachte.
Später holten Verwandte Ding mit einem revisionsbedürftigen, russenden Kleinlaster. Sie brachten ihn ins Krankenhaus nach Phitsanulok. Hunderfünfunddreissig harte Kilometer ohne weiche Unterlage oder Schatten auf der Ladefläche.

Ding war nicht der einzige Hilfsbedürftige. Ein riesiges Gedränge versperrte den Zugang. Immer wieder versuchten verzweifelte Menschen einen kleinen Vorteil auszunutzen und zu den Göttern in weiss vorzudringen.
Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, als Ding endlich auf eine matratzenähnliche, dünne Unterlage gelegt wurde. Die medizinischen Abklärungen hatten angefangen. Dings Frau schätzte sich glücklich und dankbar. In wenigen Tagen wären sie wieder zu Hause, bei Klebreis und Papaya Salat.

Das Krankenhaus war ein Bienenstock mit vielen Waben. In all den weissen Waben standen Apparate und Maschinen mit hunderten von Lämpchen. Die Geräte summten, brummten und spuckten Papiere aus. Bebrillte Leute diskutierten ernsthaft die langen Papierstreifen, als wären es Zeitungen. In diesem Labyrinth wurde Ding hunderte von Metern geschoben und immer wieder aufs Neue untersucht. Die holten die letzten Blutstropfen aus Armen und Fingern, injizierten Flüssigkeiten aus Spritzen und Flaschen in sämtliche Körperteile. Dazu gab es Pillen in allen Formen und Farben des Regenbogens. Da wurde geschmiert und geölt. Keine einzige, noch so winzige Stelle des Körpers ging vergessen.

Dings Erkrankung blieb ein Rätsel. Der Oberdoktor, der Herr aller Doktoren, sprach langsam  und hart drei Buchstaben:“ MRI!“
Einer der Ärzte unterhielt sich mit Dings Frau. In Chiang Mai stehe eine ganz neue Maschine. Nichts im Körper bleibe damit unentdeckt. Allerdings sei die Untersuchung nicht ganz gratis. Fünfzehn bis zwanzigtausend Baht müsste man schon rechnen. „Hat die Familie Geld? Hat die Verwandtschaft Geld?“
“Geld, in diesen Mengen?“ Sie schüttelte den Kopf: “Nein.“
Der letzte höhere Betrag sei ein Schulgeld gewesen und dann kleine Raten fürs Motorrad.

Im Dorf diskutierte man eifrig über das Suan Dok, oder Maharaj Spital in Chiang Mai. Die könnten dort alles. Neues Herz, bitte! Frische Niere zum Frühstück, kein Problem. Die Ärzte seien so erstaunlich gut, die Krematorien wären arbeitslos. Aber Geld, lausiges Geld, war keines aufzutreiben.

Dennoch legte man Ding eines frühen Morgens in einen Minibus. Sechs Stunden lang harrte der Kranke aus. Er ertrug das Schütteln, das banale Geschwätz, den Gestank nach Esswaren, Schweiss und schmutzigen Füssen im vollgestopften Bus. Er wartete geduldig auf sein persönliches Wunder.
Dann lag er lag voller Hoffnung in einer Reihe anderer Patienten. Die Stunde der Wahrheit kam in Form einer fülligen Kassiererin. Und als keine Scheine die Besitzer wechselten, bettete man den Schwerkranken, er war nicht der Einzige, zurück in die Warteschlangen für die Minibusse.

http://www.leckerbisschen.de/thailand-typisch/lachende-werbung.html

Stromgang und Stuhlversorgung

                                                     26. April 2012  

Auf den ersten Blick vermutet man, das hat doch nichts miteinander zu tun. Der zweite Gedanke bringt bereits die Erleuchtung: Energieerzeugung aus Biogas. In Zukunft werden in zipfelisierten* Ländern keine Abwassergebühren entrichtet. Wegen des freifall Rückziehers aus der Atomenergie wird man sämtliche unmöglichen Methoden zur Stromerzeugung in Betracht ziehen. Nach erfolgreicher Sitzung kriegt der Materiallieferant einen Gutschein. Der könnte mit den Abgaben für CO2-Emissionen verrechnet werden. Das ist jedoch nicht mein Thema.

Stromausfälle gibt es in Hinterindien grundsätzlich nicht. Das sind programmierte Unterbrüche der Elektrizitätsgesellschaften zur Pflege der Akkumulatoren in Notbeleuchtungssystemen und anderen sinnvollen Einrichtungen. Weil einheimische Akkubesitzer Betriebsanleitungen jeglicher Art grundsätzlich ignorieren, haben sie keine Ahnung, daß Akkumulatoren zur Erhöhung der Lebenserwartung, ähnlich wie Harnblase und Dickdarm, zyklisch entleert werden sollten. Das ist eine der unbekannten gratis Dienstleistungen unserer Stromanbieter.

Meine Akkus wurden unter Abgabe lauter Beeps soeben erneut entleert. Dumm nur, daß bei der letzten Gelegenheit vor zwei Tagen im Kühlschrank unsere Fleischvorräte gelinde gesagt, unter der Hitze litten. Die erwarteten Niederschläge verbunden mit erträglicheren Temperaturen nach Songkran lassen auf sich warten. Fleisch im Allgemeinen und die Bevölkerung leiden.

Delikate Gewürzmischungen erfahrener Köchinnen mit Ingwer, Koriander, Galanga, Chili, Frühlingszwiebeln, Basilikum und Zitronengras überdeckten üble Verwesungsgerüche. Die resultierende Lebensmittelvergiftung, (prinzipieller Lieferant E-Werk), reizte einen Dünnpfiff. Dünnpfiff ist nicht eine Fehlentscheidung eines überforderten Schiedsrichters im Fußball. So wird im Volksmund die krampfartige, oft unfreiwillige Entleerung, eines wäßrigen Darminhaltes genannt.

Dieser brutalen Naturgewalt hilflos ausgeliefert, beschmutzte ich mein scharfkantig gebügeltes, modisch aktuelles Beinkleid. „Liebling, wie heißt denn dieser Herrscher über Nadel und Zwirn, der hochkarätige Stardesigner meiner verschissenen Hose?“

Schnelle Abhilfe ist nun nicht gewährt, weil wegen der erwähnten Akkuwartung unsere Wasserpumpe tot ist. Der Ventilator im Badezimmer rotiert zusätzlich auch nicht. Ein Unglück kommt selten allein.                                                                   

Merke: Kluge Menschen erledigen ihr großes Geschäft in Hinterindien nie vor, sondern immer nur nach einem Stromausfall. Daher stammt wohl der Begriff Klugscheisser. (1)

*zipfelisiert = Aus der Ferne betrachtet agieren Behörden in D A CH  häufig wie geistige Gartenzwerge.

(1) http://www.klugscheisser.org/