LOS – Legendäre obrigkeitliche Schlitzohrigkeit

Wir Farang kennen es. Nach dem besonders sorgfältigen Rasieren und Kämmen rennt man zum Garderobe-Schrank und reisst den Konfirmations- oder Hochzeits-Anzug heraus. Nach der eingehenden Kontrolle, ob die Krawatte richtig sitzt, nimmt man seine Dokumenten-Tasche, möglichst von Gucci, schnürt die auf Hochglanz polierten Leder-Schuhe, Armani, und geht mit freundlichem Lächeln, üben, üben, üben, zur Immigration.
Vorher legt der Kluge in der Morgendämmerung beim Geisterhäuschen, San Phra Phum, ศาลพระภูมิ, einen Sicherheitshalt ein. Ein Schluck Lao Khao, duftende Blüten, sowie einige angebrannte Weihrauchstäbe, könnten die Geister milde stimmen. Man ist ja nicht abergläubisch, aber sofern es nichts nützt, schadet es sicher nicht.

Sind die wenigen Parkplätze rings um die Gebäude der Immigration besetzt, findet man sicher ein Plätzchen am Internationalen Flughafen von Chiang Mai. Nach einem gesundheitsfördernden Fussmarsch steht man dann in der Reihe und wartet gespannt auf die Erteilung einer Glücksnummer. Sofern die aufgerufen wird, darf man einen Beamten mit seinem Anliegen betrauen.

So war es einmal. So ist es nicht mehr. Die Immigration in der Nähe des Flughafens gibt es nicht mehr. Die Beamten residieren in der Promenada, einem drittklassigen Einkaufszentrum. Dort gibt es schattige, vor Regen schützende Parkplätze. Die sind (waren) bisher gratis.
Ein ungebügeltes, löchriges T-Shirt, Shorts, Flip-Flops und genügend Geldscheine genügen jetzt völlig für die wichtigen Amtshandlungen und Stempel. Man darf auf Wunsch morgens um fünf Uhr immer noch anstehen, um dann nach halb acht Uhr eine Nummer zu erhalten, muss aber nicht.
Die neue Immigration beeindruckt durch eine grosszügige, klimatisierte Schalterhalle für die Beamten. Die Besucher können beliebig vom warmen thailändischen Klima vor der Halle profitieren, bis ihre Nummer viel später aufgerufen wird.
Für die neunzig Tage Aufenthalts-Frist, gibt es täglich hundert Nummern. Für das Rentnervisum werden angeblich nur zwanzig Nummern verteilt.
In der alten Immigration arbeiteten etwa dreissig Angestellte. In der neuen Promenada sieht man rund ein Dutzend Beamte. Offenbar konnte deren Effizienz bedeutend gesteigert werden.
Meine Erfahrung: Re-Entry Erlaubnis, kurz vor Dienstschluss, in fünf Minuten!

Als wir die Promenada und das Amt besuchten, erzählte ein unglücklicher Deutscher allen Anwesenden:
„Ich stand bereits um fünf Uhr in der Früh hier. Jetzt ist vier Uhr und ich warte, warte, warte immer noch auf meinen Reisepass!“
Der uneinsichtige Mann wurde wiederholt aus den Schalterraum, wo er lauthals aufbegehrte, an die warme Luft gesandt. Er begriff nicht, dass er vom Schicksal ausgesucht wurde, den Beamten Eis-Tee oder Eis-Kaffee anzubieten.

Neben dem geräumigen Dienst-Raum der Immigration steht ein klitze kleines Büro. Die netten Leute dort bieten folgende Dienstleistungen an:
90 Tage-Kontrolle, Kosten: 500 Baht (Erledigung in fünfzehn Minuten, Stand September 2015)
Rentnervisum: 3000 Baht plus Gebühren. (vor 10 Uhr die Unterlagen abgeben. Am frühen Nachmittag Fototermin bei der Immigration, der Rest ist erledigt.)

Glücklicherweise gibt es seit der Militärregierung keine Korruption mehr!

http://forum.thailand-tip.com/index.php?topic=14206.msg1189098#msg1189098

Uferstrecken am Mekong

Nach einem unglaublichen Monat im Dorf trieb uns der täglich professionell angewandte Schwachsinn der Nachbarn, die Verwandtschaft inbegriffen, zu einem vorgezogenen Visarun. Meine Meldefrist für neunzig Tage Aufenthalt läuft demnächst ab. Anstatt während Stunden der Hitze und den Abgasen der ohnehin überlaufenen Amtsstelle in Chiang Mai ausgesetzt zu sein, reisten wir über Loei nach Nong Khai. Wie ein Magnet zog uns in der Stadt der Mekong an.
Entlang des Flusses gibt es einige Lokale, die eigentlich zum Verweilen einladen sollten. Das Ufer ist durch eine Betonstrasse mit Brüstung gegen Hochwasser vermauert. Das Material strahlt die Hitze nicht nur ab, es speichert sie. Ohne schattenspendende Bäume wird es bei schönem Wetter eher ungemütlich. Zum Spazieren empfehle ich hitzeschützende Schuhe und Beinkleider.
Die strenge Gesetzgebung betreffend den reduzierten Ausschank überteuerter alkoholischer Getränke ist für den Umsatz der Kneipen wenig förderlich. Am Montag, einem buddhistischen Feiertag, gab es zum Fisch am Fluss bloss Wasser, für Einheimische bunt gefärbt und stark gezuckert. Im Hotel dagegen wurden zu den unvermeidlichen, zeitweise schwer verdaulichen Karaokeklängen, unbekümmert Feuerwasser und Bier heran geschleppt.
Nach zwei Nächten reisten wir nach Vientiane. (1) Wir besitzen noch keine Fahrzeugschilder für fünfundzwanzig Millionen (2) und mussten deshalb den neuen Wagen beim Hotel in Nong Khai stehen lassen. Der freundliche und hilfsbereite Taxifahrer konnte nicht rechnen. Er erzählte uns, Laos sei teuer. Hundert Baht wären tausend Kip. In Wirklichkeit gibt es vierundzwanzig Mal mehr. Die Bank der demokratischen Volksrepublik Laos vermittelte mir als helvetischem Kapitalisten  Glücksgefühle: Für zweihundert Franken durfte ich über 1.6 Millionen Kip in den Händen halten.vientiane
Das Hotel am Fluss behagte uns. Anders als im verordneten trockenen Kneipen-Klima von Nong Khai, standen in nächster Umgebung verlockende Magenstimulierungsinstitute. Auf hunderten von Metern war die Uferpromenade mit einladenden Stühlen und Tischen möbliert.
Spirit houseIm Spirit House sassen im Schatten alter Bäume auf Holzbänken lauter fröhliche Menschen. Ich interessierte mich von Anbeginn an für Geister und Geisterhäuser. (3) Im Geisterhaus werden geistige Getränke in Flaschen und Gläsern angeboten. An den Ufern des Mekong reizte mich natürlich der Mekong High Tea. Diese spezielle Mischung enthält Wachholder, Pfirsich Tee und Gurken-Scheiben.
Schwaden von Düften aus Garküchen und von zahlreichen Feuerstellen stimmten, besser als teurer Weihrauch, Geister, Götter und Menschen – Laoten und zugereiste Chaoten – freundlich. Wein ist in den Gaststätten jederzeit einfach und preisgünstig erhältlich. Trotz niedrigem Pegel des Flusses, zwei Drittel des Bettes sind trocken, herrscht Hochstimmung.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Vientiane
(2) https://hinterindien.com/2015/05/23/das-kasten-wesen-thailands/
(3) https://hinterindien.com/2012/04/10/mae-nak-phra-khanong/
(3) https://hinterindien.com/2012/04/09/geister-gespenster-gemahlinnen-gelehrte-bananen-und-andere-pflanzen/

Karmische Wasserspülung

Nach Leos Fragen  (http://wp.me/p2ljyL-11z) versuchte ich mühsam mit gegen achthundert Worten zu erklären, Karma sei ein Konzept, nach dem jede unserer Handlungen, physisch und geistig, Folgen hat, ähnlich wie der Flügelschlag eines blauen Schmetterlings im Amazonasgebiet im fernen Europa ein Unwetter auslösen könnte.
Die Lehre des Karma ist verbunden mit dem Glauben an Samsara, dem Kreislauf der Wiedergeburten.
Eine einfachere Denkweise sagt, unsere Tätigkeiten erzeugen Karma automatisch. Differenziertere Ansichten erklären, es gibt zwei Ursachen für die Bindung der Seele, das Nichtwissen und die Begierde. Sie bewirken, dass die Tätigkeit der Sinnesorgane Unruhe und Trübung der Erkenntnis verursachen. Es gibt Menschen, welche diese Unruhe durch Einnahme von Lao Khao oder ähnlicher Flüssigkeiten zu dämpfen versuchen. Die weiseste aller Überlegungen ist, überhaupt kein Karma zu erzeugen. (1)Knabe1503

Der Jainismus weist im Vergleich mit anderen indischen Religionen eine Besonderheit auf. Karma wird als etwas Substantielles aufgefasst. Jains erwähnen feinstoffliche, nicht wahrnehmbare Karma-Partikel, karmische Materie. Sie können zwischen 148 Arten unterscheiden. (Folglich gibt es mehr Karma-Arten als chemische Elemente.)

Wenn zum Todeszeitpunkt die vier unschädlichen Karma-Arten von der Seele abfallen, erreicht sie im Nibbana die endgültige Befreiung von erneuter Wiedergeburt und kehrt nie wieder in den Kreislauf des Samsara zurück.
Nach ausführlichen achthundert Worten bremsten mich höhere Einsichten.

Im Leben der Bewohner von LanNa Land ist dieses Gedankengut viel zu kompliziert. Höchstens Äbte und altgediente Mönche kennen solche Weisheiten und Erklärungen.
Buddhistische Philosophie und Lehre sind nicht Allgemeingut. Die Menschen lügen, stehlen, quälen und töten Tiere – ohne jegliche Überlegungen.
Tempel mit allen ihren Einrichtungen werden benutzt, so wie nach reichlichem Som Tam Genuss, Hong Nahm, Toiletten aufgesucht werden.
Kein Mensch denkt beim angenehmen Verrichten der Notdurft an all die technischen Feinheiten und Erkenntnisse sanitärer Einrichtungen. Die wenigsten zweifeln am Funktionieren der Wasserpumpen. Wozu stehen denn schmucke Geisterhäuser mit frischen Opfergaben in den Vorgärten?

Thainess obsiegt. Thainess ist die Idee einer gemeinsamen kollektiven Identität. Sie beruht auf drei Elementen: Der Thai-Sprache, der (nicht beachteten) buddhistischen Religion und der Monarchie. Diese werden nie in Frage gestellt.
Der Buddhismus bröckelt. (2, 3, 4,)
Netiwit Chotipaisarn, ein Gymnasiast, zweifelte im Fernsehen an der Thainess. (5)
Und auf Facebook doppelt er nach:
„Kinder werden zum Buddhismus gezwungen, weil sie als Buddhisten geboren werden. Die Lehre Buddhas praktizieren sie nie.“
Freundlichere Meinungen forderten darauf Netiwit auf, seine Heimat zu verlassen. Es gab auch unfreundliche Mitmenschen!

Fortsetzung folgt

(1) http://wp.me/p2ljyL-V
(2) http://wp.me/p2ljyL-10o
(3) http://wp.me/p2ljyL-Sz
(4) http://wp.me/p2ljyL-Md
(5) http://www.youtube.com/watch?v=wwpUk4RT45c.
(6) http://de.wikipedia.org/wiki/Karma

Ansichtssache

HandkDie Anteilnahme der Leserschaft betreffend Wurzelleiden hielt sich in Grenzen.
Möglicherweise nehme ich kleine Verfehlungen der Mitmenschen viel zu ernst. Was war denn schon geschehen, provoziert durch einige harmlose Lügen, gemischt mit Spielsucht, Diebstahl und Hurerei? Eigentlich gar nichts.

Heisse Luft gibt es dank des Wetters in Chiang Mai mehr als genug.
Als direkt Betroffener betrachte ich den Vorfall kritischer. Einmal wollte eine hoch verschuldete Spielerin meinen Wohnsitz liquidieren. Die Grundstücke in letzter Sekunde auf eine Vertrauensperson zu übertragen wurde teuer.
Ich hatte eine Freundin aus besserer Gesellschaft. Glücklicherweise bemerkte ich früh genug: Sie ist eine spielsüchtige Alkoholikerin. Der Schaden hielt sich in Grenzen. Die Beziehung war gestört.

Die junge Frau im Dorf äusserte sich gestern, sie möchte ihren Wurzelmann zurück haben. Es sei ja eigentlich nichts geschehen. Kamera und Schmuck seien wieder im Hause und der Beischläfer sei bloss ein harmloser Ladyboy gewesen.
Mir ist der Ungeist dieser Götterdämmerung intellektuell zu anspruchsvoll. Für andere gibt es Tempel und Geisterhäuser!

http://de.wikipedia.org/wiki/San_Phra_Phum