Von Koch-Künstlern erschaffene Delikatessen in Hinterindien gehören zum Besten, was rund um den Globus an Speisen zubereitet werden kann.
Aber neunzig Prozent der Menschen sind mit sehr bescheidenen Produkten zufrieden. Bei ausgedehnten Reisen durch das Land lernten wir die überdurchschnittlich anspruchslosen Angebote kennen. Überall fanden wir zerkratzte Kunststoff Schalen und Teller. Die Zinken der dünnen Blechgabeln waren meist total verbogen. Formschöne Qualitätsbestecke aus rostfreiem Stahl würden einheimische Gäste als Souvenirs mitlaufen lassen. Wir nahmen auf ausgedehnten Reisen oft unsere eigenen Werkzeuge mit. Wackelnde Tische und beschädigte Stühle lenkten von der desolaten Qualität des Reises ab. Die Küchenbrigaden benutzten an Stelle von Motivation und Inspiration farbenfrohe Saucen aus unzähligen Flaschen, neben Unmengen von Zucker und noch mehr Ajinomoto, Mononatriumglutamat, MSG. Meine Küchenphilosophie, mein Motto lautet: Kein Ajinomoto!
Die Köchinnen und Betreuerinnen im Dorf kochten anfänglich gut und vor allem sauber. Ich hatte nie Bauchgrimmen nach den frisch zubereiteten Häppchen. Anders war die Verpflegung an Feiern und Festen. Die Frauen kochten und bruzzelten den ganzen Tag lang. Die sehenswerten Speisen an den sorgfältig aufgebauten Ständen waren alle kalt und verloren teilweise ihre Aromen. Die auswählenden Gäste waren wenig zimperlich bis gänzlich unerfahren. Süsspeisen wie Panettone und grüner Curry landeten im selben Teller! Schokolade paarte sich mit eisgekühltem Gemüse. Ausnahmen existierten. Zwei Kilogramm Schweinebraten, frisch von unserem Grill, überlebte jeweils knapp fünf Minuten.
Backpacker, deren kulinarischer Standard meist auf Currywurst und Verpflegung aus Schnellimbissketten beruht, finden die Garküchen an Strassenrändern als grossartige Höhepunkte menschlicher Ernährung in Thailand. (2) Unzählige Blogger beschreiben ihre Erfahrungen in Bangkok hemmungslos, Zitat:
… besuchten wir erneut einen Wok-Stand an der nächsten Strassenecke mit Blick auf einen Abfallberg, streunende Katzen, Ratten und den Geruch von Kanalisation und Abgasen. Das Essen war trotzdem super lecker.
Wenn wir zum Essen ausgehen, möchten wir mindestens so gut tafeln, wie es zu Hause üblich ist. Diese Ansprüche werden zunehmend schwieriger zu befriedigen, weil die angebotene Qualität unter den steigenden Lebensmittelpreisen leidet und viele Betriebe Preissteigerungen fürchten. Kunden könnten abgeschreckt werden.
Moo Manao, gegrilltes zartes Schweinefleisch an einer duftigen Limonen-Salatkreation – wie ein Blumengarten – reduzierte sich in einer unserer ehemaligen Stammkneipen zu gebratenen Hackfleischbällchen mit Chili und reichlich Dosen-Mayonnaise an welkem Grünzeug.
In unserer unmittelbaren Nähe gab es einige vorzügliche Restaurants. Die meisten mussten mangels Gästen aufgeben.
Kürzlich hatte Dick einen hervorragenden Lunch mit aussergewöhnlich schmackhaftem Reis, gebratenem Schweinefleisch, etwas Gemüse und ein halbes Ei mit wuchtig nuanciertem Eigelb, eher Eiorange, alles für vierzig Baht. Ich erklärte, für vierzig Baht könnten wir so etwas nicht herstellen und zur Strafe müssten wir zusätzlich abwaschen. Anstatt selbst zu kochen, sollten wir von diesen Angeboten profitieren. Beim nächsten Besuch war der Betrieb geschlossen. Bei zehntausend Baht Miete und zusätzlich vier Monatslöhnen für die Angestellten konnte der Besitzer mit seinen verkauften Speisen kein Geld verdienen. Wir hätten für diese Mahlzeit problemlos und gerne hundert Baht oder mehr bezahlt.
Aber ganz in der Nähe gab es ein Thai Restaurant mit einer Empfehlung von Trip Advisor.
Die Preise sind besser kalkuliert und wesentlich höher. Wir bestellten dort Reis, eine Hühnersuppe an Kokosnuss, Frühlingsrollen und frische hausgemachte Chiang Mai Wurst.
Die Suppe enthielt für meinen Gaumen zu viel Zwiebeln und Zucker. Die Frühlingsrollen, tiefgekühlt, vom Grossverteiler, wurden in heissem Öl getränkt, dann mit einer Schere geteilt. Ich ass schon Besseres. Diese frittierten Pergamentrollen fanden wir von Satun in Südthailand bis an den Mekong an der Nordgrenze. Die geschnittene fettriefende Wurst war nicht geniessbar. Dick entwickelte augenblicklich starken Brechreiz. Ich hatte einen widerlichen Geschmack im Mund und Angst vor einer Magenverstimmung. Wahrscheinlich war der Chef krank oder hatte einen Moped-Unfall. In der Not stellte man kurzerhand die Kloputzfrau in die Küche. Anders kann ich mir die Advisor Empfehlung nicht vorstellen.
Wir gingen einige Minuten, genossen die Abendbrise nach einem erfrischenden Regen und beschlossen, den üblen Geschmack mit einer Flasche Negro Amaro aus Apulien zu bekämpfen. (3) Weil ich selten trinke, ohne einen Bissen zu essen, bestellten wir dazu eine Portion Rauke, Rucola, mit geräucherter Entenbrust, Parmesan, Baumnüssen und Brot.
(1) http://www.tripadvisor.de/
(2) https://wahnsinnausdemwok.wordpress.com/2012/02/20/grund-nr-5-lebensmittelhygiene/
https://wahnsinnausdemwok.wordpress.com/2013/08/13/kambodscha-gourmet-teller-aus-der-veterinar-abtreibungsklinik/
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Negroamaro