Klein-Rallen überleben Katzenkrallen

In Thailand soll es hunderttausende streunende Hunde geben. Teilweise haben sie Tollwut. Katzen gibt es noch mehr. Sie sind durch nichts aufzuhalten. Sie überspringen die üblichen Abgrenzungsmauern. Ausser Pythons und Motorfahrzeugen haben sie keine natürlichen Feinde. Im warmen Klima benötigen sie den Schutz der Menschen und von Häusern für ihre Nester nicht.
Täglich finden wir im Garten Federn erlegter gefiederter Freunde. Warum konzentrieren sich die Miezen nicht auf Mäuse und Ratten. Nager gibt es mehr als genug im Dorf. Handelten Katzen Verträge mit den Schlangen aus? Vögel sind eventuell besser verträglich, als Mäuse und Ratten aus Mief und Schmutz mit all der verdorbenen Nahrung.
Deshalb war ich pessimistisch für die Zukunft der Rallen als Bodenbrüter. Aber die Vögel verhielten sich äusserst geschickt. Beim Füttern tarnten sich die Altvögel. Sie flogen gedeckt durch Bananenstauden und Mauerwerk. Sie vermieden das Fliegen im freien Gelände. Während Wochen sah ich sie nur selten. Die Jungen versteckten sich wechselnd in niederem, dichtem Bambusgebüsch. Währen mindestens einer Woche waren die Rallen spurlos verschwunden.
Vor vier Tagen sah ich die Küken am grossen Teich. Sie waren immer noch schwarz gefärbt, hatten etwa die Grösse von Amseln und flogen übungsweise auf ein Mäuerchen. Dazwischen pickten sie im Gras nach Futter.
Tags darauf herrschte im Bananengarten des Nachbarn ein unglaublicher Lärm und ohrenbetäubendes Gezwitscher. Die Alt-Rallen riefen ihre im Dickicht versteckten Küken. Diese flogen auf ein Blechdach. Katzen und Amseln bewegen sich auf dem Blech unhörbar. Die jungen Rallen lärmten und polterten mit ihren für Sumpfgelände ausgelegten Füssen auf dem Wellblech herum. Künstler wie Jelly Roll Morton oder Scott Joplin hätten nach dieser Darbietung den Original LanNa Rallen Tin Roof Step komponiert. (1,2)
Das Fotografieren der durch dichtes Blattwerk geschützten Vögel hätte wenig gebracht. Dann hatte ich die Idee, die Lockrufe aufzunehmen. Ich bin Berner, das heisst, ich bin geborener Spätzünder. Während drei Tagen war ich bereit, den Gesang der Rallen und den Step Tanz akustisch zu verbreiten. Die Gelegenheit war endgültig verpasst. Die Vögel kamen nicht mehr zurück.

(1) https://en.wikipedia.org/wiki/Jelly_Roll_Morton
(1) https://www.youtube.com/watch?v=4n20U8hWHSE
(2) https://en.wikipedia.org/wiki/Scott_Joplin
(2) https://www.youtube.com/watch?v=pMAtL7n_-rc
Ich fand ihn. den Tin Roof Blues mit Kid Ory
(v) https://www.youtube.com/watch?v=fHmYLR4Qa-4

Pfefferkorn rettet Rallen

Unser kleiner Garten-Dschungel bietet Wohnraum für viele Tiere. Die seltensten Bewohner waren die roten Panda. Nachbar Kleptomanewitsch frass sie. (1) Zahlreiche Vögel brüten. Sie haben es schwer mit der Aufzucht des Nachwuchses. Es gibt halbwilde Katzen im Dorf. Mäuerchen von hundertsechzig Zentimetern überqueren sie leicht. Schlangen winden sich im Geäst der Bäume. Eine Art Eichhörnchen, eine ganze Sippe, springen von Baum zu Baum oder rasen die Stämme hoch, klauen sich frech ein Frühstücksei oder zwei aus einem Nest.
Eisvögel holten sich Fischlein aus dem Teich. Fisch-Reiher fingen Zwerg-Welse von zwanzig Zentimetern Länge. Eine Taube erstickte an einem kürzeren Fisch. Ein dichter Pflanzenteppich schützt nun die Fische vor den grossen Fliegern. Die Eisvögel richten kaum Schäden an. Blütenpracht Gartendschungel
Vor einigen Wochen beobachtete ich zwei neue, seltene mittelgrosse Gäste mit weisser Brust und dunkeln Federkleidern im Garten. Vom stolzen Gang her erinnerten sie mich an die Kraniche auf Labuan. (2) Es sind Rallen, Rallidae, eine Familie der Kranichvögel, Gruiformes. Je nach wissenschaftlicher Auffassung gibt es zwischen 131 und 165 Arten. Rallen werden in drei Unterfamilien geteilt: Die „echten“ Rallen, Rallinae, die Teich- und Sumpfhühner, Gallinulinae und die Blässhühner, Fulicinae.
‘Unsere‘ Vögel sind sehr scheu. Trotzdem beobachtete ich, wie sie Material zum Nisten in den Garten brachten. Das Nest selbst sah ich nie.
Eines Mittags dachte ich, Dicks Mutter schneide Gemüse in einem Höllen-Tempo auf einem Holzbrett. Ich wusste, es war unmöglich für die Alte und schaute prüfend zum Fenster hinaus. Auf der Mauer sass eine Ralle und warnte mit dem durchdringenden Hackgeräusch. Der zweite Vogel hüpfte mutig vor einer Katze und lockte sie, die Gefahr missachtend, offenbar vom Nest weg. Diese Rallen brüten am Boden. Der Vogel hopste gemächlich zum Teich. Die hinterhältige Katze oder der ungestiefelte Kater verfolgte ihn geschmeidig. Die Ralle bewegte sich dann vorsichtig Schritt für Schritt unerreichbar über die Schwimmpflanzen. Die Katze zuckte am Ufer nervös mit dem Schwanz und riss vergeblich den Schlund weit auf. Alleine, ohne Hilfe, getraute ich mich nicht in den Garten, um den unerwünschten Eindringling zu vertreiben. Dick war irgendwo unterwegs.

Pfefferkörner haben ungefähr viereinhalb Millimeter Durchmesser. Ich besuchte die Küche. Dort schluckte ich einen wohldosierten Schnaps gegen die Schmerzen und das Zittern in den Händen. Weiter benötigte ich einige getrocknete Pfefferkörner aus biologischem Anbau und die Luftpistole „Made in Germany“. Schwer bewaffnet schlich ich ins Schlafzimmer. Die Mieze lungerte immer noch am Teich und lugte nur auf den langbeinigen Vogel. Lautlos öffnete ich das Mückengitter.
Ein Knall, ein Pfefferkorn grub sich in das Fell der Katze. Wie von Kugeln getroffene Darsteller in Western-Filmen, sprang sie in die Luft und verschwand danach blitzschnell.
Die Vögel dankten. Vor einigen Tagen sah ich Familie Ralle im hohen Gras in Begleitung von drei pechschwarzen, flauschigen Federknäueln, den Küken.

Leider gibt es noch keine Bilder der Vögel. Nur als vielarmiger indischer Gott hätte ich gleichzeitig schiessen und fotografieren können.

(1) https://hinterindien.com/2013/10/21/skandal-kleptomanewitsch-frisst-feuerfuchs/
(2) https://hinterindien.com/2013/05/16/schillerndes-labuan/

20. Sep. 19 00: Die Jungvögel leben noch.