Extreme Natureinflüsse in schwierigen Lebenslagen

Vor unserer Abreise besuchte mich wahrscheinlich eine saugfreudige Tigermücke in Satun und stach ungeniert zu. Während der Fahrt litt ich nach einer Woche an Symptomen eines Tropenfiebers. Die Armmuskeln wurden zeitweise durch kräftige Faust- und Fuss-schläge eines unsichtbaren Thaiboxers zermürbt. Gleichzeitig erzitterte ich an kurzen, jedoch heftigen Fieberschüben. Mühsam verteidigte ich im Halb-Delirium den Sitzplatz gegen das finale Abrutschen.
Wir hatten ein angenehmes Hotel in Nakhon Pathom. Das Restaurant bot neben süffigem Prosecco, aromatische Sezuan Süppchen, das zarteste Rindfleisch Hong-Kong zwischen Malaysia und Laos an.
Der Herr Oberkellner, ein hirnloser Dressman mit tadelloser Haarpflege, liess den Korken in meiner Rückengegend knallen. Mein rechter Arm zitterte durch die unnötige Artillerieübung derart gereizt, dass ich den Sprudel kaum degustieren konnte. Für wenige Sekunden verzauberten italienische Träume mein Fortsein.
Glücklicherweise wurden die Speisen von in rote Cheongsam, 長衫, gekleideten Frauen dargereicht, so dass wir den Flaschenmisshandler, Korkenschänder und Weinbanausen vergessen durften.

Das Fieber-Thermometer bestätigte meine Vermutung. Das Blut im Urin flüsterte einen Namen, der mir geläufig war: Dengue.
Seit der Operation in Chunphon schluckte ich täglich Antibiotika gegen bakterielle Infekte. Tropenfieber werden durch Viren ausgelöst. Antibiotika hilft nicht. Dagegen wirkt Tylenol fiebersenkend und lindert Schmerzen.
Die Nacht bot mit Tylenol gute Erholung. Das nächste Ziel Nakhon Sawan, war nicht zu weit entfernt. Wir konnten über die Strassen 321, später die 340, die mit reichlich Verkehr verstopfte AH2 meiden. In der Gegend nördlich von Suphan Buri werden entlang der Strasse oft gute Trauben angeboten. Wir hatten Glück und gönnten uns ein Kilogramm Beeren.
Mein Auge hing an der Uhr. Ich zählte die Sekunden bis zum Ziel. Krank auf Langstrecke war kein Vergnügen, eher Folter. Ich litt wirklich. Als ich beinahe kraftlos ins Bett rollte, knallte es laut im rechten Bein. Irgend etwas brach. Geschwollene Schenkel und Fuss bestätigten die Vermutung am nächsten Morgen.
Was fehlte zum vollständigen Glück? Ein Rahmenbruch am Rollstuhl oder eine Dynamitstange in einem finsteren Stollen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Cheongsam

Herbsttage

Freund Herbert sandte ein Mail mit dem Titel Festtage. Mein überschnelles Gedächtnis schuf aus Herbert und Festtage: Herbsttage. Genauso fühle und empfinde ich. Nach unserer ersten Reise-Etappe von Chiang Mai nach Phitsanulok im November, bestellte ich zum vorzüglichen Essen einen anständigen Wein.
Die Schwierigkeit war, ich konnte mit meinen Gelenkschäden in Armen und Händen die Öffnung des künstlerisch im Neo-barock geformten Glases nicht an meinen Mund führen. Pablo Picasso hätte mich entsprechend porträtieren können. Das Weinglas klapperte aufgeregt und äusserst laut an meinen Augengläsern. Trinken konnte ich nach den Anstrengungen der Reise zunächst nicht.
Mit kürzeren Etappen und weniger Anstrengungen verminderten sich dann die Leiden. Es dauerte einen Monat, bis ich mich annähernd erholt hatte.
Aber wenn der säuselnde Wind eine Türe zuknallt oder wenn die fleissige Dick einen Löffel fallen lässt, dann ist endgültig Feierabend. Ich kann Laptop, Ultra-Book oder Smartphone nicht mehr bedienen. Beim Zeitungslesen lösche ich dauernd Inhalte. Google entdeckt dann verräterisches Verhalten der Seiten des Laptops und möchte Sicherheitstests durchführen. Der einzige Unsicherheitsfaktor bin ich.

Meine Zukunft wurde zur Vergangenheit. Ich mag kaum mehr kämpfen. Hier bedeutet aber das Leben Kampf. Kampf für anständiges Futter, gegen Verleumdung, für Gerechtigkeit, für Gesundheit und Kampf für kleinste Freiheiten.
Wir kauften innerhalb der letzten zwei Monate „orinetalische“ Wai Wai Nudel-Suppen. Ein Verfalldatum auf dem zwölf Portionen Beutel suchten wir vergeblich. Das Pulver in den Verpackungen sind verklebte Monoblöcke. Das Palm-Öl in den Beutelchen ist ranzig! Konsumentenschutz ist ein Fremdwort.
Die Militärdiktatur billigte am 16. Dezember ein Gesetz über sogenannte Computerverbrechen. Es erlaubt, Internetinhalte selbst dann zu verurteilen, wenn sie nicht direkt illegal sind, sondern lediglich gegen die öffentliche Moral verstoßen. Gegenseitige Bespitzelung wird gefördert.
General Prayuth hält bezüglich Moral und der Internetzensur jedoch an seiner Linie fest: Gute Moral ist Frieden, Ordnung und nationale Sicherheit. Innerhalb der Verwandtschaft gelten seine strengen Massstäbe nicht. Da riskierten in den vergangenen Tagen und Monaten mehrere mutige Journalisten ihre Freiheit.

Praktisch jeder 7/11 Laden im Norden hat eine grössere Auswahl an Medikamenten als sogenannte Apotheken in Satun. Wir versuchten Medikamente, von Antibiotika über Heftpflaster bis Stuhlzäpfchen, zu kaufen. Glyzerin ja, Dulcolax nein. Andere Medizin war verschreibungspflichtig durch Fach-Ärzte. Heisst das, ein Augenarzt darf keine Stuhlzäpfchen verschreiben?
Dick sagte:
“Kein Problem, wir besuchen einen Arzt und bringen den Schein.“
Die Apothekerin antwortete:
„Das hilft Ihnen leider nicht. Keine Apotheke in Satun wird dieses Medikament verkaufen!“
Ohne weitere erfolgslose Diskussionen bestellten wir im Norden.
Auf genehmigungspflichtige Schmerzmittel muss ich in Satun verzichten. Dagegen wären harte Drogen einfach zu beschaffen.

Bedingt durch meine Schwächen, sie nehmen eher zu als ab, wird es mir kaum mehr möglich sein, meine Familie, die Grosskinder und die Schwester in der Schweiz zu besuchen. Ist das meine einzige verheissungsvolle Zukunft? Werde ich noch einmal den Mut aufbringen, in wenigen Wochen mit der Fähre nach Langkawi zu reisen?
ruhestaette-ranot
Zuvor fahren wir in einen Tempel, möglicherweise zum Wat Chanathipchaloem. Dort suche ich für meine verspätete Abschieds-Reise einen verschnörkelten südlichen Grabstein aus. Die gefallen mir bedeutend besser, als die Legionen von Geisterhäuschen des Nordens.

Zur feierlichen Verabschiedung des vergangenen Jahres fanden wir einen Prosecco. Mögen die Bläschen perlend in unsere Köpfe aufsteigen und es leicht machen, uns gegen erneute Tiefschläge schützen, denn die Zukunft ist bestimmt nicht nur Zuckerschlecken.
Ihnen wünschen wir mehr als Blasen in ihren Denkmaschinen! Ach, die benutzen Sie kaum mehr. Sie haben jetzt 4G, LTE, Smartphones!
Prosit Neujahr!

Das Haus bei den Kuhreihern

Die Klimaanlagen von Schlaf- und Wohnzimmer wurden scheinbar vom Schänder des frostig kalten Kühlschranks – sogar der Salat gefror in der Gemüseablage – bearbeitet. Auf zwanzig Grad eingestellt, blasen die Geräte genauso eisig, wie bei gewählten dreissig Grad. Der Spezialist für unsachgemässe Billigstreparaturen, überbrückte einfach die Sensorregelungen. Solche Kälte ertragen weder Gemüse noch ich selbst.
Sämtliche Diskussionen mit Hausbesitzern erübrigen sich. Als Dick eine tropfende Dusche bemängelte, meinte unsere Lady charmant aber bestimmt: „Lass es tropfen“. Sie bezahlt weder Wasser noch Strom. Nach dem Entfernen von sinnlosen Teflon-Bändern aus Kunststoffgewinden war alles dicht. Die Unterschiede zwischen verschiedenem Material und dessen Verhalten, sind bis auf Lao Khao und Scotch, weitgehend unbekannt. Nun gehöre ich wieder zu den erfolgreichen Denkern und Dichtern!Kuhreiher
Das grösste Problem ist die Mikrobiologie. Könnten Sonnenstrahlen die Zimmer ausleuchten, würden viele Bakterien und Sporen durch die ultraviolette Strahlung eliminiert. Nach über fünf Jahren Ruhe, erlitt ich wieder einen Harnwegsinfekt. Schüttelfrost und Bauchschmerzen peinigten mich.
Die dunkelblauen Toiletten verhinderten die Beobachtung einer allfälligen Trübung des Urins im Frühstadium. In unser Spital wollte ich nicht. Der erste Eindruck anfangs November und entsprechend fragwürdige Aussagen des Pflegepersonals, liessen Zweifel spriessen.

Ich sagte mir, dass ich wohl keinen superresistenten, sämtliche Medikamente verhöhnenden Bakterienstamm gezüchtet hätte. Ich sei ein Opfer der lokalen Flora und Fauna des Hauses, einer Strassenköter-Mischung relativ harmloser Bakterien.
Gleichzeitig beschimpfte ich mich selbst, weil ich im ungünstigen Klima nicht genug Vorsicht walten liess.
Ich notierte zwei verschiedene Antibiotika und sandte Dick mit zweitausend Baht in die nächste Apotheke. Das Medikament kostete vierzig Baht für fünf Tage Behandlung. Meine Überlegungen erwiesen sich als richtig. Nun träume ich von perlendem Prosecco auf Langkawi. Der schluckt sich angenehmer, als Apfelessig in den Morgenstunden. BakterienPilze2
Der einzige Aufbewahrungsort benutzter Gläser ist der Kühlschrank. In Chiang Mai hielt ein Schluck Feuerwasser Insekten vom Genuss süsser Getränke ab. Hier schlürfen Säufer-Ameisen sogar den stark gezuckerten, vierzig prozentigen Hong Thong. Das Angebot in den Tante Emma Läden ist darauf beschränkt. Anderen Schnaps kaufen die Südstaatler des Ortes offenkundig nicht.

Geschirr abtrocknen erübrigt sich, denn die Geschirr-Tücher sind nach kurzer Zeit überbevölkerte Quartiere für Bakterien und Pilze. Ich kann diese Mikroorganismen – respektive deren Orgasmen – riechen, aber nicht sehen.
Seit Dienstag, dem Dreizehnten, haben wir eine wirksame Waffe gegen den Mief. Eine Maschine, die von lauwarm bis heiss wäscht. Sogar Kochwäsche würde die Maschine verarbeiten, doch ist das nicht zu empfehlen. Das heisse Wasser würde die Abwasserleitung zerstören.