Der Hammer

Kurzfassung für schnelle Überflieger: Die Getroffene liegt seit Wochen im Koma.

Ohne mein Wissen schaffte Mowgli vier Prüfungen gegen jeweils etwa vierhundert Mitbewerber und trat darauf eine technische Ausbildung an. Die seinerzeitige sture, mehrfache Abschreiberei entfiel. Die Lehrer sind offenbar Techniker und Ingenieure. Mowgli freute sich täglich auf den Schulbesuch.
Er kam und stellte Fragen zum Ohmschen Gesetz. (1) Ich entschied mich, ihn wieder zu unterrichten.
Bald ärgerte mich der Lehrplan. Die meisten jungen Herren begriffen die einfachsten Formeln noch nicht, als bereits über Widerstände mit nichtlinearen Eigenschaften, wie Kondensatoren und Spulen doziert wurde. Das brachte die Denkweise der Anfänger komplett durcheinander.
Wenn zwei gleiche Widerstände R in Serie liegen, das heisst hinter einander geschaltet sind, verdoppelt sich der Wert. Bei Kondensatoren C dagegen halbiert sich die Kapazität, während der Widerstand frequenzabhängig ist.Orchid Mit meiner Unterstützung umschiffte er diese Klippen. Die Lehrer wunderten sich und fragten, warum ein solch begabter Schüler keine technische Universität besuche.
Die Schule legt Wert auf praktische Arbeiten. Neben angewandter Messtechnik, übten die Burschen die Stahlbearbeitung. Sie durften pro Woche einen halben Tag an einem Hammer feilen.
Das Feilen von Stahl ist eine beschwerliche Arbeit. Fortschritte sind nicht nach Sekunden sichtbar. Das Abtragen von Material mit gehärteten Werkzeugen, erfordert Kraft, Präzision und Ausdauer. Diese Eigenschaften suchen Farang bei vielen Thais vergeblich.
Von achtzehn Teilnehmern ersetzte die Hälfte das schweisstreibende Feilen durch schummrige Karaoke-Sausen mit Freundinnen in einschlägigen Lokalitäten von Chiang Mai und Umgebung. (Karaoke hiess seiner Zeit: Wein, Weib und Gesang!)
Für wenige Baht machte Mowgli Überstunden und feilte Hämmer für die Konkurrenz.
Einige der Burschen machten ihre Hausaufgaben nie, oder wegen Trunkenheit und Drogen selten. Unverschämt und frech, ihre einzigen Tugenden, bedrohten sie Mowgli und kopierten seine Arbeiten.
Die Kleinklasse von achtzehn Schülern reduzierte sich nach dem ersten Semester auf dreizehn. Ein Lehrer äusserte sich am Telefon, wenn drei Schüler einen erfolgreichen Abschluss schafften, wären sie zufrieden. Würfel Kopftraining. Jeder Widerstand hat 100 Ohm. Gesamtwiderstand?

Nach Wochen fragte ich Mowgli, ob er mir den gefeilten Hammer zeigen würde. Er holte
das edle Stück. Es war in ein Tuch gewickelt. Gegen den Rat seiner Mutter, ölte oder fettete er den Stahl nicht ein. Bedingt durch die hohe Feuchtigkeit, präsentierte er einen Rostklumpen.
Ich zeigte ihm, wie er mit Schmirgeltuch den Rost entfernen und gleichzeitig Kratzspuren vom Feilen auspolieren konnte. Leider waren meine Vorräte begrenzt. Ich bat ihn, er solle einige Bogen im Geschäft an der Hauptstrasse besorgen, während ich sein Werk genau betrachtete. Es war kein Meisterstück, wie sie vor Jahrzehnten in der Schweiz gefertigt wurden. Eigentliche Flächen wiesen gewölbte Verformungen auf, sie waren bombiert. Die Bohrung für den Stiel erfolgte ohne Überlegung. In das Löchlein passte ein grobes Essstäbchen.

Ich sass auf der Veranda, als nach einer halben Stunde ein Moped am Eingang stoppte.
Es war Mowgli. Er lieh sich das Gefährt problemlos und fuhr landesüblich ohne Helm und Ausweis.
Ich wurde stocksauer. Mowgli, der kein Fahrrad unfallfrei benutzen konnte, fuhr Moped.
Ich erklärte ihm mögliche Gefahren, die finanziellen Folgen eines Unfalles und erwähnte, er benötige einen Führerschein.
Meine Hinweise betrachtete er als Schikane. Mein Schüler bestrafte mich und zeigte an unseren gemeinsamen Arbeiten kein Interesse mehr, kam verspätet zum Unterricht und löste keine Probleme mehr. Bereits früher benutzte er zur Machtdemonstration ähnliche Tricks. Darauf beurlaubte ich mich.
Mowgli verbrachte eine Woche seiner Schulferien auf dem Verkehrsamt. Als stolzer Eigentümer eines Ausweises – das halbe Dorf fährt ohne Bewilligungen – wünschte er sich die Fortsetzung meiner Hilfeleistungen. Darauf darf er lange warten.

Das fertige Werkzeug musste er dem Fachlehrer abgeben. In der Schule wird gestohlen. Einige Tage später fand der Herr Lehrer Mowglis Werk nicht mehr. Stahlhart sagte der Lehrer: „Ohne Hammer keine Punkte, Diskussion überflüssig“.
Verzweifelt telefonierte Mowgli seiner Mutter.
„Geh ins Geschäft, kauf einen Hammer ohne Prägung ‘Made in China‘, entferne verräterische Kleber und gib das Ding deinem Lehrer.“
Dieser Hammer wurde akzeptiert. Mowgli erhielt seine Punkte.

An derselben Schule schlug ein 16 jähriges Mädchen ihrer fleissigen und begabten Freundin aus Eifersucht mit einem Hammer auf den Kopf. Die Getroffene liegt seit Wochen im Koma.

(a) http://de.wikipedia.org/wiki/Hammer
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Ohmsches_Gesetz
If I had a hammer
(song) http://www.youtube.com/watch?v=VaWl2lA7968

Neujahr

Neues Jahr

wünsche ich allen Leserinnen und Lesern,
den wenigen Freunden
und den lieben Angehörigen in der Ferne.

Das Bild wurde nicht auf einer Schrotthalde, sondern auf dem Parkplatz der Central Airport Plaza in Chiang Mai, am 24. Dezember 2012, aufgenommen. Die höchst bewundernswürdige Karosserie-Reparatur stammt aus einem kaum ISO qualiltäts-zertifiziertem Hinterhofbetrieb, wie ich ihn in http://wp.me/p2ljyL-xw erwähnte. Auf  Menschen übertragen, entspricht das in etwa dem auf Paracetamolstandard basierenden, allgemeinen Gesundheitswesen.

Metallbügelsägen

Zu Songkran keine fünf Baht Geschichte,    März 2012 

Mit einem Automobil könnte man üblicherweise leicht von A nach B fahren. Wenn ein Nachbar Schulden nicht zurückzahlen will, oder missliebig auffällt, könnte man ihn mit einem Fahrzeug schuldlos umbringen, –  besonders dann, wenn man ihm vorher einige Flaschen Lao Khao kredenzte. Wer beherrscht letztendlich die Technik? Sind es Geister oder unsere kranken Gedanken?                                                                      Die allgemeine Auseinandersetzung mit Technik fängt nicht bei komplexen Gebilden wie Fahrzeugen, Computern oder Mobiltelefonen an.  Sie beginnt bereits bei trivialen, unbeherrschbaren Gegenständen wie Messern, Schraubenziehern, Zahnstochern und

Metallbügelsägen.

Diese Sägen sind preisgünstig und universell einsetzbar. Damit säge ich alles: Aluminium, Buntmetalle, Stahl, Backstein, Bambus, Bäume, Kerzen, Knochen und Sträucher. Im Notfall das Bein einer Elfe: Elfenbein. Ein stumpfes Sägeblatt kann leicht ausgetauscht werden. Beim Kauf von einzelnen Teilen kostet ein Ersatzblatt von fünf Baht an aufwärts. Im Dutzend sind sie billiger! 

A.    Zum Austausch wird die Verschlußschraube gelöst.
B.    Das alte Blatt kann über zwei Haltedorne weggezogen werden.
C.    Das neue Blatt über die Dorne legen.
D.    Der Wirkungsgrad der Säge ist wesentlich höher, sofern die Zähne des Blattes nach außen gerichtet sind.
E.    Danach die Spannschraube mir den Fingern leicht angeziehen.
Lokalmatadore benutzen dazu eine fünfzehn Zoll Klempnerzange. Als Zugkraft dienen zusätzlich zwei Wasserbüffel. Theoretisch könnte danach weiter gearbeitet werden.

Meine Werkzeuge werden nicht mehr verliehen, nur noch verschenkt oder verkauft. Die Eingeborenen haben die Fähigkeit, jedes Werkzeug zu zerstören, zu stehlen oder zu verlieren. Meine kleinkarierte, ki niaoh Haltung wurde durch eine ausgeliehene Metallbügelsäge erneut bestätigt.                                                                                        Ein freundlicher Geist sprach für Dritte unhörbar zu mir: “Gib das Ding. Fünf Baht für ein neues Sägeblatt fallen in deinem Budget bei den Weiber- und Weinpreisen nicht auf.“ Ich befolgte den weisen Ratschlag aus dem Jenseits und sah die Säge erst nach längerer Zeit wieder. Genau so war es. Ich erhielt sich nicht zurück. Sie gelangte, von Engeln oder Fledermäusen der Sorte Vampir getragen, auf die Veranda. Schlimmste Befürchtungen bestätigten sich. Die Säge diente eventuell zum Anlegen eines kleinen Kartoffelackers im Karstgebirge und wies entsprechende Benutzungsspuren auf. Mit dem verdorbenen Sägeblatt, es wies mehr Lücken als Zähne auf, ließ sich nicht einmal ein Fischlein schuppen. 

Darauf kaufte ich zwei Blätter. Eines zu fünf Baht, ein besseres für dreißig Baht. Eine junge Frau tippte rund zehn Minuten am Keyboard. Ein Drucker beschmutzte geräuschvoll grünes Papier. Dann verlangte sie fünfunddreißig Baht. Ich hielt eine fünfziger Note bereit. Sie nahm einen Taschenrechner im A5 Format und versuchte sich mit Eingaben, fünfunddreißig minus fünfzig. Sie wollte mir zusätzlich zur Ware 15 Baht überreichen. Bereits beim zweiten Anlauf klappte die knifflige Berechnung. Wählte ich die hübscheste Kassiererin mit dem tiefsten Intelligenzquotienten aus? Ihre Anmut hielt sich in Grenzen. Etwa zehn junge uniformierte Frauen saßen gelangweilt untätig vor ihren Bildschirmen und warteten auf Kundschaft: “Herr, erlöse mich aus diesem Business!“

Zu Hause nahm ich die malträtierte Metallbügelsäge, ölte die verrostete Verschlußschraube und löste die Flügelmutter, nicht die Schwiegernutte, um das Sägeblatt auszutauschen. Kein Austausch! Der einfallsreiche Benutzer schlug die Haltedorne fürs Sägeblatt mit einem großen Hammer flach, weil er den Sinn der Spannschraube nicht begriff. 

Schlußfolgerungen:                                                                                                            Bevor lokale Benutzer gefahrlos mit einer Metallbügelsäge arbeiten können, brauchen sie ein Diplom einer technischen Hochschule. Ausweise als Mopedfahrer oder Automobilbenutzer genügen den hohen Anforderungen dieser Sägen nicht. Beachte besonders den Hinweis D, wie Dubel oder Depp.                                                         Amen.

Warum ist das keine 5 Baht Geschichte?  Der Metallbügel wurde ebenfalls ersetzt.