Museen in Hinterindien nach 1970

Unsere Kwan Yin ist krank. Diagnose: Lochfraß, verursacht durch die Luftverschmutzung, besonders in den Wintermonaten. Dazu kommt die falsche Pflege. Ich beschrieb die Misshandlung durch die Haushälterin mit Möbelpflege-Mitteln. Als ich einige Fotos benötigte, musste erst das bräunliche Geschmier weg. Sorgfältig entfernte Dick die Rückstände der Möbelpflege. Anstatt die Figur im gereinigten Zustand zu belassen, behandelte sie die Kwan Yin ohne jegliche Nachfrage, dafür in Windeseile, mit farblosem Kokosöl. Als ich endlich im Rollstuhl saß, roch ich die Kokosnuss. Ich dachte daran, dass das Öl bald ranzig stinken würde. Das Öl glänzte und spiegelte derart, dass es nicht möglich war, eine durchschnittliche Fotografie zu klicken. Nach einigem Suchen fand ich glücklicherweise im Archiv eine Aufnahme mit echter Kamera von 2005.
Um langfristig zu überleben, braucht die Göttin einen sauberen Platz mit gereinigter Luft und ausgebildetem Personal. Gibt es vielleicht in einem Museum einen Ort für sie?
In Hinterindien besuchte ich mehrere Museen. Die Qualität der Wartung und der Sicherheit gegen Beschädigung und Diebstahl führte zu Zweifeln meinerseits. Die Helfer waren kaum ausgebildet. Sie verkauften zur Einkommensverbesserung teilweise seltene Exponate. In Thailand, Bangkok, fand man die besten gestohlenen Artefakte aus ganz Hinterindien seit 1985 in River City. Angkor Wat war Zentnerweise vertreten. Angeblich von Generalissimus Chiang Kai-Shek stammte ein wunderschöner Buddha.

Eine der trübsten Erfahrungen machte ich auf der Insel Penang, einst „Prince of Wales Island“ genannt. Sir Thomas Stamford Raffles wurde am 6. Juli auf einem Schiff 1781 vor der Küste von Jamaica geboren. Nach der Schule war er mit 14 Jahren in London Angestellter der Britischen Ostindien Kompanie. Raffles wurde 1805 als Sekretär des Gouverneurs auf die Insel Penang versetzt.  Danach war er Gouverneur von Java und Bencoolen, Benkulu. Derselbe Raffles gründete am 6. Februar 1819 den Handelsposten Singapur. 

1972 hatte ich die Gelegenheit von Songkhla nach Penang zu fliegen. Nach der Ankunft besuchte ich keine Bordelle, aber einen der letzten Opium-Den in der Chulia Strasse. Vor dem luxuriösen Laden lag ein zugedröhnter, zahlungsunfähiger chinesischer Kuli in seinen Exkrementen auf der Straße.  Im sehr gepflegten Eingang traf ich einen netten, gesprächigen  Herrn.  Er war Direktor der Einwanderungsbehörde. Er empfahl mir ein besseres Hotel anstelle dessen, wo mein bescheidenes Gepäck lagerte.  Er ließ meinen Koffer In die neue Bleibe transportieren. Er bat um meinen Pass und erlaubte mir, anstelle von drei Tagen, zwei Wochen auf der Insel zu bleiben.

Atemberaubend hübsch gestylte Hostessen in Cheongsam aus Seide gehüllt, übernahmen die Vorbereitung der Pfeife und fügten akrobatisch Chandu-Kügelchen hinzu. Nach der ersten Pfeife verließ ich den verruchten, für mich glücksbringenden Ort. Fortan logierte ich im Hotel Eastern & Oriental, wie seinerzeit Sommerset Maugham. Er schrieb Bücher wie: Der Menschen Hörigkeit, Silbermond und Kupfermünze, Auf Messers Schneide.

George-Town Penang. Pfahlbau-Siedlung 1972. Ort: gegenüber dem Festland.

Ich rollte zum Museum in George Town und sah mich um. An einer Wand entdeckte ich eine Land-Karte der Insel Penang, damals „Prince of Wales Island“, vermessen im Auftrag von Stamford Raffles.

Ich war begeistert. Dann sah ich die Ameisen, welche das kostbare Werk ohne jegliches Nachdenken über Kartographie auffrassen. Entsetzt informierte ich gleich einen der herumstehenden Angestellten. Er zuckte mit den Schultern. Seine Aufgabe war, die Besucher zu überwachen. Schädlinge zu bekämpfen, gehörte nicht zu seinen Pflichten.

Ich hoffte insgeheim, die Landkarte sei bloß eine Kopie. Das Original sei in Sicherheit im britischen Museum in London. Ich war einmal in diesem Museum. Grossartig! Die Landkarte sah ich nicht. Dagegen beeindruckte mich auf dem WC das Papier. Jedes Blatt war bedruckt mit: Eigentum der Königin. Ich wagte es kaum, meinen Hintern zu polieren. Danke Majestät!

Literatur: The lost heritage. Reality of Artifact smuggling in South East Asia. Masayuki Nagashima. Post Books, 2002

Es liegt was in der Luft. Ein ganz besond’rer Duft

Den Titel entlehnte ich von einem älteren Schlager von Götz Alsmann. (1) Die talentierten Interpreten sind Mitglieder der Zuckerwatte Combo. Es gab ja nicht nur Caterina Valente, Vico Torriani, Harry Belafonte, Elvis Presley, Michael Jackson, Peter Kraus und Herbert von Karajan.

Hinterindien liegt nicht ganz am Ende der Welt. Mondraketen und Weltraumbahnhöfe gibt es in Thailand noch nicht. Dennoch feuern in einigen Dörfern im Isan die Einwohner zwecks Einschüchterung des Regengottes und anderer Geister selbstgebaute Flugobjekte Richtung Himmel. Wie unkontrolliert diese lebensgefährlichen “Raketen“ fliegen, zeigt deutlich: Dieses Jahr liess der Regen trotz leidenschaftlich tanzender Jungfrauen – der Ausdruck Jungfrau ist hauptsächlich auf das Alter bezogen – reichlich Lao Khao, Feuerschweifen, schwefliger Rauchschwaden in der Atmosphäre und donnernden Explosionen auf sich warten. (2)
Wenn es dann endlich prasselt und giesst, saufen wegen falscher Pulvermischungen der Raumfahrt-Experten, ganze Gross-Städte ab.
Trotzdem gibt es immer wieder epochemachende Innovationen. Seit dem elften Juli berichtete ich, wie wir in manchen Nächten beduselt erwachten. (3) Sämtliche Räume des Hauses waren mit schweren Ethanol-Düften belastet. Low als kolateralgeschädigter Trendsetter? Löwe und Krokodil

Thai-Trend: Elefant, Löwe und Krokodil

Seit dem 31. Juli dürfen sie in London für zehn Pfund während einer Stunde gediegene Alkoholdämpfe einatmen. Längere Aufenthalte sind nicht empfohlen, weil sie danach das Lokal nicht auf eigenen Beinen verlassen könnten.
Die Bar befindet sich in Borough Market in Süd-ost London. Sie liegt im Untergeschoss eines viktorianischen Klosters. Die Gestaltung lag in den Händen von Bompas und Parr. (4) In annähernd vierzig Minuten inhalieren sie die Alkoholmenge eines grossen Cocktails unter Umgehung der Leber. Die Wirkung des Alkohols wird dadurch deutlich intensiver.

Bitte teilen sie ihre Erfahrungen und Erlebnisse schluckloser Besäufnisse in London mit uns. Existiert die Möglichkeit von Monologen mit dem Barkeeper? Ist Rauchen gestattet? Werden Häppchen wie Chips, Grissini, Salzmandeln oder Salzstangen angeboten?
Der Bar-Pianist muss nicht jede Stunde ersetzt werden, weil Mönchsgesänge durch die entweihten Gewölbe hallen. Wahrscheinlich nicht Orffs Carmina Burana? (5)

(1) https://www.youtube.com/watch?v=-Ir02e7Li54
(2) http://www.geo.de/GEO/geo-tv/thailand-raketen-fuer-die-goetter-76448.html
(3) https://hinterindien.com/2015/07/11/gefahren-in-schlafzimmern-2/
(4) http://bompasandparr.com/projects/view/alcoholic-architecture1/
Empfehlenswert:
(5) https://www.youtube.com/watch?v=GXFSK0ogeg4

(t) http://www.dailymail.co.uk/news/article-3182567/You-drunk-eyes-place-Inside-Britain-s-bizarre-bar-air-saturated-alcohol.html
(t) http://metro.co.uk/2015/07/20/bored-of-drinking-booze-dont-worry-because-theres-a-new-london-cocktail-bar-that-lets-you-inhale-it-5304189/
(t) http://www.telegraph.co.uk/foodanddrink/foodanddrinknews/11753858/Inhale-a-cloud-of-alcohol-at-Londons-latest-crazy-pop-up.html

Teurer Tod durch Spekulation

Wie viel Erde braucht der Mensch? Darüber machte sich Lew Nikolajewitsch Tolstoi Gedanken. (1) Die Erstveröffentlichung der Erzählung, welche die unendliche Gier nach Eigentum hinterfragt, erfolgte 1885. Ein Todesfall in der Familie weckte meine Gedanken zu diesen Fragen – während des Fluges von den Reisfeldern Nordthailands nach Singapur. Bloombergs Business Week unterstützte mich dabei. Zwei Stunden vor dem Einchecken im Flughafen Chiang Mai empfing ich ein Mail, dass mein Bruder verstorben sei.Dorfrand Jede Woche sterben in Bangkok ungefähr 1000 Menschen. Bei gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen oder Epidemien könnten es mehr sein.
In New York, mit ähnlichen Bevölkerungszahlen und Sterbefällen, wird in Manhattan der Boden für die Toten knapp. Ed Koch, ein früherer Bürgermeister, bezahlte 1988 für seine letzte Ruhestätte im Trinity Church Friedhof 20‘000 $. Zwei Grüfte im ‘New York Marble Cemetery‘ wurden jede für bescheidene 350‘000 $ angeboten. In Londons ‘City of London Cemetery’ kostet die Miete für 100 Jahre 30‘370 £.

In Asiens Metropolen sind Kremationen üblich. Sogar der Raum für Urnen ist beschränkt.
Kolumbarium, auch Columbarium, ist eine Bezeichnung für Taubenschläge. (2) Wegen optischer Ähnlichkeiten werden auch altrömische Grabkammern mit reihenweise übereinander angebrachten Nischen zur Aufnahme von Urnen nach Feuerbestattungen so benannt. Heute bezeichnet man als Kolumbarium oberirdische Bauwerke oder Gewölbe, die der Aufbewahrung von Urnen oder Särgen dienen und oft Friedhöfen oder Krematorien angegliedert sind.
In Hongkong beträgt die Wartezeit zur Einlieferung von Urnen in einem öffentlichen Kolumbarium bis zu fünf Jahren.
Für Arme wird selbst das Sterben zu teuer.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Wieviel_Erde_braucht_der_Mensch%3F
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Kolumbarium
(Text-quellen) Bloomberg Business Week, 11. Aug. 2014, Flavia Krause-Jackson

Reisewege nach Singapur

An einem trüben, nasskalten Wintertag Ende 1949, stand Professor Parkinson mit Schirm, Koffer und Melone in Londons Nebel auf der Strasse. Er war unterwegs nach Singapur, in die berühmte Raffles Universität. Ob er als Marinehistoriker eine mehrwöchige Seereise durch den Sues-Kanal nach Britisch-Malaya unternehmen durfte, oder ob er sich die Seekrankheit in wenigen Tagen in der Luft holte, ist mir nicht bekannt.
Ich weiss nur, wie er nicht reiste: mit dem Fahrrad.
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Ein junger Angestellter der schweizerischen diplomatischen Vertretung in Singapur trat seine Stelle in den 1960er Jahren per Fahrrad an. Er reiste über die Türkei, Pakistan und Indien in sechs Monaten, teils pedalend, von Zürich nach Löwenstadt. Für angehende Diplomaten ist Radfahren eine inspirierende Quelle. Gut schmieren, nach oben buckeln, nach unten treten!
Derzeitige Radler von Europa nach Südostasien verfassten bereits mehrere Berichte. (1)

Im Gegensatz zu heute war der Flugverkehr in den frühen 1950 er Jahren nicht sehr populär. Flugzeuge wurden von Propellern angetrieben. Druckkabinen waren rar. Flugreisen waren laut und wetterbedingt holprig. Häufige Zwischenlandungen zwecks Tanken verlängerten die Reisen. Fliegen war teuer. Nicht jeder konnte sich das verlockende Vergnügen leisten.
Wer das nötige Kleingeld hatte, buchte einen Sitzplatz bei BOAC. (2) Der Flugplan vom August 1952 nach Australien mit BA 704 und einer Maschine des Typs Canadair Argonaut, zeigte: (3)

London 0930 Day 1
Zurich 1200/1300
Beirut 2130
….Nightstop
Beirut 0945 Day 2
Karachi 2030/2300
Calcutta 0530/0645 Day 3
Singapore 1545
….Nightstop
Singapore 0800 Day 4
Jakarta 1030/1130
Darwin 2000/2245
Sydney 0700 Day 5 BOAC_C-4_Argonaut_Heathrow_1954 Der Landeplatz war Singapur-Kallang. (4) Der 1937 eröffnete Flughafen war eine Augenweide. Er bot beides, lange Piste für rollende Maschinen und Ankerplätze für Flugboote. Ein einziges, geniales Abfertigungsgebäude diente dem gesamten Luftverkehr. Ab 1955 wurde Kallang durch den internationalen Flughafen Paya Lebar ersetzt.
Die Alternative: BA 780

London 2130 Tu
Rome 0150/0250 We
Cairo 0930/1030 We
Basra 1600/1700 We
Karachi 0035/0235 Th
Delhi 0650/0750 Th
Calcutta 1140/1240 Th
Rangoon 1645 Th
…. nightstop
Rangoon 0800 Fr
Bangkok 1025/1125 Fr
Singapore 1600 Fr

1953 führte BOAC am 3. April Verbindungen mit einem vielversprechenden Jet namens Comet nach Tokio ein. Die Reisezeit verkürzte sich damit von 86 auf 33 Stunden. Das Unternehmen blieb von schweren Rückschlägen nicht verschont. 1954 explodierten am 10. Januar und am 8. April zwei COMET Jets in der Luft. Minutiöse Untersuchungen zeigten Materialermüdung an den Tragflächen. Die Comet Flotte blieb nach den Unfällen am Boden.

1959 nahmen Queensland and Northern Territory Aerial Services, QANTAS, den neuen Boeing Jet 707 in Betrieb. Diese Maschine war schneller als alles, beförderte mehr Passagiere und flog über turbulentem Wetter. Qantas wurde bereits am 16. November 1920 in Winton, Queensland von Paul McGinness, Hudson Fysh, Fergus McMaster und Arthur Baird, gegründet. (5) 2013 feierte Qantas den Beginn der Flugbootverbindungen
mit Singapur vor 75 Jahren.

Seitdem wurde der Luftverkehr nur noch schneller, komfortabler und preisgünstiger. Es gibt selbst-kasteiende Reisende mit fast pseudoreligiösem Hintergrund. Anstelle eines komfortablen Nonstop-Fluges, oder arschaufreibenden Tretens auf einem Sattel, suchen die Herrschaften geistige Selbstverstümmelung. Ihre Warterei ist Heldentum. Sie sind ahnungslos, dass vor Jahrzenten eine Flugreise nach Singapur annähernd eine Woche dauerte.
Wir alle leiden natürlich mit den plattfüssigen Schreiberlingen und unterbelichteten Verfassern von Reiseblogs. Sie fliegen unter dem Motto, Geiz ist grausam, über die Emirate. Pro eingesparten Euro gibt es eine Stunde Aufenthalt. Diese Zeit wird dazu benutzt, exotisch arabische Speisen wie Hamburger und amerikanische Pizza zu verschlingen. Die unter Strapazen schmachtenden, von Verstopfungen geplagten Wesen werden danach in den diversen Metropolen Hinterindiens abgesetzt. Nach Erholungsphasen von einigen Wochen starten sie ihre ganz individuellen Abenteuer gemäss Standard-Reiseführer. Den Rest dürfen sie in hunderten sich ähnelnden Blogs nachlesen.
„Unsere Reise geht so schnell und dauert gleichzeitig so lang, daß ich gar nicht mehr weiß, worüber ich berichten soll.“ (t)

(1) http://www.trittumtritt.com/2013/03/schweiz-singapur-17509-km-per-velo-wir.html
(1) http://uni.de/redaktion/Mit+dem+Rad+nach+Singapur
(2) http://en.wikipedia.org/wiki/British_Overseas_Airways_Corporation
(2) http://www.britishairways.com/travel/history-1950-1959/public/en_gb#
(2) http://forum.keypublishing.com/showthread.php?107572-1950-s-Archive-Part-11-BOAC
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Canadair_North_Star
(4) http://en.wikipedia.org/wiki/Kallang_Airport
(5) http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Qantas
(5) http://www.qantas.com.au/travel/airlines/history-jet-age/global/en
(t) http://wp.me/p2ljyL-1jO
(flugrevue) http://www.flugrevue.de/zivilluftfahrt/airlines/qantas-feiert-den-beginn-der-flugbootverbindung-nach-singapur-vor-75-jahren/518740
Filme:
(f) http://www.youtube.com/watch?v=WHU6X29z-xw BOAC promo film
(f) http://www.youtube.com/watch?v=6H2ol6SY3Ts Flying boats document
(f) http://www.youtube.com/watch?v=lIcltyMwJRg Flugboot Sunderland

Für Fern-Flüge: Flieger von Short Brothers

Gibt es Literatur, Romane oder Berichte über Reisen nach Singapur und Australien mit Imperial Airways? Warum schrieb Agatha Christie “Mord im Orientexpress“, wenn Flugapparate bloss hundert Kilometer entfernt von ihrer einstigen Haustüre in Torquay Richtung Indien starteten? Herkules Weichbirne hätte, um aus dreizehn redlichen Fluggästen den potentiellen Killer zu ermitteln, fast eine Woche Zeit gehabt. Oder war der heimtückische Mörder doch ein Mitglied der Besatzung?
Aber die Grande Dame krimineller Eitelkeiten, die Souffleuse des Giftmordes, zog profanen Schienenverkehr modernem Fluggerät vor.

Die fünfzehn Flugpassagiere lernten sich vielleicht schon in der Bahn zwischen London und Southampton kennen. Unter Umständen beim standesgemässen Dinieren im South Western Hotel, spätestens im Kahn, der die Reisenden nach vier Uhr morgens zum Flugboot brachte.
Sie bestiegen eine dreimotorige Maschine des Typs Calcutta, Short S. 8. Es war das erste Flugboot mit einer Metallhülle. Die zwei Piloten sassen in einem offenen Cockpit. Nur der Radio-Operator – der Funker, er benutzte kommerzielle Radiostationen als Navigationsinstrumente, sass in der Kabine bei den Passagieren.
Sie waren eine Schicksalsgemeinschaft für Stunden und Tage. Während die Damen mit klammen Fingern zu stricken oder häkeln versuchten, widmeten sich die Herren rauchend dem Kartenspiel. Als Zeitvertreib dienten möglicherweise Bücher, unter Umständen einer der zehn Kriminalromane von Christie, die bis 1930 erschienen. Insgesamt schrieb Agatha 66 Kriminalromane. Schätzungsweise wurden von Christie über zwei Milliarden Bücher verkauft. Damit ist sie erfolgreicher als Lows ‘Hinterindien‘.

Short Calcutta

Short Calcutta

Die fliegende Unterkunft war 20 Meter lang und sieben Meter hoch. Die Spannweite der Flügel betrug 28 Meter. Die beiden Tragflächen umfassten 170 Quadratmeter. Das Leergewicht betrug knapp 6‘300 Kilogramm. Die maximale Zuladung wie Personen, Gepäck, Treibstoff, Stricknadeln, Zigaretten und Zigarren, waren 4‘000 Kilogramm.
Jeder der drei Bristol Jupiter Motoren entwickelte 540 PS, 403 kW. (5) Sie erlaubten eine Höchstgeschwindigkeit von 190 Kilometern pro Stunde. Die Reisegeschwindigkeit erreichte ohne Gegenwind 156 km/h. Die Reichweite betrug bei gutem Wetter 1‘000 Kilometer.

Ab 1931 flog die etwas grössere, viermotorige Short S. 17 Kent. (4)
Der Rumpf bestand aus Duraluminium und rostfreiem Stahl. Die Tragflächen waren mit Stoff bespannte Metallkonstruktionen. Die Kabine verfügte über Toilette, Waschraum und Küche. Die Piloten arbeiteten in einem geschlossenen Cockpit. Hinter ihnen war der Platz des Funkers.
Die Besatzung vergrösserte sich mit 15 Passagieren auf 4 Mann. Die Maschine war 5 Meter länger. Die Spannweite erreichte 34 Meter, bei Tragflächen von 245 Quadratmetern. Das Leergewicht betrug 9‘290 Kilogramm. 5‘200 Kilogramm Ladung waren zulässig.

Bequemer und schneller wurden die Flüge ab 1938 mit den Eindecker-Flugbooten der Empire Klasse, Short S. 23. Die Motorleistung erhöhte sich mit Bristol Pegasus Triebwerken auf 4 x 910 PS, 680 kW. Das Leergewicht der Maschinen betrug 11‘121 Kilogramm. Die Zuladung lag bei über 7’000 Kilogramm, inklusive 5 Mann Besatzung mit 17 Passagieren. Die Kabine hatte zwei Toiletten!
Der Aktionsradius war bei gutem Wetter 1‘300 Kilometer. Die Reisegeschwindigkeit steigerte sich auf 264 km/h. (6)

Warum haben heutige sogenannte Grossraumflugzeuge weniger Beinfreiheit, als seinerzeit die Brummer der Short Brothers? Ach ja, ich vergass den Preis.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Agatha_Christie
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Werke_von_Agatha_Christie
(3) http://en.wikipedia.org/wiki/Short_S.8_ Calcutta
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Short_S.17
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Bristol_Jupiter
(6) http://www.airwaysmuseum.com/Shorts%20S23%20G-AETX%20@%20Rose%20Bay.htm
FILM:
(6) http://www.britishpathe.com/video/flying-boat-sydney-aka-new-empire-flying-boat-leav

Frühe Flugreisen nach Hinterindien

Die Entwicklung der Luftfahrt, angefangen mit der Sage von Dädalus und Ikarus, ist unterhaltsamer als die meisten Kriminalromane. Ich schmückte das Thema nicht mit Details aus und beschränkte mich auf die Verbindungen mit Hinterindien. Liebhaber finden in den Links weitere Informationen.

Nach dem 1. Weltkrieg schuf Grossbritannien neue Verkehrsverbindungen in seine entfernten Kolonien.
Aus den Firmen British Marine Air Navigation, Daimler Airway, Handley Page Transport und Instone Air Line entstand 1924 Imperial Airways. Die verwendeten Maschinen, teilweise Doppeldecker, waren schwerfällig und mit 100 mph langsam. Sie flogen in geringer Höhe, denn sie hatten keine Druckkabinen. Unter den Wolken waren Maschinen und Menschen Unwettern ausgeliefert. Die Motoren erzeugten nicht nur Vortrieb, sondern viel Lärm.
Die fliegenden Kisten aus Holz und textilen Materialien waren alles andere als tropentauglich. Innerhalb weniger Jahre ersetzten stromlinienförmige Maschinen aus Metall die filigranen Flieger. Aber noch lange hielten sich viermotorige Doppeldecker der Firma Short Brothers in der Luft und auf dem Wasser. Als 1929 die italienische Regierung die Häfen in Italien und ihren nordafrikanischen Kolonien für britische Flugzeuge schloss, benötigte Imperial Airways ein Flugboot, das ohne Zwischenlandung von Mirabella auf Kreta bis nach Alexandria fliegen konnte. Im Oktober 1930 begann Short mit dem Bau der S.17 Kent. 5E short
1934 erreichten die Kolosse unglaubliche Geschwindigkeiten von 140 bis 200 mph.
5 Mann Besatzung beförderten 17 Passagiere. Das Gewicht der Maschinen betrug 20 Tonnen, inklusive 2 Tonnen Fracht. Vier Pegasus Motoren mit je 920 PS, 690 kW, trieben die Flugboote vorwärts.
Singapur, ja sogar Australien wurden regulär angeflogen. Der Jungfernflug von London nach Singapore erfolgte am 9. Dezember 1933. Das Reislein nach Singapore kostete umgerechnet 18‘000 $. Imperial Airways überlebte dank Zuschüssen der Regierung.

Imperial Airways – Flugboote, Zeitplan von 1939
Jede Tages-Etappe hatte Zwischenlandungen. Ich führte sie nur für den 1. Tag auf.
Übernachtet wurde in Hotels. Mit einer Bahnreise begann die erste Etappe von London nach Southampton.
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Wasserten die Flugboote in Bangkok vor dem Oriental-Hotel? Das muss ein unvorstellbares Spektakel gewesen sein.

Die Flüge gingen weiter über insgesamt 12945 Meilen, bis nach Sidney.
Ende 1930 arbeiteten 3000 Besatzungsmitglieder für Imperial. In den dreissiger Jahren beförderten Imperial ungefähr 50‘000 Passgiere.

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete die weltweite Zivilluftfahrt (für die Reichen und die Schönen). Imperial Airways fusionierte mit British Airways im Jahr 1939. Daraus entstand die British Overseas Airway Corporation, BOAC .
Von nun an beherrschten für Jahre Sturzkampfbomber, Spitfire, Mitsubishi Zero, Messerschmitt und fliegende Festungen den Luftraum.

(Flugboot) http://en.wikipedia.org/wiki/Short_Empire
(Short Bothers) http://de.wikipedia.org/wiki/Short_Brothers_(Flugzeughersteller)
(Imperial) http://paleofuture.gizmodo.com/what-international-air-travel-was-like-in-the-1930s-1471258414#
(Imperial) http://en.wikipedia.org/wiki/Imperial_Airways
(t) http://www.seawings.co.uk/images/EmpireProfilebookgal/Flying%20Empires%20Book.pdf
(Bilder) http://www.britishairways.com/travel/photos-1930-1939/public/en_gb
(Flugpläne) http://www.timetableimages.com/ttimages/iaw.htm
Film:
1924 Imperial Airways at Croydon
)F) http://www.youtube.com/watch?v=-VE4ukEHuKo
Short Kent Flying Boat
(F) http://www.youtube.com/watch?v=PmuNQXst6nI

(j) http://de.wikipedia.org/wiki/Mitsubishi_A6M
(d) http://de.wikipedia.org/wiki/Messerschmitt_AG

Fortsetzung folgt