Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland

Das waren Jeremias Gotthelfs Worte an den Schweizerischen Schützenverein, in Bern 1842.
Die militärische Staatsführung im aufstrebenden Entwicklungsland sieht das wesentlich lockerer.
Der Vize-Vorsitzende ist begeisterter Uhrenliebhaber. Erst wurde eine Luxusuhr an seinem Handgelenk entdeckt. Mit der Zeit wurden zwanzig verschiedene Sammlerstücke gezählt. Nun sollen es über hundert sein.
Er vergass leider, den Besitz in seiner Steuererklärung zu erwähnen. Die unglaubwürdige Ausrede: „Die Zeitmesser gehören guten Freunden“. Sie liehen dem Herrn General ihre teuren Spielzeuge.
Die Nationalen Anti Corruption Commission (NACC) vermeldete, dass es nicht die Aufgabe der Behörde sei, einen Regierungsvertreter aus dem Dienst zu suspendieren, weil er teure Uhren besitzt, ohne sie zu melden. Sofern es nicht seine eigenen Uhren sind, entfällt die Meldepflicht ohnehin.

Über einen allfälligen Rücktritt wurden mehrere Umfragen im Internet abgehalten. Bis auf eine Einzige, empfahlen die Teilnehmer die Verabschiedung des hohen Funktionärs. Das positive Ergebnis beruhte allein auf der Tatsache, dass die Mailadressen geklaut und missbraucht wurden. Von 16‘000 Stimmen waren nur 300 unverfälscht. (1)
Was meinte mein Lehrer Jeremias Gotthelf dazu:
„Das wahre Glück des Menschen ist eine zarte Blume; tausenderlei Ungeziefer umschwirret sie; ein unreiner Hauch tötet sie.“ Aus: Geld und Geist.

(1) http://www.khaosodenglish.com/politics/2018/02/05/activists-surprised-find-names-pro-prawit-petition/
https://hinterindien.com/2018/01/16/die-geheime-sehnsucht-betrogen-zu-werden/

Vom Dürrluft Eisi, von südlichen Winden, Ventilatoren, Viagra, Brot und Turbo-Broilern

Ein Stück Heimat pfiff mir wenigstens in einigen finsteren Nächten um die Ohren. Es heulte und krachte wie in windigen Gotthelf-Szenen mir Dürrluft Eisi. Das Schlafzimmer-Fenster war nur im Millimeter Bereich geöffnet. Trotzdem standen die Vorhänge waagrecht, als wären sie mit Viagra gewaschen worden. Der deutliche Unterschied zur Schweiz war, der Wind war nicht eisig-kalt, sondern es wehte und blies ein warm-trockener Sturm während Tagen aus Nordosten.

Ein Problem wurde gelöst. Unser Brot war noch immer geniessbar, aber eindeutig weniger gut. Der sichtbare Mangel war, der Teig ging nicht mehr so üppig und rasch auf, wie anfänglich.
Der Fehler lag im Messsystem. Anfänglich mass ich die Flüssigkeiten ebenfalls mit der Waage. Dick erstand einen in Asien gefertigten und geeichten Messbecher und benutzte diesen. Die paar Prozent Fehler der Ablesegenauigkeit machten sich im Teig und in der Qualität bemerkbar.

Das chinesische Frühlingsfest, Mondneujahr, war angesagt. In Satun werden Feste kaum gefeiert wie im Norden. An Loi Krathong erleuchten in den Nachtstunden Kerzen nur selten die Gewässer. Umzüge und Paraden erlebte ich bisher keine. Auch Songkran wird, ausser einer bemerkenswerten Häufung der Verkehrsunfälle und dem gelegentlichen Genuss hochprozentiger Destillate, kaum zelebriert.
Aber am Neujahrsfest der Chinesen geben sich sogar Thais spendefreudig und verteilen Geschenke.
Möbel- und Elektrogeräte-Verkäufer verteilen nicht nur Ramsch an ihre Kundschaft. So erhält Dick jeweilen Einladungen, doch bitte einen Kühlschrank, einen Turbo Broiler, einen Ventilator oder ein anderes Apparätchen abzuholen.
Der Möbel-Spezialist, welcher uns den mit Schimmel befallenen Nachttisch lieferte, wollte Dick ein Sofa im Wert von 8‘500 Baht schenken. Da im kleinen Haus bereits ein Sofa steht, verzichtete Dick auf das echte Kunstleder. Wir erhielten statt dessen einen Werkzeugschrank, der bereits auf meiner Einkaufsliste vorgemerkt war.
Was ist denn ein Turbo Broiler? Das ist ein ultra-modernes Kochgerät, das in der Küche, weil selten benutzt, unnötig viel Platz beansprucht. Die Wärmequelle befindet sich, wie in der Natur, oben. Das erlaubt naturnahes Kochen. Die Hitze wird durch ein Gebläse ins Gargut gewirbelt. Ob das Gegarte nachher nur gut oder gar besser ist, weiss ich nicht.

Ebenfalls auf dem Dorf-Markt war die Spendefreudigkeit so bemerkenswert, dass zusätzliche Lebensmittel verdarben. Unser Hühnerlieferant von eigenen, freilebenden Qualitäts-Tieren, wollte Dick mit einem riesigen Flugapparat beschenken. Für unseren Kleinsthaushalt genügte die Hälfte. Wir zehrten vier Tage lang delikates Huhn, erst aus dem Backofen, später als Salat. Es lagen zusätzlich noch Meeresfrüchte im Kühl-Schrank. Heute wurden wieder vier Tierlein gratis an die Haustüre geliefert. krabbler
In Chiang Mai könnten wir dank Mowglis leistungsfähigem Verdauungsapparat Lebensmittel weit besser verwerten.

Von Schreibmaschinen und vom Schreiben

Mein WC am 3. Nov. 2002.

Mein WC am 3. Nov. 2002.

Die oft peinlichen Episoden sind nicht von einem kranken Geist erfundene Hirngespinste, sondern entsprechen täglicher Realität. Der Link: ‚Ein nasses Handy retten‘, fand jedenfalls einige Interessenten.
Nasse Elektronik kann gerettet werden. Mit Urin oder Kot verschmutztes Wasser hat eine wesentlich höhere Leitfähigkeit und birgt damit grössere Risiken. Je schneller der rettende Zugriff erfolgt, desto besser ist die Überlebenschance. Eventuell hilft aussaugen und beatmen!
Ich erlebte mehrere Überschwemmungen im Dorf. Die altehrwürdigen, mit Vakuum-Bildröhren bestückten Fernseher, schwammen in der braunen Brühe. Heutige Flachbildschirme würden ohne Schwimmhilfen absaufen. Wir wuschen die Apparate sorgfältig mit einem sanften, sauberen Wasserstrahl und trockneten sie einige Tage. Die meisten Geräte funktionierten danach. Sogar einer meiner Staubsauger überlebte dank rettender Reinigung das Bad im Schlamm.
Dazu gibt es die berühmte Ballade von F. Schiller: Der Taucher (1) – und andere schillernde Versionen, nicht von Friedrich, dafür mit Uhr. Wann folgt eine Handy Ballade?MaeSai

Fortsetzung

Gelegentlich denke ich beim Schreiben. Die Fingerarbeit verbunden mit mangelnder Virtuosität gewährt mir Zeit. So viel Zeit, dass ich einen Satz bereits nach dem mühseligen Tippen verbessern kann. Dann beklopfte ich, wie ein Steinhauer seinen Granit, während geraumer Zeit einen Satz. Wenn dann der Geist nachliess, holte ich Nachschub aus einer importierten Flasche, beobachtete die Natur, die nächste Umgebung – und die Menschen in ihren eingeübten, unerträglich sturen Rollenspielen. Aus reiner Verzweiflung hieb ich danach wieder auf geplagte Tastaturen ein.
Etwas vom Wichtigsten beim Schreiben sind für mich das Nichts, die Leere und die Abstände. Damit entstehen Bilder und wie in der Musik ein Rhythmus. Dies bremst den Lesefluss und gibt Zeit zum Denken, für Reflexionen. In der Mathematik war die Einführung der Null wesentlich. Abschnitte, Gliederung und Leere in Texten sind zentral.

Der Setzer verzichtete im Buch “Geschichten aus Hinterindien“ teilweise grosszügig auf meine eingefügten Leerräume, um mehr Buchstaben zwischen zwei Deckel zu pressen, denn Qualitätspapier ist teuer. (2)
Dan Brown, kein Autor wie Goethe oder Gotthelf, aber finanziell wesentlich erfolgreicher, benutzt viel Leere. Da waren Seiten, fünf Sechstel davon beeindruckend unbedruckt. (3) (Beispiele: Inferno Seiten 120, 180, Doubleday)

Anfänglich hielt ich Bilder aus meinen Texten fern. Gotthelf illustrierte seine Werke nicht. Dürrenmatt war ein grossartiger Zeichner. In seinen Büchern sucht man seine Skizzen vergeblich.
Als Kind missfielen mir in bejahrten Büchern Abbildungen durch Holzschnitte oder Kupferstiche. Keiner erklärte mir, die alten Drucker kannten keine anderen Verfahren. Später bereicherten Antiquitäten meine ‚verlorene‘ Bibliothek und ich bewunderte Stiche und Gravuren. Es war ein langer und beschwerlicher Weg, von den frühen Höhlenmalereien bis zur digitalen Bild- und Texterfassung und Reproduktion.

Der Verleger wollte Fotos in die Texte einfügen. Ich war dagegen. Er druckte trotz meinen Einwänden unbedeutende Bilder in Briefmarkengrösse. Ich war beleidigt. Wenn Bilder verwendet werden, dann in guter Auflösung und anständiger Grösse, damit Leser mit Sehschwächen, nicht nach Lupen suchen müssen.
Seit dieser Zeit benutzte ich, zuerst zaghaft, eigene Fotografien. Sie ergänzen, sie veredeln im Idealfall Texte und öffnen den Menschen mit Eindrücken und Bildern neue Fenster in fremde Welten. Gleichzeitig sind die Illustrationen je nach Anordnung Leerräume. Sie vermitteln, sofern vorhanden, Zeit zum Betrachten und Überlegen.

Wie schreibst Du? Papier und Bleistift haben vorzügliche Speichereigenschaften. Sie sind preisgünstiger als Smartphones, Tablets und wuchtige Elektronik auf polierten Schreibtischen. Sie benötigen keinen elektrischen Strom. Einzig beim Versenden zeigen handschriftliche Informationen und gedruckte Mitteilungen bedeutende Schwächen.

Leser denken unter Umständen: „Dieser grässliche Low bringt doch immer wieder unappetitliche, durch Fäkalien verunstaltete Geschichten.“ Vergessen sie bitte nicht: jedes Jahr stehen irgendwo in Thailand zehntausende Menschen bis zum Hals in brauner Brühe. 2013 – mindestens 80 Tote!

(1) http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/sch_fv06.html
Andere Werke feuchter Tiefstapler könnten auf Wunsch publiziert werden.
(2) Low, Geschichten aus Hinterindien. Zenos Verlag, Segnitz bei Würzburg, 2011, 416 Seiten, 29.80 Euro, ISBN 978-3-931018-22-1.
(3) Dan Brown:
The Da Vinci Code
Inferno
Digital Fortress

Illusionen

Kirche1Nach wenigen mit Schlafstörungen gesegneten Nächten ist sie da, eine neue, gleichzeitig uralte Geschichte.

Vor einem Jahr durfte ich im Herzland, im ehemaligen Wirkungskreis eines Jeremias Gotthelf, drei Stunden Gastfreundschaft inmitten einer intakten Familie geniessen. Welch ein Erlebnis nach einem Dutzend Jahre hinterindischer Oberflächlichkeiten gespielter dörflicher Seifenopern mit viel Kabale, d.h. niederträchtigen Intrigen – und wenig Liebe.

Ausser mit den Grosseltern erlebte ich selten enge familiäre Verbundenheit. In meinem Elternhaus fand ich wenig Geborgenheit und erhielt mehr Prügel als Anerkennung. Der Vater arbeitete hart, um uns mit Anstand über die harten Runden der Nachkriegszeit zu bringen. Über die Mutter schweigt des Sängers Höflichkeit.

Die eigene Ehe scheiterte und hinterliess tiefe emotionelle und finanzielle Wunden. Die leidtragenden Personen waren die Kinder. Die finanzielle Lage konnte ich durch eigene Anstrengungen im Laufe der Zeit verbessern.
Das Sorgerecht für die Kinder, niemand erwähnte je die Sorgepflicht, erhielt die Mutter. Ausser Markenklamotten kriegten die Kleinen wenig Fürsorge und Betreuung. Die Tochter flüchtete zu mir, während die amtlich festgesetzten Betreuungsbeiträge zwecks Situationsberuhigung weiter flossen. Der Sohn blieb ausserhalb meines Einflussbereiches. Es blieb ein düsterer Tümpel salziger Tränen, umgeben von Sanddünen schmerzlicher Erinnerungen.

Vor einigen Monaten stellte ich mögliche erste Risse in der familiären Idylle emmentalischer Käselandschaften und Gastfreundschaft fest. Nun ist sie da, die traurige, endgültige Gewissheit, dass wir unwissende Teilnehmer einer perfekt organisierten Verabschiedung waren.
Im christlich kühlen Abendland sind die Verhältnisse kaum besser, als in der von Methan und Unmoral geschwängerten Luft an stetig schwindenden Reisfeldern.
Herzliches Beileid.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kabale_und_Liebe

Ein Leser kommentierte:
Die Menschen „sind wohl so..“ weltweit –
vielleicht auch weil viele die „10 Punkte Roadmap“
hochmütig als Zumutung ablehnen.. 

Low: Geschichten aus Hinterindien

Die Erlebnisse im Dorf in den Reisfeldern Nordthailands faszinierten mich und ich begann darüber nachzudenken. Ähnliche Geschichten versteckten sich in meinen Erinnerungen:
„Die soziale Dynamik des Dorfes wird präzise geschildert. Gegenseitige Schuldzuschreibung, schnell vergessene Kollektivschuld und das Schicksal von Außenseitern, die von der Gemeinschaft leichtfertig zu Sündenböcken gemacht werden.
Er kämpfte gegen die Ausbeutung der Kinder aus armen Familien. Er verlangte Massnahmen gegen den Alkoholismus. Er setzte sich für die Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht ein.
Seine Romane spiegeln in einem zum Teil erschreckenden Realismus das bäuerliche Leben im 19. Jahrhundert.“
Die Rede ist von Jeremias Gotthelf, Albert Bitzius. Er malte mit seinen Romanen und Erzählungen ein gewaltiges Bild des Emmentals und seiner Bewohner.
Um 1950 sendete Radio Beromünster beruhend auf Gotthelfs Erzählungen Hörspiele. Es waren Strassenfeger. Die Bevölkerung sass um ihre Radiogeräte, hörte in Mittelwellenqualität mit viel Störgeräuschen, heulenden Wind und knarrende Türen gemischt mit Intrigen einer vergangenen Zeit in breitem Berndeutsch. Begeistert kroch ich fast in den Lautsprecher des Holzkastens.

Das Emmental ist noch heute typisch für die Eigenständigkeit, Kultur und Sprache einer bodenständigen Minderheit.
Wie nah Gotthelf mit den Schilderungen der Menschen über hundertfünfzig Jahre später in Thailand kommt, ist gleichzeitig beängstigend und faszinierend.
In diesem Sinne erlaube ich mir, ein paar Geschichten zu erzählen, leider ohne die Fähigkeiten eines Gotthelf, eines redegewandten Pfarrers.
Der Ort der Handlung, die Zeit, die Kommunikation und auch die Sprache wandelte sich. Siam gehörte zur Zeit Gotthelfs geografisch zu Hinterindien. Deshalb der Titel.

Am 11. Dezember 2008 begann ich mit den Geschichten im Forum der TIP Zeitung.  Ein grösseres Leserecho bewirkte, dass ein Teil der Sammlung als Buch herausgegeben wurde. Ein preisgünstiges Taschenbuch mit 200 Seiten erschien im Tip Verlag Phuket. In Deutschland gibt es eine doppelt so voluminöse, gebundene Ausgabe:
Low, Geschichten aus Hinterindien. Zenos Verlag, Segnitz bei Würzburg, 2011, 416 Seiten, 29.80 Euro, ISBN 978-3-931018-22-1.

Mein Plan ist, weitere Gegebenheiten, meist Fakten, seltener Fiktion, zu erzählen.    Low