Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Bauernfängerei bezeichnet ausgeklügelte Arten von Täuschung bis zum Betrug. Der Titel war eine 1964 von Eduard Zimmermann ins Leben gerufene Sendung des ZDF. Vor den Methoden der Trickbetrüger wurde gewarnt. Die Fernsehserie lief während insgesamt 37 Jahren. Die Zuseher lernten wenig oder vergassen schnell. Sie liessen sich trotz eindringlicher Warnungen von falschen Doktoren und redegewandten Politikern genauso auf den Arm nehmen, wie vorher von gewöhnlichen Taschendieben und betrügenden Halunken.

Gegenwärtig erlebe ich diese Serie im richtigen Leben. Die verflixten Lügen und Trickereien sind ansteckend. Dick mischelt kräftig mit. Es gibt praktisch keine Tage ohne Lügen. Wenn nicht gelogen wird, wird mindestens die Wahrheit vertuscht oder dekorativ verschleiert.
Unser Nachbar, Kleptomanewitsch, schnitt Bäume und Bambus und türmte die Abfälle in seinem Gelände auf. Danach telefonierte er dem Dorfobmann, Dick hätte Bäume und Bambus geschnitten. Rücksichtslos hätte sie ihren Mist in seiner Gartenanlage deponiert. Ob er, der Herr Dorfobmann, so freundlich sein würde, Dicks Plunder aus seinem gepflegten Park abzuholen. Der Obmann kam persönlich vorbei. Er fiel auf den schmutzigen Trick von Kleptomanewitsch nicht herein.

Dick kaufte Schnaps und Käse bei Makro. Es war das erste Mal, ohne meine Begleitung. Mein schmerzhafter rechter Oberarm erlaubte den Ausflug nicht. Zwei Flaschen Sang Som wurden an der Kasse als drei berechnet. Beim Weich-Käse war der Nepp so gewaltig, dass ich fortan auf das Milchprodukt bei Makro verzichte.
Es war ein Stücklein Gorgonzola, netto 115 Gramm. Der Käse wurde von Jagota im Grossraum Bangkok eingekauft, geschnitten, verpackt, angeschrieben mit „Product from Italy DOP“ und in den Norden geliefert.
In Hangdong wurde der Gorgonzola in einen grösseren Behälter umgesiedelt, neu gewogen und mit Preisangabe dekoriert. Das Bruttogewicht war mit 132 Gramm angegeben. Die siebzehn Gramm ungeniessbare Verpackung wurden zum Käsepreis von 1355 Baht berechnet. Das sind dreiundzwanzig Baht.
Dieser Blauschimmel-Käse war von minderwertiger Qualität und hätte ebenso in Dänemark oder England hergestellt werden können. Bereits mein Glasauge hätte mir vom Einkauf abgeraten. Die Schimmelflecken erinnerten eher an ausgelaufene Tinte. Möglicherweise litt der Nord-Italiener kurzzeitig unter der tropischen Hitze. Dick war bedeutend weniger kritisch. Sie erwischt hie und da sogar angefaulte Tomaten, mit der Lesebrille in der Handtasche.
Vom selbigen Lieferanten bekam ich zuvor einen zweifelhaften Greyerzer-Käse. Er stammte kaum aus der Schweiz – oder gar dem Kanton Freiburg aus einem kontrollierten Betrieb, obwohl die Verpackung das Gegenteil vorgaukelte. Das teure Stück war so versalzen, dass das Salz zwischen den Zähnen knirschte. Mindestens das Salz war echt.

Zwischendurch genoss ich einen Montagnard des Vosges. Das ist französischer Weichkäse aus pasteurisierter Kuhmilch. Er zeichnet sich durch cremigen Teig und würzigen Geschmack aus. Nichts zu nörgeln: Originalverpackt in der Käserei in den Vogesen, leider relativ selten anzutreffen in Chiang Mai.

Einkaufen im globalen Dorf

In Satun, ebenso im Bezirk Hang Dong in der Nähe von Chiang Mai, bestehen weltweite Warenangebote. Freilich müssten Käufer die Verpackungen genau lesen, um zu wissen, was erworben wird.
Dick ist wenig kritisch. Sie liest den ersten Buchstaben, dann rät sie. Auf diese Weise kaufte sie französischen Pulver-Kaffee, hergestellt in Korea. Ich konnte die Brühe nicht schlucken. Ohne jegliche Hirnaktivitäten packte sie zwei Fläschchen Kokoswasser, Inhalt hundertsechzig Milliliter, zu zwanzig Baht ein. Ob das abgefüllte Wasser Chemie zwecks Haltbarkeit enthielt oder pasteurisiert wurde, bedachte sie nicht. In Satun erhielten wir für zehn Baht Kokosnüsse, die gut einen halben Liter Wasser lieferten.

Besonders beim Junk Food gilt es die Augen offen zu halten. Die angebotenen Kartoffel-Chips enthalten fast alles, ausser Kartoffeln. Da wird mit Reis-, Mais- und Tapioka-Mehl gestreckt. Zucker darf auf keinen Fall fehlen. Das verwendete Öl ist günstigste „Qualität“. In solchen Fällen sollte man auf dieses Wort verzichten.
Es gibt importierte Chips, welche fantastisch schmecken – welche ohne Zusätze wie Farbstoffe, Glutamat und Chemie hergestellt werden.

Ein leidiges Thema ist der Käse. Weisse Alkoholiker oder Raucher mit defekten Geschmackssensoren haben wenig Probleme im Umgang mit fermentierten Milchprodukten. Ihre Urteilsfähigkeit ist bereits im Nibbana.
Emmentaler Käse gibt es aus globaler Produktion. Nur Emmentaler aus dem bernischen Emmental gibt es selten. Es sind nicht die schweren, runden Käselaibe, die Stückweise angeboten werden, sondern Erzeugnisse in herstellungsgünstiger Stangenform. Die Platzanforderungen sind weniger verschwenderisch. Die Produktion erfolgt vollautomatisch. Von der Menge her ist Dänemark führend, ebenso mit der Vielfalt der Sorten. Daneben gibt es Emmentaler aus Frankreich, Australien und Ozeanien. Aus diesem Kontinent entdeckte ich importierten Emmentaler mit den angepriesenen Eigenschaften: Nussig und süss! Eventuell stammen vorhandene Löcher von Black & Decker. (1)

Parmesan fand ich mit den Herkunftsländern USA, Dänemark und Belgien. Nur aus Parma fehlte die körnige Delikatesse. Ich kaufte ein Stück vermeintlich holländischen Edamer mit der typisch roten Ummantelung – aus Belgien, wie ich eine Woche später bemerkte.

Ich bin dankbar dafür, dass es im Norden überhaupt ein breites Käseangebot gibt. In Satun fand ich bloss billigst Käse der Grossindustrie. Vorwürfe an die einheimischen Angestellten der Abteilungen sind unbesonnen, denn Thais essen keinen Käse. Er ist zu teuer und stinkt meistens.
Eine Ausnahme sind Pizzen. Sie enthalten meist keinen echten Käse, sondern eine synthetische Mischung, ganz ohne Milch. (2) Solche Produkte werden aus preisgünstigen pflanzlichen Ölen und Fetten, wie Palmöl, hergestellt. Der Eiweißanteil stammt nicht von Kühen, sondern von Sojabohnen oder Bakterien. Um dem Imitat dennoch Geschmack und die Konsistenz von echtem Käse zu verleihen, werden Substanzen wie Stärken, Salze, Emulgatoren, Aromastoffe, Geschmacksverstärker und Farbstoffe beigefügt. Die Vorteile für hinterindische Pizzafabrikanten sind, der Käseersatz zieht lange, kaugummiartige Fäden und erträgt Temperaturen bis zu vierhundert Grad, ohne zu verbrennen.
Die teuerste Pizza im Kad Farang heisst Pizza Phamaham. Vielleicht ist der Schinken echt. Buon appetito!

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Stanley_Black_%26_Decker
(2) http://www.geo.de/natur/oekologie/3330-rtkl-lebensmittelproduktion-lebensmittel-taeuschung-von-analogkaese-und

Ein echtes Käseblatt

Kochen ist eigentlich eine exakte Wissenschaft, mindestens für westliche Esskulturen. Nur die Masseinheiten waren bei den Mengenangaben lange Zeit relativ ungenau. Es gibt Teelöffel oder Suppenlöffel. Die Grössen waren nicht genormt. Eine Prise oder eine Handvoll ist je nach Anwender nicht dasselbe. Was ist bei Flüssigkeiten der Unterschied zwischen einem Spritzer oder einem Schluck. Sollte der Koch den Schluck wirklich im Mund abmessen? Bei Öl ist das weniger empfehlenswert.

Ich verrate ihnen ein Geheimnis. Dick kann nicht kochen – oder nur zufälligerweise gut. Sie benutzt die einheimische Herz-, Magen-, Hand-Methode. Da werden Zutaten aus Fläschchen, Flaschen und Töpfen mit mir unbekanntem Inhalt grosszügig in Töpfe und Pfannen gegeben. Zu oft wird irgendeine wichtige Kleinigkeit vergessen. Die Chili- und Knoblauchzähler werden durch Stromausfälle, eher durch Telefonanrufe zurück gestellt. Ein thailändischer Rindfleischsalat, Yam Nuea Yang, ohne Fleisch ist kaum besser, als Ravioli ohne Füllung.

Dick kaufte ein halbes Pfund Farang Bohnen, dazu ein Pfund schönen Speck. Thais würden den ganzen Speck zerstückeln und das Fleisch zusammen mit Reis und Bohnen auf den Tisch stellen. Ich wollte vierzig Prozent zu Speckwürfeln verarbeiten, die gekochten Bohnen danach in den Würfeln kurz aromatisieren. Den Rest des Specks wollte ich für einen Curry anbraten.
Vor kurzer Zeit noch mussten wir Öl aus der Pfanne abgiessen, um das Fleisch nicht zu ersäufen. Heutzutage wird der Speck durch kriminelle Lebensmittelverfälscher entfettet und tiefgefroren. Man muss Schmiermittel beifügen, damit die Würfel selbst auf beschichteten Oberflächen nicht kleben. Seit dem Unfug mit dem fettfreien Speck schmeckt mir selbst Gaeng Hung Lay nicht mehr. (1) Die nördliche Spezialität könnte in Satun zubereitet werden, weil die Bauern unter Missachtung sämtlicher Auflagen und Verbote selber schlachten.

Beim Backen bin ich kleinlich. Bevor wir Mehl kauften, wollte ich sogar in Satun eine teure Küchenwaage. Die Brotqualität wurde damit reproduzierbar. Wir beherrschen Gewichte, Zeiten und Temperaturen als Voraussetzungen für erfolgreiches Backen.
Die Waage kann sogar zur Zubereitung von Cocktails eingesetzt werden. Im tiefen Süden, halal Land, fanden wir keine geeigneten Messbecher für Spirituosen. Der Umrechnungsfaktor: Ein Zentiliter entspricht zehn Gramm – oder der Schluck wird an Feiertagen aus tief-religiösen Gründen im Mund abgemessen. Ich zelebriere Feiertage meist schluckend, weil ich keine Wanderschuhe besitze. Allah, Buddha, Christus und Konfuzius, ich bin schon ganz konfus, haben nach fernöstlichen Zeitbegriffen mindestens jeden dritten Tag Geburtstag! An buddhistischen Feiertagen dürfen nur Tante Emma Läden illegal Alkoholika abgeben.

Die Küchenwaagen dienen ebenfalls zur Überprüfung der Einkäufe. Die Marktfrauen sind nicht kleinlich beim Wägen, auch bei sich selbst. Sie sind, Vorteil beim Sitzen, gut gepolstert.

Ein spezielles Kapitel ist der abgepackte Käse. Hartkäse wird meist ohne Verpackung gewogen, verpackt, vakuumiert, der Beutel verschweisst und zusätzlich mit viel Klebeband dekoriert. Bei einem Stücklein Parmesan las ich folgende Gewichte:
Angabe Etikette: 158 Gramm,
Gemessenes Gewicht verpackt: 166 Gramm
Klebeband: 3 Gramm – Schwerstarbeit für einen Greis mit klammen Fingern. Ich verlor Unmengen von Flüssigkeiten in Form von Speichel und Schweiss. So heiss kann Käse sein.

Bei Weichkäse wie Brie, Gorgonzola, Roquefort und Stilton dagegen, werden nach meinen Messungen die Styroporschalen und das Verpackungsmaterial als teurer Käse verkauft. Meistens verwenden die Angestellten zwei Folien, verzichten dafür auf das Klebeband.

Aber ich erinnere mich an eine Käsehandlung in einem Vorort von Bern. Der Chef bediente die Kundschaft persönlich und erzählte während des Verpackens zwecks Ablenkung ellenlange Käsegeschichten.
Zuerst legte der Meister eine ältere Zeitung auf die Präzisionswaage von Mettler, damals aus Küsnacht am Zürichsee. Dann folgte ein grauweisses Papier. Er legte eine pergamentähnliche Folie darüber. Dann griff der Künstler zum Messer – schnitt den bestellten Greyerzer oder Emmentaler, legte den Käse auf die Papiersammlung – et voilà – die Waage zeigte genau 250 Gramm, wie verlangt.
Käsehändlers alte Zeitung war für mich das Käseblatt. Ich las es auf dem Plumpsklo, bevor es nach einer letzten Verwendung endgültig vernichtet wurde.

(1) https://hinterindien.com/2012/12/16/kuchendienst-hunglay/

Grassierende Unsicherheiten

Die netten Dorfbewohner und Nachbarn in Klong Khut sind verunsichert. Die Arbeitsplätze sind kaum garantiert, wie die Räumaktion bei den Ordnungshütern zeigte. Der unkontrollierte Straßenverkehr verläuft trotz Regeln chaotisch. Die Verwaltung ist wie üblich undurchschaubar.

Andauernd ist man Betrügern und Dieben ausgesetzt. In Einkaufszentren werden von Geräten Kleinteile wie Schrauben und Dichtungen entfernt. Zerbrochene Gläser ergänzen Schurken aus Original-Packungen und hinterlassen ihre Scherben. Grosspackungen werden angeschnitten. Einzelne Beutel mit Kaffeepulver finden Wege neben den Kassen. Bessere Kaffeesorten haben wie Spirituosen Diebstahlschutz. Süssigkeiten werden vor dem Bezahlen durch Schnellfrass eliminiert und können kaum als Diebesgut nachgewiesen werden. Nur äusserst selten bricht ein Gauner mit einem in der Luftröhre steckengebliebenen Hotdog vor einer Kasse zusammen. Dämmerung
Diese allgemeinen Verunsicherungen führen dazu, dass in Häusern und Wohnungen die ganze Nacht Licht brennt. Wenn es hell wird, vergisst man dann, die Schalter zu betätigen. Sämtliche Häuser sind von Mauern und Zäunen umgeben. Die Fenster sind von innen oder aussen vergittert, obwohl kaum wertvolle Gegenstände in den Wohnräumen zu finden wären. Der teuerste Besitz steht meist vor oder neben den Gebäuden – es sind die Fahrzeuge. Deren Motoren laufen während Stunden. Die Schlüssel stecken natürlich.

Keine Angst zeigen die Einwohner dagegen vor Insekten. Dengue-Fieber und Malaria kennt man nicht. Elvis Presley wird noch immer verehrt. Mückengitter gibt es kaum. Schmeiss-Fliegen würzen frisch gekauften Fisch und Fleisch mit Eiern. Glückliche, fette Maden krabbeln später in den Kühlschränken herum.
Die Häuser sind vermeintlich mit dekorierten Gittern gegen Diebe gesichert. Ich werde keine Schutzgitter montieren. Unser Hintereingang ist wie bei acht weiteren Häusern, eine grössere Stahltüre. Bei Sonnen-Einstrahlung erhitzt sich die dunkelbraune Fläche auf siebzig Grad. Wir spritzten das Eisen mit Aluminiumbronze um. Die Temperatur in der Küche sank danach um zwei Grad Celsius. Stahlrahmen auf Holz
TermitenspurenDer Stahlrahmen wurde mit 12 Schräubchen in morsche, von Termiten angefressene hölzerne Türrahmen geschraubt. Die Schrauben könnten von unwillkommenen Besuchern in wenigen Minuten geräuschlos entfernt werden.

Die Baumängel sind grenzenlos, der Pfusch unbeschreiblich. Als wir das Lavabo entfernten, fielen die Haltebügel beinahe aus der Wand. (1) Die Arbeiter machten sich ein Vergnügen daraus, anstatt der mitgelieferten Kunststoffdübel, handgeschnitzte Holzdübel – möglichst aus Bananenstauden, zu verwenden.
Für sechs Schrauben wurden 12 Löcher gebohrt. Wir kauften ein etwas schmäleres Waschbecken vom selben Hersteller. Die Aufhängung sollte kompatibel sein, war es aber nicht. Wir konnten das Gerät nicht mittig anbringen. Ich hätte neue Löcher bohren müssen, wagte es jedoch nicht, denn die Wand glich bereits einem Emmentaler-Käse. Wir befreiten das ursprüngliche Gerät vom Silikon, benutzten neue Kunststoffdübel, sägten die Rohrstücke auf gemessene und berechnete Werte. Ohne Tricks, Leim, Silikonband oder Silikonpaste war die Abwasserleitung dicht und gerettet.Waschbecken

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Waschbecken
Bild zur originalen Montage:
https://hinterindien.com/2015/11/14/facharbeiten-im-los-land-ohne-sachverstand/

Die alten Säcke sind nicht auszurotten

In Indien starben vor einigen Jahren massenhaft heilige Kühe. Untersuchungen zeigten, die Tiere frassen nicht nur unbezahlte Blumen und klauten unbehelligt Gemüse von den Marktständen. Sie bedienten sich ebenfalls mit gefüllten Plastiksäcken. Diese führten zu Verstopfungen in den Mägen. Die Tiere verhungerten darauf elendiglich.

In den Kantonen des Appenzeller-Landes gab es ein Männersterben. Ein fröhliches Lied, sogar Japaner singen mit, schilderte den traurigen Vorgang:
„Mein Vater ist ein Appenzeller
Er frisst den Käse samt dem Teller!“ (1)
Die Regierungen beider Appenzell verboten darauf die Teller. Der Sollbestand der Schweizer Armee war gerettet.

Die Regierung Indiens lernte aus dem Vorfall. In Indien verbot man nicht die Teller, sondern die Plastiksäcke. Der Fortbestand der heiligen Kühe war gesichert. Fladenlose Strassen gab es fortan nicht mehr. Gleichzeitig war der gute alte Papiersack saniert!Spielplatz
Trotz Kehrichtabfuhr: Ehemaliger Kinderspielplatz im Dorf am Reisfeld

Im verschmutzten Thailand – inbegriffen Strassen, Plätze und Küsten – benutzen Bewohner, es sind meist ungebildete Ausländer, durchschnittlich acht Plastiksäcke pro Tag. Was bereits in einem Beutel steckt, kriegt spätestens an der Kasse einen zusätzlichen Schutzbehälter.
Am Schlimmsten sind für mich die Käseverpackungen. Käse ist teuer. Folglich wird zum Verpacken besonders dicke Folie benutzt. Sie wird anschliessend verschweisst. Zusätzlich halten auf hundert Gramm Käse drei Meter Klebeband die Verpackung luftdicht zusammen. Während ich die viereinhalb Meter Kleber von hundertfünfzig Gramm Gruyère mit 720 Kalorien zu entfernen versuche, tropft mir durch die Delikatesse ausgelöst, der Speichel aus dem Mund, mein Beinkleid verschmutzend. Ich kenne die Leiden heiliger Kühe. Käse ist auch Kuh.

Das Umweltschutzamt, Pollution Control Departement, berechnete: Täglich fallen 7’000 Tonnen oder 7 Millionen Kilogramm Kunststoffabfälle an. Davon seien achtzig Prozent, gleich 5‘300 Tonnen Qualitätsschrott, der zum Verrotten bloss 450 Jahre benötigt. Die systemüblichen, wahrscheinlich korruptionsbedingten Rechenfehler stammen nicht von mir.

Die Militärregierung beschloss für 15 Einzelhändler eine Kampagne zur Abfallverminderung. Am 15. eines jeden Monats sollten keine Kunststoffbeutel abgegeben werden. Dagegen dürfen die guten alten Tante Emma Läden wie bisher weiter Säcklein verteilen.

(1) https://www.youtube.com/watch?v=ZjR012TK0yk
(CH) https://www.youtube.com/watch?v=6V9KSoOnIo8

Der letzte Wille

Ausser der Verstorbenen und den in Gefängnissen verwahrten, sah ich die meisten Akteure der ‚Geschichten aus Hinterindien‘ am und im Tempelareal wieder. Ein armes Tierlein, arg gestaucht durch das unübliche Gewicht des Reiters, angetrieben durch kräftige Trommeln, schaffte mit letzter Kraft den kurzen Weg.Riding Monk2

Bevor sie sich setzen, sollten sich Mönche vergewissern, mit ihrer Körperfülle keine Würmer, Ameisen und andere Lebewesen zu quetschen. Solange die Robe weiss und nicht gelb ist, gelten solche Regeln offenbar nicht. Der alte
Herr Kleptomanewitsch trug ohne spezielle Einladung während der Prozession lächelnd eine junge Palme in den Händen. Wir konnten und wollten seine Teilnahme nicht verhindern. Da waren sie, all die schweren Jungs und die ehemals leichten Mädchen. Einige Kilogramm mehr, aber immer noch im alten Gewerbe, Huren, Hexen, Hungerleider.

Sie wusste nichts von ihrem Glück. Vor wenigen Wochen verstarb in Phitsanulok eine vermögende Tante. Sie traute ihrer Familie nicht und bestellte ohne Vorwarnung Dick zur Testamentsvollstreckerin. Die alte Frau besass mehrere Grundstücke, Häuser und eine Sammlung von Buddha Figuren, über deren Wert bereits ein Erbfolgekrieg ausbrach. Ahnungslose Phantasten sprachen von zwanzig Millionen Baht. Die werden sich mit zweihunderttausend Baht, bei schnellen Verkäufen entsprechend weniger, begnügen müssen. Vermögende Farang fehlen als Käufer. Offiziell können religiöse Bronzen, wie Buddha, Guan Ihm, Ganesch und Garuda, nicht exportiert werden.
Eine grössere Lebens-, oder Todesfallversicherung wartete jedoch auf gierige Bedürftige. Dick löste die meisten Probleme geschickt mit Hilfe von Beamten der Gemeindeverwaltung.

Die Verstorbene hatte einen letzten Wunsch: Einer der Söhne der Familie sollte für eine befristete Zeit als Mönch ihre Zukunft im Nibbana sichern.
Der junge Mann der engeren Familie wollte und konnte nicht. Erben schon – aber in den Tempel, nein. Seine Vergangenheit und die Gegenwart wiesen dunkle Stellen wie Drogenkonsum und zusätzliche Gesetzesverstösse auf.

Kaum zurück von Phitsanulok, fragte Dick ihren Sohn, wie er über einen Tempelaufenthalt denke. Der junge Mann besprach die heikle Angelegenheit mit seinem Arbeitgeber. Der Chef fand, das sei ein gutes Omen für die Firma. Er gewährte nicht nur bezahlten Urlaub, sondern versprach, er übernehme die Kosten für die Ausrüstung des künftigen Mönchs.
Dann brach für zwei Wochen Dunkelheit und Nacht über unser Haus und mich herein. Dick war beschäftigt. Leider nicht im Salon. Ich bemerkte: Lebensmittel und Getränke wurden im Nibbana nicht benötigt. Eigentlich hatte ich noch nicht vor, mich auf ein ideales Kremationsgewicht herunter zu hungern.

Erst musste ein Tempel in der Nähe gefunden werden. Analog zur Käseunion in der Schweiz zwecks weltweiter Vermarktung von Löchern, gibt es in der Gegend eine Wat-Union. Sie vertritt die Interessen der Tempel nach aussen. Nach langem Feilschen und Verhandeln fand sich ein Tempel. Der Abt verlangte eine Reihe amtlicher Dokumente und Garantieerklärungen! Zusätzlich wollte er einen Persilschein der Polizei über die Straffreiheit des Antragsstellers! Der zukünftige Mönch musste im Spital ein Dokument für seine Drogenfreiheit erstellen lassen. Weil er kein Radfahrer ist, wurden weder Urin noch Blut analysiert. Das unbewaffnete Auge des Arztes genügte für das Formular. Dieses Papier musste von der Polizei beglaubigt werden. Jeder Antrag, jeder Gang verschluckte locker einen halben Tag.
Dann telefonierte Dick. Stundenlang. Hundert Gäste wurden während intensiven Gesprächen eingeladen. Für auswärtige Besucher, aus Bangkok, Phitsanulok und Umgebung, musste sie im Dorf Schlafgelegenheiten finden.

Fortsetzung folgt

Souvenirs

Der Wein ist gegenwärtig zum Weinen. Besonders nach den europäischen Spitzentropfen, ist das hiesige Angebot von der Menge her gut, von der Qualität her äußerst bescheiden. Der Wein ist so schlecht, daß oft eine halbe Flasche übrig bleibt. Diese Traubensäfte haben nicht einmal die notwendige Schwerkraft, um automatisch in die Gurgel zu fließen. Sie schlucken sich wie mißratener Getreidebrei.

Vor einigen Jahren kauften wir in Nim City, Chiang Mai, einen einfachen Amaronegro aus Apulien. Der erste Schluck offenbarte einen erlesenen Geschmack im Munde, ein Hauch wie von legendärem Amarone von G. Brunelli. In Gedanken sah ich die Kirche auf dem Hügel über San Pietro in Cariano, Valpolicella. Darum herum das gesegnete Rebland. 

Nach unserer Rückkehr entdeckte ich eine Flasche Amaronegro eines anderen Produzenten. Die griffige, grüne Flasche aus echtem Glas wirkte solide. Die Etikette sah ansprechend aus. Vorsichtigerweise kauften wir keinen Karton davon. 

Auf unseren Reisen goss es teilweise ausgiebig. Da stand irgendwo, einsam ein alter, grauschwarzbrauner, zweirädriger Handkarren aus echtem, verwitterten Holz. Die grossen Holzspeichenräder waren mit Metallreifen beschlagen. Es regnete. Das Wasser floß über den Karren, über die rostroten Reifen. Es floß aus den geschmierten, oxydierten Radnaben. Unter einem Rad bildete sich eine imposante Pfütze von öligem Rostwasser eines frisch gewaschenen, beinahe antiken Handkarrens. Genauso war der Geschmack dieses Amaronegro. Keine Spur der Sonne Apuliens. (1) 

Aus medizinischen Gründen wurde mir von Milchprodukten vor vielen Jahren abgeraten. Milch mochte ich nie besonders. Auf die meisten Hartkäse, außer Greyerzer, Emmentaler oder Parmesan, verzichte ich gerne. Bei den weichen Sorten gefallen uns Brie und Camembert, mir besonders die würzigeren Gorgonzola und Roquefort, um einige zu nennen. In sieben Wochen genossen wir zu zweit etwa ein Pfund hochwertiger europäischer Produkte. Das waren Gaumenfreuden anderer Art, als in Hinterindien das importierte, nachempfundene Zeug aus Australien, Dänemark und Neuseeland. 

Im Reisetagebuch erwähnte ich unsere Abendausfahrt nach Affoltern im Emmental. Dort steht eine Schaukäserei. Sie wird jährlich von einer viertel Million Menschen besucht. (2) (Angabe ohne Gewähr.) Ich konnte es nicht verkneifen, trotz gefüllter Koffer, ein Andenken mitlaufen zu lassen. Aus einem echten, gut gereiften Emmentaler, ein tolles Loch!

 (1) http://de.wikipedia.org/wiki/Apulien

(2) http://www.emmentaler-schaukaeserei.ch/de/home.html