Hektische Hühner- und Hunde-Halter im Advent

Als junger Mensch dachte ich, wenn Hennen Eier legen und ausbrüten, sei das gelebte Brutalität. Das Internet dagegen sagt: Brutalität ist eine Einstellung oder ein Verhalten, das von Rücksichtslosigkeit, Grausamkeit und Gewalttätigkeit geprägt ist. Abscheuliche Brutalität lernte ich bei den ach so sanften und scheuen Buddhisten wie nie zuvor kennen. Diebstahl, Ehebruch, Korruption, Lüge, Mord und übelste Verleumdung gehörten bereits im Dorf des Nordens zur praktizierten täglichen Vollkommenheit.
Diese lieben Lebewesen lagen offenbar immer gerade dann mit Grippe, Malaria oder Dengue-Fieber darnieder, wenn in friedlich wirkenden Tempeln von scheinheiligen Gelbröcken über die Lehre Buddhas, menschliche Sanftmut und verborgene Tugenden gesprochen wurde.

Während sich Menschen im Abendland in der Adventszeit bei Kerzenlicht und sanfter Musik auf Weihnachten einstimmen, verspüren wir in der südlichen Wärme bei oft regnerischem Wetter – mit dem eintönigen Chanten der Mönche und den Gebetsrufen der Muezzin – keinen Hauch von Feststimmung. Tief in meinem Magen regt sich ein religiöses Bedürfnis nach duftendem Gebäck, Dresdener Stollen und Nürnberger Lebkuchen. Stimmung gibt es trotzdem, wenn auch mit anderen Vorzeichen. Im Umkreis von wenigen hundert Metern übertrafen sich die Ereignisse:

Ein Hund drang in ein bewohntes Grundstück ein und biss elf Hennen tot, ohne eine einzige zu verspeisen.
Der geschockte Hühnerhalter erkundigte sich nach dem Hundebesitzer. Da der Hund offenbar niemandem gehörte, ergriff er seine Flinte und erschoss das Tier. Der empörte, wütende Hundebesitzer nahm darauf seinen Schiessprügel. Er sandte den Hühnerhalter diskussionslos ins Nibbana.
Die Polizei nahm den Mörder nicht fest, mit der Begründung, Hunde hätten ein Anrecht auf Leben! Da könnten wohl einige Scheinchen den Besitzer gewechselt haben. Über den Munitionsverschleiss weiss ich, wie über sämtliche Nummern und Zahlen in Thailand, nichts Genaueres.
Frohe Weihnachten! Sie geniessen wohl eher Gans oder Truthahn, als Hörnli mit Apfelmus und Hackfleisch.

Mehr Reis-Geschichten

Meine Oberarme und Hände sind wieder schmerzhaft, die Finger unstabil. Deshalb kopierte ich erneut aus der alten Beschreibung. Ich korrigierte und ergänzte.

Reis hat zwei Wildformen: Oryza rufipogon, einjähriger, klassischer Wildreis und mehrjährigen Oryza nivara . Beide lassen sich untereinander und mit domestiziertem Reis kreuzen.
Die nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung wichtigsten Unterarten von Oryza sativa sind:
Oryza sativa ssp. indica, Langkornreis wie Patna-Reis, Basmati-Reis
Oryza sativa ssp. japonica, Langkornreis, auch Klebreis sowie Risotto-Reis
Oryza sativa ssp. javanica, Mittelkornreis
Oryza sativa var. glutinosa wird in China oder Thailand angebaut.

Die Kulturreispflanze bildet bis zu 30 Halme aus. Sie werden 50 bis 160 cm hoch und tragen schmale überhängende Rispen. An ihnen sitzen 80 bis 100 einblütige Ährchen. Eine Pflanze erzeugt bis zu 3000 Früchte.
Ein Kilogramm Reis hat je nach Korngrösse etwa 30 000 bis 60 000 Körner.
Die Frucht besteht wie bei andern Getreidearten aus Keimling, Mehlkörper, Aleuron- oder Wabenschicht, Samenschale und Fruchtwand. Beim Reis werden die drei letzteren Silberhäutchen genannt.

Wild gewachsener Reis wurde in Höhlen von Yuchan und in Xianrendong im Jangtse-Tal gefunden. Wilder Reis wurde vermutlich vor 8000 Jahren gesammelt.
Vermutlich domestizierter Reis wurde bereits in der Lijiacun-Kultur am Gelben Fluss, 7000–6000 v. Chr., in Hunan in der Yuchanyan-Kultur, 9000–8000 v. Chr., genutzt.
Seit 400 v. Chr. wird Reis in Mesopotamien angebaut. Bereits die Römer kannten Reis. Vermutlich wurde er aus Ägypten importiert. Die Mauren brachten Reis nach Europa. Mit den Türken gelangte der Reis in den Balkan. Australien erreichte der Reis im 19. Jahrhundert
Reis wird seit dem späten 17. Jahrhundert in Nordamerika gepflanzt. Sklavenarbeit ermöglichte den grossflächigen Anbau trotz Gelbfieber und Malaria. Reis wird seither in einigen traditionellen amerikanischen Reis-Gerichten, Cajun- und Kreolen-Küche, wie rote Bohnen mit Reis, Jambalaya und Gumbo, zubereitet. (1)

Achtzig Prozent der Weltreisernten werden im Nassreisanbau erzeugt. Pro Kilogramm Reis werden einige Kubikmeter fliessendes Wasser benötigt. Fliesst das Wasser zu schnell, werden Bodenbestandteile und Nährstoffe abgeschwemmt. Fliesst es zu träge, bilden sich Algen.
Im Tiefland kann Nassreisanbau mit Bewässerung über Brunnen zu sinkendem Grundwasserspiegel führen. Die chinesische Regierung verbot rund um Peking den Reisanbau, weil sich der Grundwasserspiegel bis zu drei Metern senkte.

In Indonesien und Malaysia ist der wachsende Reis Padi, der gedroschene Reis Gabah, der geschälte Reis heißt Beras, der gekochte Reis heißt Nasi. Gebratener Reis ist Nasi Goreng.
Das Verrichten der Notdurft hiess ganz vornehm: „Ich habe Reis von mir gegeben.“

Nassreisanbau ist sehr arbeitsintensiv, ermöglicht aber sehr viel höhere Erträge als das Streusaatverfahren. Die Arbeitsgänge sind:
Die Aussaat in ein relativ trockenes Pflanzfeld. Es zeigt sich, dass der Reis keine echte Wasserpflanze ist. Direkt ins Wasser gesät, keimt er kaum.
Die Durchmischung des Bodens auf dem Reisfeld mit Wasser, meist mit Pflügen hinter Motoren oder Wasserbüffeln.
Das Umsetzen der Setzlinge vom Pflanzfeld in das Reisfeld per Hand. Seltener mit Setzmaschinen.
Die Bewässerung der Felder während der Wachstums- und Reifezeit. Probleme entstehen, wenn der Wasserspiegel während der Regenzeit zu stark ansteigt – oder wenn der Monsunregen zu gering ausfällt.

In den Bewässerungsgräben der Reisfelder gediehen in einigen Regionen Kleinfische und Krustentiere. Sie waren oft die einzige Proteinquelle der Bauern.
Durch Pestizideinsatz wurden diese Lebewesen leider weitgehend ausgerottet.
Nach etwa vier bis sechs Monaten werden die Felder trockengelegt. Die Ernte erfolgte mit Hand-Sicheln oder Sichelringen,
Die Bündelung der Pflanzen und Abtransport oder Dreschen vor Ort.
Das Stroh wird leider meist auf den Feldern verbrannt. Das führt in der Region Chiang Mai zu intensiver Luftverschmutzung mit Ascheregen.reis phonphat
Reis-dreschen am Dorfrand von Phonphat, 2002

Man berechnete vor einigen Jahren, dass der Nassreisanbau 17 Prozent des Methans in der Erdatmosphäre erzeugt. Das sind jährlich etwa 60 Millionen Tonnen. Dies entspricht ungefähr dem Wert von etwa 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff, beziehungsweise 1,1 Milliarden Tonnen CO2.
Methan ist nach CO2 das wichtigste anthropogene Treibhausgas. Durch die Wässerung des Bodens entsteht ein fast sauerstofffreier Lebensraum für anaerobe Archaea, das sind Methanbildner. Die Methanerzeugung lässt sich etwas reduzieren, sofern man die Böden austrocknen lässt.

(1) Jambalaya: https://www.youtube.com/watch?v=-4o86juvMEE

Grassierende Unsicherheiten

Die netten Dorfbewohner und Nachbarn in Klong Khut sind verunsichert. Die Arbeitsplätze sind kaum garantiert, wie die Räumaktion bei den Ordnungshütern zeigte. Der unkontrollierte Straßenverkehr verläuft trotz Regeln chaotisch. Die Verwaltung ist wie üblich undurchschaubar.

Andauernd ist man Betrügern und Dieben ausgesetzt. In Einkaufszentren werden von Geräten Kleinteile wie Schrauben und Dichtungen entfernt. Zerbrochene Gläser ergänzen Schurken aus Original-Packungen und hinterlassen ihre Scherben. Grosspackungen werden angeschnitten. Einzelne Beutel mit Kaffeepulver finden Wege neben den Kassen. Bessere Kaffeesorten haben wie Spirituosen Diebstahlschutz. Süssigkeiten werden vor dem Bezahlen durch Schnellfrass eliminiert und können kaum als Diebesgut nachgewiesen werden. Nur äusserst selten bricht ein Gauner mit einem in der Luftröhre steckengebliebenen Hotdog vor einer Kasse zusammen. Dämmerung
Diese allgemeinen Verunsicherungen führen dazu, dass in Häusern und Wohnungen die ganze Nacht Licht brennt. Wenn es hell wird, vergisst man dann, die Schalter zu betätigen. Sämtliche Häuser sind von Mauern und Zäunen umgeben. Die Fenster sind von innen oder aussen vergittert, obwohl kaum wertvolle Gegenstände in den Wohnräumen zu finden wären. Der teuerste Besitz steht meist vor oder neben den Gebäuden – es sind die Fahrzeuge. Deren Motoren laufen während Stunden. Die Schlüssel stecken natürlich.

Keine Angst zeigen die Einwohner dagegen vor Insekten. Dengue-Fieber und Malaria kennt man nicht. Elvis Presley wird noch immer verehrt. Mückengitter gibt es kaum. Schmeiss-Fliegen würzen frisch gekauften Fisch und Fleisch mit Eiern. Glückliche, fette Maden krabbeln später in den Kühlschränken herum.
Die Häuser sind vermeintlich mit dekorierten Gittern gegen Diebe gesichert. Ich werde keine Schutzgitter montieren. Unser Hintereingang ist wie bei acht weiteren Häusern, eine grössere Stahltüre. Bei Sonnen-Einstrahlung erhitzt sich die dunkelbraune Fläche auf siebzig Grad. Wir spritzten das Eisen mit Aluminiumbronze um. Die Temperatur in der Küche sank danach um zwei Grad Celsius. Stahlrahmen auf Holz
TermitenspurenDer Stahlrahmen wurde mit 12 Schräubchen in morsche, von Termiten angefressene hölzerne Türrahmen geschraubt. Die Schrauben könnten von unwillkommenen Besuchern in wenigen Minuten geräuschlos entfernt werden.

Die Baumängel sind grenzenlos, der Pfusch unbeschreiblich. Als wir das Lavabo entfernten, fielen die Haltebügel beinahe aus der Wand. (1) Die Arbeiter machten sich ein Vergnügen daraus, anstatt der mitgelieferten Kunststoffdübel, handgeschnitzte Holzdübel – möglichst aus Bananenstauden, zu verwenden.
Für sechs Schrauben wurden 12 Löcher gebohrt. Wir kauften ein etwas schmäleres Waschbecken vom selben Hersteller. Die Aufhängung sollte kompatibel sein, war es aber nicht. Wir konnten das Gerät nicht mittig anbringen. Ich hätte neue Löcher bohren müssen, wagte es jedoch nicht, denn die Wand glich bereits einem Emmentaler-Käse. Wir befreiten das ursprüngliche Gerät vom Silikon, benutzten neue Kunststoffdübel, sägten die Rohrstücke auf gemessene und berechnete Werte. Ohne Tricks, Leim, Silikonband oder Silikonpaste war die Abwasserleitung dicht und gerettet.Waschbecken

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Waschbecken
Bild zur originalen Montage:
https://hinterindien.com/2015/11/14/facharbeiten-im-los-land-ohne-sachverstand/

Umzug in die Kaulquappen-Lagune

Schlagartig wich unsere Freude am Fischtrog ernsthafter Besorgnis. Eine Mückenfarm vor dem Wohnzimmer wollten wir wegen Dengue- und Malaria-Gefahr nicht.
Dick hatte die Idee, die Dollar-Haie abzuwerten und sie positiv denkend, in der Kaulquappen-Lagune anzusiedeln. Gemeint war damit die zukünftige Unterkunft in den Zementröhren. Für die Umquartierung benötigten wir dringend Netze.
Wir fuhren in die Stadt und hielten vergeblich Ausschau. Kurz vor dem Abbruch unserer Bemühungen entdeckten wir auf den Treppen einer Bankfiliale prall gefüllte Beutel und Flaschen mit einzelnen bunten Kampffischen einer Fischhändlerin aus Songkhla. Sie arbeitete jeweils am Samstag in Satun.
Um unser Karma zu verbessern, stellten wir das Fahrzeug auf den gesegneten Grund von Wat Chanathipchaloem und pilgerten den Weg zur von Buddha persönlich gesandten Fischfachfrau. Natürlich bot sie ebenfalls kleine Netze an.

Im Fischtrog errichteten wir in der Nähe des bevorzugten Versteckes unserer nächtlichen Fleischfresser ein Mäuerchen aus Backstein. Danach pumpten wir fast die Hälfte des Wassers ab. Dick war im Umgang mit den Netzen sehr geschickt und erfolgreich.
Nach kurzer Zeit genossen die etwa fünfzehn Zentimeter langen Fische als Willkommensapéro erste Kaulquappen in der Lagune.
Wir füllten im Trog das Wasser wieder auf, entfernten die Mauer und setzten dann behutsam einige neue Zahnkarpfen, Guppy, aus. (6)
Das Verhalten der Fische im Trog änderte sich von hektisch auf beschaulich, als die Lebensgefahr beseitigt war.
In der Kaulquappen Lagune dagegen versuchten einige junge Frösche über die Wände zu entkommen. Seitdem die Chitala Ornata dort leben, laichten keine Frösche mehr, oder die Fische verzehrten spurlos Laich samt Fröschen. Nun müssen wir Futter importieren. Aber die Fische sind nicht wählerisch. Sie verschlingen auch Schnecken und Würmer.

Die Trilogie zeigt eindrücklich, wie kompliziert das einfache Leben in Thailand ist.
Die Wasserhyazinthe wurde als Problemfall am Fernsehen gezeigt. Niemand, ausser Betroffene, kümmern sich darum – und wenn – geschieht es auf bewährte, traditionelle Weise. Man schmeisst das Unkraut aus dem eigenen Teich in den des Nachbarn. Gleichzeitig befischt man sich dort für die Morgengabe!

Beim Einrichten eines Aquariums gilt, sich mit dem Lebensraum und den Eigenschaften der gewählten Fische vertraut zu machen, ist reine Zeitverschwendung und Luxus. Wenn die einen Fische andere auffressen, ist das ein Schauspiel ähnlich wie Thai Boxen. Wie viele Fische pro Liter Wasser Platz finden, wird in der Regel nur durch das Einkommen bestimmt.
Diese Denkweise gilt ebenfalls betreffend Familie, Mia Noi – das sind Nebenfrauen, Liebhaber triebgesteuerter aufgetakelter Fregatten, für technische Geräte wie Fernseher, Smartphones und Automobile. In zehn Jahren las ausser mir niemand die Beschreibung unseres Fahrzeuges, denn Verkehrsmittel funktionieren ohne all den Papierkram wie Ausweise und Versicherungen – oder fragen sie den sechs jährigen Verkehrsexperten mit Moped, nachdem er eine Alte, die nicht auswich, mit einem komplizierten Hüftgelenkbruch beglückte.
Die leidende Verunfallte hätte nun Zeit, eingehend das Wachstumsverhalten von Wasser-Hyazinthen zu beobachten und darüber einen detaillierten Report zu Handen des NCPO, National Council for Peace and Order, zu verfassen.

(6) http://de.wikipedia.org/wiki/Lebendgeb%C3%A4rende_Zahnkarpfen

Bangkok – Heilkunst 1906

Einen Bericht aus Bangkok um 1900 betreffend Krankheiten und Ausbildung medizinischer Betreuung fand ich im:

Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene,
unter besonderer Berücksichtigung der
Pathologie und Therapie unter Mitwirkung
DES INSTITUTS FÜR SCHIFFS- UND TROPENKRANKHEITEN IN HAMBURG

Leipzig, 1907
Verlag von Johann Ambrosius Barth
Roßplatz 17

Jeanseime, £. Organisation medicale et pathologie du Siam. Presse med. 14. 7. 06.

Seit Mitte der 90 er Jahre besteht in Bangkok eine medizinische Schule, welche der mangelhaften Bildung und Unwissenheit der eingeborenen Ärzte ein Ende machen soll. Der einzige Professor an der Anstalt, welche von jungen Männern im Alter von 15 — 18 Jahren besucht wird, ist ein amerikanischer Arzt und Zahnarzt. Dieser unterrichtet in Anatomie und Physiologie. Der Lehrstuhl für Therapie ist von einem eingeborenen Heilkünstler besetzt-

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Die Unterrichtssprache ist siamesisch, nach und nach soll englisch eingeführt werden. Nach dreijährigem kostenlosem Studium werden die Schüler einem Gouverneur oder einem Eingeborenen-Krankenhause zugewiesen und erhalten erst frühestens mit 21 Jahren das Diplom, welches zur Ausübung der Praxis berechtigt.

Mit der Schule ist ein Krankenhaus von etwa 200 Betten verbunden. Die Kranken müssen sich verpflichten, eine bestimmte Zeit in dem Hause zu bleiben und dürfen zwischen der Behandlung nach siamesischer oder europäischer Art wählen. Nur die Chirurgie wird ausschließlich nach europäischen Methoden betrieben. Die Krankenzimmer liegen in einstöckigen, nicht immer sauberen, auf Pfählen ruhenden hölzernen Pavillons.

Es gibt ferner Krankenhäuser, in welchen nicht unterrichtet wird, andere, in denen mit Lymphe aus dem Institut Pasteur in Saigon geimpft wird.

Die einzige Irrenanstalt des Landes ist wie ein Kerker eingerichtet. Die Insassen erkranken viel an Beriberi. Alkoholismus ist selten, Syphilis scheint nicht zu Erkrankungen des Zentralnervensystems zu führen, Opiummißbrauch führt häufig zur Verblödung.

Die Kindersterblichkeit ist infolge von Durchfällen, Malaria und Blattern sehr hoch. In den tieferen und bebauten Landesteilen erkranken die Erwachsenen selten und nicht schwer an Malaria, Abholzungen führen zu schweren Fieberepidemien.

Die durch schlechtes Wasser hervorgerufenen Infektionskrankheiten fordern beständig viele Opfer, erstaunlich ist es nur, daß bei den kläglichen hygienischen Verhältnissen Bangkoks die Sterblichkeit nicht noch größer ist. Alljährlich im Dezember und Januar flackert die Cholera wieder auf.

Der Aussatz ist besonders in den fruchtbaren Niederungen an der Menam- Mündung verbreitet. Bei einer Musterung der Insassen der Gefängnisse und der Christen der katholischen Mission fand man eine Morbidität an Lepra von 3 : 1000.

Lungentuberkulose kommt massenhaft vor, aber in einer trocknen Form, ohne viel Husten und Auswurf, da der Bronchialkatarrh dabei fehlt.
Die Bazillen sind massenhaft vorhanden, führen allmählich zur Kavernenbildung
ohne Mischinfektion mit andern Bakterien. Tuberkulöse Darmkatarrhe sind dagegen häufig. Die Infektion wird durch das dichtgedrängte Zusammenleben der Eingeborenen begünstigt. Lupus ist selten, Skrofulose aber nicht.
Ferner sind allgemein verbreitet Beriberi, Augenentzündungen, parasitäre Hautkrankheiten, Filariasis und ihre Komplikationen, Blasensteine, Kropf, sowie die von Steiner und Jeanseime beschriebenen harten multiplen Geschwülste der Gelenkgegenden. M.

https://archive.org/stream/archivfurschiffs1119unse/archivfurschiffs1119unse_djvu.txt

Anmerkung:
Beriberi ist eine komplexe Vitaminmangelerkrankung. Sie ist auf einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) zurückzuführen. Noch 1905 wurde die Ursache von Beriberi nicht einer Mangelernährung, sondern als Infektionskrankheit, beziehungsweise als Lebensmittelvergiftung durch Schimmelpilze zugeschrieben.

Heisse Tropen-Fieber-Träume

Jahrelang empfahl ich allen Bewohnern und Gästen beim Betreten unserer Häuser in LanNa Land:
“Bitte die Moskitogitter unverzüglich schliessen. Mücken sind nicht nur unangenehme Blutsauger. Sie übertragen Krankheiten wie Chikungunya, (1) Dengue (2) und Malaria (3).“
MückeNik
Das Chikungunya-Virus wird durch den Stich verschiedener Stechmücken wie der Malariamücken Anopheles, Aedes, Culex und Mansonia übertragen. (4) Das Krankheitsbild ähnelt teilweise dem Dengue-Fieber oder dem Gelbfieber. Das Chikungunya-Virus ist mit dem O’nyong-nyong-Virus aus Ost- und Zentralafrika verwandt.

Bei Dengue existieren vier verschiedene Untergruppen des Virus. Die Krankheit zeigt häufig unspezifische Symptome oder solche, die einer schweren Grippe ähneln. Die Symptome umfassen Fieber bis 40 °C mit Schüttelfrost, Lichtempfindlichkeit der Augen und starke Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen. Ein heftiger Krankheitsverlauf tritt bei „Hämorrhagischem Denguefieber“ mit inneren Blutungen auf. Es gibt ein Dengue-Schock-Syndrom.
Gegen Dengue Erkrankungen gibt es zur Zeit weder Impfung, noch eine spezifische antivirale Behandlung.

Malaria, auch Sumpffieber oder Wechselfieber genannt, wird durch einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium hervorgerufen.
Die Symptome der Malaria sind hohes, wiederkehrendes und periodisches Fieber, Schüttelfrost, Beschwerden des Magen-Darm-Trakts und Krämpfe.
Die Behandlung wird zusehends schwieriger, weil viele der Medikamente gegen die Erreger unwirksam sind (Resistenzbildung).

Ich erklärte oft:
„Ich litt bereits zwei Mal an Dengue. Es gibt verschiedene Arten. Der nächste Stich könnte tödlich sein“.
Mowgli und Dick hörten sich meine Warnungen, wenn wieder ein Gitter offen blieb, reaktionslos an. Die Mücken mögen mein Farangblut. Sie, die Einheimischen, werden seltener gestochen.
Weil sich keiner um den Schutz bemühte, wurde ich unfreundlich und beendete in den letzten Wochen meine Sprüche mit:
„Hoffentlich sticht Euch die nächste Anopheles- (Tiger-) Mücke!“

Ende Oktober hatte ich extreme Muskelschmerzen. Wegen der Augen mied ich das Licht. Die Körpertemperatur war normal. Das liess mich an meine Dengue-Erlebnisse denken.
Mehrere Mücken beglückten mich.
Wenn ich überall sprayte und salbte, stachen mich die Viecher in die Finger. Es kann vorkommen, dass mein Uhren-Armband etwas locker auf der Haut liegt. Ein frecher Blutsauger benutzte die Gelegenheit und stach unter das Armband.
Es gibt verschiedenste Mücken Sprays. Unter vielen fand ich Citronella, auf der Basis von Zitronengras. Mit der Zeit gab es Hautreaktionen. Dann wechselte ich auf ein anderes Präparat. Dick hat zwei Parfums, die komischerweise und unbeabsichtigt Schutzwirkung zeigen.

Im Dorf grassiert gegenwärtig eine Dengue-Epidemie.
Seit vier Tagen hatte Mowgli hohes Fieber mit Schüttelfrost. Der erste Bluttest war ergebnislos. Fehldiagnose im Spital. Zwei Tage später wussten wir, es ist Dengue-Fieber.
Der Oberarzt war wütend, als er die Schludrigkeit der ersten Blut-Analyse entdeckte.
Das Distrikt Spital ist gegenwärtig voller Dengue Patienten. Wirksame Medikamente gibt es keine, ausser Paracetamol gegen das Fieber.

Im laufenden Jahr, bis zum 6. November 2013, seien in Thailand 129 Menschen an den Folgen von Dengue-Fieber gestorben. Insgesamt erkrankten 139’681 Menschen. Alle die Opfer, welche keine Ärzte sahen und alle die Ärzte die Dengue nicht diagnostizieren konnten, verfälschen die genauen Angaben, die man getrost mit 1,987 multiplizieren kann.

Ich gönne Mowgli die neue, schmerzhafte Erfahrung, denn in seiner Behausung installierten wir die sinnvollen Gitter vergeblich.
In spätestens vier Wochen vergisst er seine Krankheit und meine Hinweise. Der ermüdende Gitterkrieg wird fortgesetzt.
Moskito Gitter sind für die Einheimischen unnötiger Luxus. In vielen Häusern stehen mehrere Fernsehgeräte. Die paar Baht für Gitter fehlen. Und wenn man Gitter hätte, müsste man lernen, sie zu benutzen.
Gegen Mücken schützen in Hinterindien Amulette. Die holt man sich nicht in der Apotheke, sondern im Tempel. Die Gelbröcke dürften weder Amulette herstellen, segnen, noch verkaufen. Der Handel floriert. Die heiligen Dinger schützen nicht nur vor Mücken, sondern wirken ebenso gegen HIV, Mundgeruch und Verkehrsunfälle!

Norbert Blüm schrieb in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Oktober 2003:
„Die Pharmaindustrie gibt weltweit doppelt so viel Forschungsmittel im Kampf gegen Haarausfall und Erektionsschwächen aus wie gegen Malaria, Gelbfieber und Bilharziose. Das ist marktwirtschaftlich konsequent, denn die Kunden mit Erektionsschwächen und Haarausfall haben in der Regel mehr Kaufkraft als die Malaria- und Gelbfieberkranken.“

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Chikungunya-Virus
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Denguefieber
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Malaria
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Anopheles
(n) http://www.20min.ch/wissen/news/story/Tigermuecken-Eier-noerdlich-der-Alpen-nachgewiesen-10191306
(n) http://www.thailand-tip.com/nachrichten/news/thailand-droht-eine-der-groessten-dengue-fieber-epidemien/