Kunstunterricht an einer LanNa Schule

In ‘Thales von Milet war mit Venus von Milo verheiratet‘ schrieb ich: „Die einzigen Stunden, in welchen sich Kinder entfalten konnten, Malen und Zeichnen, wurden wegen exponentieller Alkoholabhängigkeit des Meisters ersatzlos gestrichen.“
Über diesen Unterricht machte ich im Mai 2010 Notizen und publizierte sie als Forenbeitrag. (*)

Während der ersten Schulwochen sammelten wir Eindrücke. Trotz einigen Minuspunkten ist die Schule wesentlich besser als alles, was wir aus der Provinz kannten. Die Musikanlage lärmte dauernd im Hintergrund. Der erste Schultag verlief etwas chaotisch. Die Hausaufgaben waren es auch. Die knapp Dreizehnjährigen wurden ohne jegliche Einführung, Literaturangaben oder Hinweise gefragt:
„Was ist Kunst?
Wie ist deine Einstellung zur Kunst?
Was weisst Du von der Farbenlehre?
Unter welchem Gesichtspunkt betrachtest du Kunst?
Kunst und Politik?
Was benötigst du, um ein Kunstwerk zu schaffen?“
Die Antworten sollten bereits am nächsten Morgen abgeliefert werden.

Einerseits faszinierte mich der Lehrer, der offenbar versuchen wollte, den Kindern eine neue Dimension des Lebens zu vermitteln. Das wäre in einer von digitalen Informationen durchfluteten Gegenwart eine echte Bereicherung. Andererseits störte mich die plumpe Anmache, der überspitzte Intellekt einer fast perfiden Fragerei ohne vorgängige einfühlsame Unterweisung, wie ich sie meinen Feriengästen zu vermitteln versuchte.

Aquarell, Mowgli, April 2010, Heimarbeit

Aquarell, Mowgli, April 2010, Heimarbeit


Kennt ihr Thais und ihre bescheidenen Unterkünfte in den Dörfern? Stehen denn unter Blaudächern Designer Möbel von Le Corbusier oder von Marcel Breuer entworfene Sessel? Verwenden die Bewohner edles Porzellan von Wedgwood, Rosenthal oder Keramiken von Siam Celadon? Die Verbreitung von unzerbrechlichen Kunststoffartikeln und gepresstem, bunt gemustertem Melamin, mit von gestressten Rauchern versehenen Brandzeichen, dürfte einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen. (1)
Hängen hier üblicherweise Picasso, Gainsborough, Klimt, Sompop Buttarad oder van Gogh, eventuell als Kopien oder bloss als Drucke an den Wänden? Liegen Magazine ähnlich wie ‚artefact‘, ‚Du‘ oder ‚Global Art Magazine‘ auf? Das sind ja schlussendlich Wohnungen und keine biokompatiblen Zahnarztpraxen der Spitzenklasse.

Ich besuchte einige Häuser und Aufenthaltsorte. Die Kleider hingen nicht in handgefertigten Schränken aus deutscher Eiche, einheimischem Rosenholz oder Teak, sondern an quer durch den Raum gespanntem Draht oder lagen als bunte Haufen auf Sofa, Stühlen oder in einer Ecke. In einer andern Ecke stapelten sich wertvollere Gegenstände, wie bunte Kataloge von Lotus/Tesco und Big C, eine verirrte Bibel, defekte schwarz-weiss Fernseher aus dem vergangenen Jahrhundert, eine Wanduhr ohne Zeiger, zufällig durchmischte CD und DVD, meist hüllenlos, dafür mit Fingerabdrücken! Ganz edel – ein unbenutzter, verstaubter Laptop. Smartphones machten aus dem einst teuren Gerät Schrott, den keiner wegräumte. Selten stand irgendwo ein tausend Baht Schrank von Winner, dessen Echtheit durch einen stechenden Formaldehyd Geruch bestätigt wurde. (2)

Der Wandschmuck bestand mehrheitlich aus gedruckten Fotografien der Königlichen Familie und deren berühmten Vorfahren. Weiter hingen einige alte Kalender herum, einfach weil man zu faul war, das Zeug am Jahresende abzuhängen, oder weil sich dahinter pfundweise Geckokegel verbargen.
Den einzigen Kunstgegenstand, welchen ich je in einer reisbäuerlichen Wohnung entdeckte, war ein geschickt mit Draht zusammengeflickter alter Holzstuhl, dessen Erwerb ich eigentlich dem ‚Museum of Modern Art‘ in Chicago empfehlen wollte.

Kinder aus diesem Umfeld ohne Einführung mit beinahe sinnlosen Fragen aus der Welt der Kunst zu belästigen, betrachte ich als reinen Hohn.
Die grösste Kunst für die Kinder war es, einen Platz an der öffentlichen Schule zu erobern. Für 400 Plätze gab es damals über 600 Kandidaten.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Melamin
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Formaldehyd
(3) Mein Tagebuch / Kunst und Gunst in Hinterindien « Antworten #1135 am: 16. Juli 2010, 11:15:00 »

Thales von Milet war mit Venus von Milo verheiratet

In meinen Schulen in Helvetien gab es kaum Pauker. Lehrer motivierten Kinder. Wir freuten uns meistens, neuen Stoff zu lernen.
In Lan Na Land kenne ich ein Dutzend Jugendliche, welchen die unbeschwerte Kindheit durch bösartige Pauker gestohlen wurde, ohne dass die Schüler in langen Jahren irgendwelche Inhalte aufnahmen. Die Abende wurden durch stundenlanges, wiederholtes Abschreiben vermiest. Denkaufgaben wurden tunlichst vermieden.
Der Lehrstoff wurde einmal kurz erklärt. Hefte wanderten nach den Lektionen unbesehen auf einen Stapel oder wurden, wenn vorhanden, unters Bett zu den Kakerlaken, Milben und Tausendfüsslern geschmissen. Die Meisten schlafen auf den Böden. Mehrere Fernseher im Hause sind weit wichtiger, als bequeme Liegen.
Am Semester-Ende wurden die Notizen in den Heften vielleicht vor Prüfungen betrachtet, oder die Eltern bezahlten täglich für teure Vorexamenskurse, wo die Resultate eingetrichtert wurden.

An den Satz des Pythagoras erinnerte sich niemand, auch wenn ich innerhalb von achtzehn Monaten das schöne Dreieck mit den drei Quadraten dreifach erklärte. Die Erklärungen wurden zwar verstanden. Die Geisteshaltung gegenüber den neuen Erfahrungen änderte sich nicht. Die Aufzeichnungen folgten dem üblichen Weg der Schulhefte.
Die einzigen Stunden, in welchen sich Kinder entfalten konnten, Malen und Zeichnen, wurden wegen exponentieller Alkoholabhängigkeit des Meisters ersatzlos gestrichen.
Anstatt traditionelle Lan Na Muster zu zeichnen, diese Linien fliessen den Kindern aus der Hand, verlangte der hirntote Suchthaufen: kopiert die Mona Lisa! Durch die sauber gelöste Aufgabe von Mowgli, torpedierten wir ihn endgültig zu den Flaschen. Irgendwo existiert eine Geschichte darüber.

Lan Na Art, Mowgli, 12 J.

Lan Na Art, Mowgli, 12 J. Ferien-Beschäftigung 2010

Für mich stand wieder eine Diskussion des Thales-Kreis bevor. Weil ich übervorsichtig bin und Jugendlichen keine Lügen präsentieren wollte, schaute ich nach. Damit wurden die heiligen Lehrsätze der Geometrie unglaubwürdig. Nicht die Lehrsätze, aber deren Benennung. Da stand:
Der Satz des Thales ist ein Spezialfall des Kreiswinkelsatzes. Alle Winkel an Halbkreisbogen sind rechte Winkel. Der Beweis wird dem antiken griechischen Mathematiker und Philosophen Thales von Milet zugeschrieben. Die Aussage des Satzes war bereits vorher in Ägypten und Babylonien bekannt. (1) Ob Thales Schriften verfasst hat, ist unbekannt. (2)
Meine Lehrer wussten es nicht besser. Ich verzeihe ihnen. Internet gab es nicht.

Buddha und Thales von Milet waren praktisch Zeitgenossen. Als bewanderter Yogi unternahm ich eine virtuelle Zeitreise und entdeckte, Buddha und Thales wechselten Briefe. Briefboten waren nicht Tauben, sondern Kraniche. (3) F. Schiller berichtete später darüber. Weitere Beweise sind die zerstörten Buddhafiguren in Baniyan, Bamwam Valley, in der Region Hazarajat von Afghanistan. (4) Sie wiesen eindeutig Merkmale griechischer Steinmetze auf.

Thales beschrieb seinem Freund seine Entdeckung des Kreises und des Winkelsatzes. Buddha war mit Mathematik nicht besonders vertraut. Aber er schuf zu Ehren des griechischen Partners daraus das Rad der Lehre. (5)
Die grösste Überraschung war, als ich dahinterkam, dass der Schwerenöter, Philosoph und Schürzenjäger aus Milet als Bewunderer schöner Frauen mit der Venus von Milo verheiratet war.
Eine Statue der Dame wurde am 8. April 1820 vom Bauern Georgios Kentrotas auf der Kykladeninsel Milos in der Umgebung einer Theater-Ruine entdeckt. Frau Milet-Milo kann noch heute im Louvre in Paris bewundert werden.(6) Diese Marmor-Skulptur symbolisiert das Ideal weiblicher Schönheit und überstrahlt sämtliche denkbaren Thales-Kreise.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Satz_des_Thales
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Thales
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kraniche_des_Ibykus
(4) http://en.wikipedia.org/wiki/Buddhas_of_Bamiyan
(5) http://www.buddhakids.de/page12/page15/page15.html
(6) http://de.wikipedia.org/wiki/Venus_von_Milo
(blog) http://wp.me/p2ljyL-Uh