Ausgang am frühen Abend

Eine Banküberweisung wartete. Nach sechs unlesbaren Formularen erstellte ich zu Hause nach einem Glas Maracuja mit viel Wachholder ein lesbares Blatt. Waren es die Vitamine oder der Alkohol? Es war eine Sternstunde angewandter Chemie, weil sich zu dem Zeitpunkt sämtliche Planeten am richtigen Ort befanden. In Satun beispielsweise wäre das gemischte Getränk nutzlos gewesen. Das ist mein Leben. Deines auch. Wahrsager, Kaffeesatzleserinnen und geldgierige Zigeunerinnen würden Dich gerne persönlich überzeugen – von der Allmacht des Glaubens an Scheissdreck. Die dürfte nach meinen neuesten Erkenntnissen weltweit proportional ähnlich verbreitet sein.

Wir fahren nicht zu Big C. Die Wartezeit in der Bank dürfte annähernd eine Stunde betragen. In Promenada müsste der Andrang weit geringer sein. Promenada ist ein überdimensioniertes Einkaufszentrum. Etwa dreissig Prozent der Ladenfläche fanden keine Mieter. Promenada lernte ich zwangsmässig kennen, denn die Chiang Mai Immigration befindet sich dort. Ich entdeckte ein kleines italienisches Restaurant. Die Köche kochen Spaghetti al dente – unglaublich! Nur meine Bolognese schmeckt mir besser. Die Cocktail Bar arbeitet nach Rezepten. Die Weine sind gut und preiswert. Die Bedienung ist vorbildlich.

Nach Fahrplan hätten wir um fünf in der Promenada ankommen sollen. Wegen des Gedränges auf der Strasse 108 wurde es halb sechs. Das Bankgeschäft wurde innerhalb fünf Minuten erledigt. Danach marschierten wir frohen Mutes nach Italien.
Die Cocktails mit der Vorspeise schmeckten. Der Hauptgang mit einer Flasche Primitivo aus Salento war bereits zuviel für uns alten Leute. Das stetige Befeuchten der Gurgel benötigte viel Zeit. Wir kauften in der Kneipe Gorgonzola und Würste. Danach suchten wir den Lift. Es war kurz nach neun Uhr. Die Lifte waren bereits ausser Betrieb! Promenada ist echte Provinz. Saufen vor fünf Uhr ist amtlich verboten. Nach neun musst du Treppen benutzen – ideal für den Rollstuhl.

Ein herbeigerufener Wachmann wies einen besonderen Weg. Wir fanden unseren Wagen und die exquisiten Würste landeten Minuten später ungestresst im Kühlschrank.

Heulen statt Wein(en)

Wir erlebten es. Wir wissen es. Zum Addieren von vierzig plus dreissig benutzen die reputierten Rechenkünstler Hinterindiens chinesische Elektronik.(*) Beim Prozentrechnen wird es noch schlimmer. Das ist höhere Wissenschaft, jedenfalls für hiesige Statistiker. Anders kann ich mir nicht vorstellen, wie eine Amtsstelle eine Jahresteuerung von 2,45 Prozent berechnen konnte.
Frische Waren, wie Gemüse, Kräuter, Eier und Früchte kaufen wir günstig direkt bei den Produzenten im Dorf. Dennoch besuchen wir Grossmärkte für Importe, für Teigwaren, Milchprodukte, Fleisch, Bier, Wein und Spirituosen. Wir kaufen aus Gewohnheit immer etwa dasselbe, seien es Mengen oder Artikel.
An der Kasse lege ich anstatt 12‘000 Baht, wie vor einem Jahr, nun 16‘000 Baht hin. Das sind nicht 2,45 %, sondern satte 25 Prozent. Nach klassischer Prozentrechnung sogar 33 Prozent mehr. Ich versuchte einen Kompromiss, eine Annäherung an exotische Berechnungsmodelle, nahm einen Viertel von 12’000 Baht und erhielt damit den Faktor 10 gegenüber dem amtlichen Ergebnis.
Durchschnittlicher Reis kostet anstatt 12 Baht gegenwärtig 22 Baht. Für importierten Basmati Reis bezahlen wir bis 90 Baht pro Kilogramm.
Manao, Limonen, Limetten kosteten früher einmal 30 bis 50 Baht per Kilogramm. Heute legt die Hausfrau pro Stück 8 bis 15 Baht hin. Diese Früchte sind bald teurer als Fleisch. Schweinefleisch mit Limetten wird zum Luxusartikel. (1) Die Fleischpreise erhöhten sich ebenfalls um rund zwanzig Prozent. Der Preis des eher seltenen roten Thunfischs stieg von 500 auf 670 Baht.
Koriander, Pak Chi, wird demnächst unerschwinglich teuer wie Safran, Crocus sativus. 0,3 Gramm der orangefarbigen Stempel-Fäden kosten 260 Baht. Pak Chi ist immer noch um zehner Potenzen günstiger. Der Preisanstieg von 25 auf 150 Baht ist dennoch nicht zu verachten. Ich rechne 60 Prozent, bedaure – das ist der Thaiwert – richtig sind 600 Prozent Teuerung – in einem Jahr.

Bei durchschnittlichen Weinen betragen die (ausser)ordentlichen Abgaben weit über 400 Prozent. 2,5 Euro Weine gehen für fast 700 Baht und mehr über die Theke.
Auf billigst Weine, wie Veter Pella und Konsorten, verzichten wir bewusst. Ein Insider berichtete mir:
Im LOS, üblicherweise Land Of Smile, gilt diesmal die Abkürzung für Land Of Sorcerers, Land der Zauberer. Die hohen Importabgaben werden trickreich umgangen. Die ober-faule Magie stammt von Zauberlehrlingen. (2,3)
Diese armseligen und anspruchslosen – um nicht betrügerisch zu verwenden – Gesöffe werden als konzentrierte, alkoholfreie Traubensäfte in Weinfabriken geliefert. Eines der gewinnbringenden Unternehmen gehört einem der grössten, echten Weinproduzenten Thailands. Im Betrieb werden die Konzentrate verdünnt und mit Alkohol versetzt. Die Pantscherei wird bei 8,5 Volumenprozent in Flaschen abgefüllt, etikettiert, beispielsweise mit: „Fruity Rosé, White Zinfandel, Californian Wine“, erfolgreich vermarktet. Zum Heulen, aber nicht zum Trinken.Zinfandel1 Anmerkungen:
Zinfandel wird in Italien Primitivo genannt. Es ist eine rote Rebsorte. Zinfandel-/Primitivo-Weine erreichen wegen des hohen Zuckergehalts der Beeren hohe Alkoholwerte von 13 bis 15 Volumenprozent.

(*) Reputation hilft strategisch vorteilhafter zu kalkulieren und zu erwägen, wie sich jemand zukünftig verhalten wird. Die Berechenbarkeit hat den Vorteil, dass Entscheidungen erleichtert werden und damit Aufwand eingespart wird.

(1) http://www.chefkoch.de/rs/s0/schweinefilet+a+limone/Rezepte.html
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberlehrling
(3) https://www.unix-ag.uni-kl.de/~conrad/lyrics/zauber.html