Für Fern-Flüge: Flieger von Short Brothers

Gibt es Literatur, Romane oder Berichte über Reisen nach Singapur und Australien mit Imperial Airways? Warum schrieb Agatha Christie “Mord im Orientexpress“, wenn Flugapparate bloss hundert Kilometer entfernt von ihrer einstigen Haustüre in Torquay Richtung Indien starteten? Herkules Weichbirne hätte, um aus dreizehn redlichen Fluggästen den potentiellen Killer zu ermitteln, fast eine Woche Zeit gehabt. Oder war der heimtückische Mörder doch ein Mitglied der Besatzung?
Aber die Grande Dame krimineller Eitelkeiten, die Souffleuse des Giftmordes, zog profanen Schienenverkehr modernem Fluggerät vor.

Die fünfzehn Flugpassagiere lernten sich vielleicht schon in der Bahn zwischen London und Southampton kennen. Unter Umständen beim standesgemässen Dinieren im South Western Hotel, spätestens im Kahn, der die Reisenden nach vier Uhr morgens zum Flugboot brachte.
Sie bestiegen eine dreimotorige Maschine des Typs Calcutta, Short S. 8. Es war das erste Flugboot mit einer Metallhülle. Die zwei Piloten sassen in einem offenen Cockpit. Nur der Radio-Operator – der Funker, er benutzte kommerzielle Radiostationen als Navigationsinstrumente, sass in der Kabine bei den Passagieren.
Sie waren eine Schicksalsgemeinschaft für Stunden und Tage. Während die Damen mit klammen Fingern zu stricken oder häkeln versuchten, widmeten sich die Herren rauchend dem Kartenspiel. Als Zeitvertreib dienten möglicherweise Bücher, unter Umständen einer der zehn Kriminalromane von Christie, die bis 1930 erschienen. Insgesamt schrieb Agatha 66 Kriminalromane. Schätzungsweise wurden von Christie über zwei Milliarden Bücher verkauft. Damit ist sie erfolgreicher als Lows ‘Hinterindien‘.

Short Calcutta

Short Calcutta

Die fliegende Unterkunft war 20 Meter lang und sieben Meter hoch. Die Spannweite der Flügel betrug 28 Meter. Die beiden Tragflächen umfassten 170 Quadratmeter. Das Leergewicht betrug knapp 6‘300 Kilogramm. Die maximale Zuladung wie Personen, Gepäck, Treibstoff, Stricknadeln, Zigaretten und Zigarren, waren 4‘000 Kilogramm.
Jeder der drei Bristol Jupiter Motoren entwickelte 540 PS, 403 kW. (5) Sie erlaubten eine Höchstgeschwindigkeit von 190 Kilometern pro Stunde. Die Reisegeschwindigkeit erreichte ohne Gegenwind 156 km/h. Die Reichweite betrug bei gutem Wetter 1‘000 Kilometer.

Ab 1931 flog die etwas grössere, viermotorige Short S. 17 Kent. (4)
Der Rumpf bestand aus Duraluminium und rostfreiem Stahl. Die Tragflächen waren mit Stoff bespannte Metallkonstruktionen. Die Kabine verfügte über Toilette, Waschraum und Küche. Die Piloten arbeiteten in einem geschlossenen Cockpit. Hinter ihnen war der Platz des Funkers.
Die Besatzung vergrösserte sich mit 15 Passagieren auf 4 Mann. Die Maschine war 5 Meter länger. Die Spannweite erreichte 34 Meter, bei Tragflächen von 245 Quadratmetern. Das Leergewicht betrug 9‘290 Kilogramm. 5‘200 Kilogramm Ladung waren zulässig.

Bequemer und schneller wurden die Flüge ab 1938 mit den Eindecker-Flugbooten der Empire Klasse, Short S. 23. Die Motorleistung erhöhte sich mit Bristol Pegasus Triebwerken auf 4 x 910 PS, 680 kW. Das Leergewicht der Maschinen betrug 11‘121 Kilogramm. Die Zuladung lag bei über 7’000 Kilogramm, inklusive 5 Mann Besatzung mit 17 Passagieren. Die Kabine hatte zwei Toiletten!
Der Aktionsradius war bei gutem Wetter 1‘300 Kilometer. Die Reisegeschwindigkeit steigerte sich auf 264 km/h. (6)

Warum haben heutige sogenannte Grossraumflugzeuge weniger Beinfreiheit, als seinerzeit die Brummer der Short Brothers? Ach ja, ich vergass den Preis.

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Agatha_Christie
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Werke_von_Agatha_Christie
(3) http://en.wikipedia.org/wiki/Short_S.8_ Calcutta
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Short_S.17
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Bristol_Jupiter
(6) http://www.airwaysmuseum.com/Shorts%20S23%20G-AETX%20@%20Rose%20Bay.htm
FILM:
(6) http://www.britishpathe.com/video/flying-boat-sydney-aka-new-empire-flying-boat-leav

Frühe Flugreisen nach Hinterindien

Die Entwicklung der Luftfahrt, angefangen mit der Sage von Dädalus und Ikarus, ist unterhaltsamer als die meisten Kriminalromane. Ich schmückte das Thema nicht mit Details aus und beschränkte mich auf die Verbindungen mit Hinterindien. Liebhaber finden in den Links weitere Informationen.

Nach dem 1. Weltkrieg schuf Grossbritannien neue Verkehrsverbindungen in seine entfernten Kolonien.
Aus den Firmen British Marine Air Navigation, Daimler Airway, Handley Page Transport und Instone Air Line entstand 1924 Imperial Airways. Die verwendeten Maschinen, teilweise Doppeldecker, waren schwerfällig und mit 100 mph langsam. Sie flogen in geringer Höhe, denn sie hatten keine Druckkabinen. Unter den Wolken waren Maschinen und Menschen Unwettern ausgeliefert. Die Motoren erzeugten nicht nur Vortrieb, sondern viel Lärm.
Die fliegenden Kisten aus Holz und textilen Materialien waren alles andere als tropentauglich. Innerhalb weniger Jahre ersetzten stromlinienförmige Maschinen aus Metall die filigranen Flieger. Aber noch lange hielten sich viermotorige Doppeldecker der Firma Short Brothers in der Luft und auf dem Wasser. Als 1929 die italienische Regierung die Häfen in Italien und ihren nordafrikanischen Kolonien für britische Flugzeuge schloss, benötigte Imperial Airways ein Flugboot, das ohne Zwischenlandung von Mirabella auf Kreta bis nach Alexandria fliegen konnte. Im Oktober 1930 begann Short mit dem Bau der S.17 Kent. 5E short
1934 erreichten die Kolosse unglaubliche Geschwindigkeiten von 140 bis 200 mph.
5 Mann Besatzung beförderten 17 Passagiere. Das Gewicht der Maschinen betrug 20 Tonnen, inklusive 2 Tonnen Fracht. Vier Pegasus Motoren mit je 920 PS, 690 kW, trieben die Flugboote vorwärts.
Singapur, ja sogar Australien wurden regulär angeflogen. Der Jungfernflug von London nach Singapore erfolgte am 9. Dezember 1933. Das Reislein nach Singapore kostete umgerechnet 18‘000 $. Imperial Airways überlebte dank Zuschüssen der Regierung.

Imperial Airways – Flugboote, Zeitplan von 1939
Jede Tages-Etappe hatte Zwischenlandungen. Ich führte sie nur für den 1. Tag auf.
Übernachtet wurde in Hotels. Mit einer Bahnreise begann die erste Etappe von London nach Southampton.
AAA AA3

Wasserten die Flugboote in Bangkok vor dem Oriental-Hotel? Das muss ein unvorstellbares Spektakel gewesen sein.

Die Flüge gingen weiter über insgesamt 12945 Meilen, bis nach Sidney.
Ende 1930 arbeiteten 3000 Besatzungsmitglieder für Imperial. In den dreissiger Jahren beförderten Imperial ungefähr 50‘000 Passgiere.

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete die weltweite Zivilluftfahrt (für die Reichen und die Schönen). Imperial Airways fusionierte mit British Airways im Jahr 1939. Daraus entstand die British Overseas Airway Corporation, BOAC .
Von nun an beherrschten für Jahre Sturzkampfbomber, Spitfire, Mitsubishi Zero, Messerschmitt und fliegende Festungen den Luftraum.

(Flugboot) http://en.wikipedia.org/wiki/Short_Empire
(Short Bothers) http://de.wikipedia.org/wiki/Short_Brothers_(Flugzeughersteller)
(Imperial) http://paleofuture.gizmodo.com/what-international-air-travel-was-like-in-the-1930s-1471258414#
(Imperial) http://en.wikipedia.org/wiki/Imperial_Airways
(t) http://www.seawings.co.uk/images/EmpireProfilebookgal/Flying%20Empires%20Book.pdf
(Bilder) http://www.britishairways.com/travel/photos-1930-1939/public/en_gb
(Flugpläne) http://www.timetableimages.com/ttimages/iaw.htm
Film:
1924 Imperial Airways at Croydon
)F) http://www.youtube.com/watch?v=-VE4ukEHuKo
Short Kent Flying Boat
(F) http://www.youtube.com/watch?v=PmuNQXst6nI

(j) http://de.wikipedia.org/wiki/Mitsubishi_A6M
(d) http://de.wikipedia.org/wiki/Messerschmitt_AG

Fortsetzung folgt