Erfahrungen aus Satun

Einen Monat sind wir im Haus in Satun. Wir lernten überaus freundliche Nachbarn kennen, aber ebenso die gravierenden Missstände unseres Gebäudes. Anfänglich beleidigten bloss verbogene Gabeln und Löffel aus Aluminiumblech Augen und Gaumen. Wir fanden formschönes Besteck aus rostfreiem Stahl. Während dreissig Jahren benutzte und entwickelte ich Maschinenteile aus rostfreiem Stahl. Ich wusste, der ist antimagnetisch. Das war eine wichtige Voraussetzung bei Feldern bis zu 10‘000 Gauss, einem Tesla. An unserem neuen hinterindischen INOX Besteck kleben selbst schwache Magnete. SatunBuffalo
Einer der Grossmärkte bietet als Prämien Besteckteile von Fontignac an. Sie werden in Vietnam hergestellt und reagieren auf Magnete nicht. Der Nachteil ist der Preis. Für ein vierteiliges Servier-Besteck muss man für zwanzigtausend Baht einkaufen. Gegenwärtig arbeiten wir an einem Suppenschöpfer. Diese Investition beträgt fünfzehntausend Baht.
Gäbe es Punkte für Spirituosen und Alkoholika, kämen wir schneller ans Ziel. Für einen zwei Personen Haushalt sind die Vorgaben zu hoch.
Eine durchschnittliche Grossfamilie, Mann, vier Frauen mit zusammen 16 Kindern, könnte die notwendigen Punkte innerhalb eines Monats allein mit dem Verzehr von Süssigkeiten beschaffen.
Noch ist mein Hirn durch Alkohol und Tropenfieber nicht geschwächt oder umnebelt. Ich weiss, gediegene Marken-Bestecksätze mit achtundsechzig Teilen werden für ungefähr dreihundert Euro – plus minus fünfzig Prozent – angeboten, aber nicht in Satun.

In der Küche roch es, ausgenommen bei stürmischen Winden, nach Gas. Die Empfehlung war, die Aussenküche zu benutzen. Es fehlen Freude und Opferbereitschaft, mich beim Schmoren von Entenbrust durch gefährliche Blutsauger zerstechen zu lassen. Ich prüfte das Reduzierventil genauer und ersetzte es diskussionslos. Gasvalve
Die Risikoverminderung einer Vergiftung oder Explosion kostete 490 Baht und bedeutete einen weiteren Punkt zur gepflegten Suppe mit meiner Lieblingspuppe.

Fortsetzung folgt …..

Tränendes Mandel-Auge im Land des Lächelns

Es gibt realistisch-pessimistische Aussagen, welche über den Welt-Religionen stehen. Józef Teodor Nałęcz Konrad Korzeniowski * schrieb 1899 seinem Freund Robert Cunninghame Graham:
„Der Mensch ist ein bösartiges Tier. Seine Bösartigkeit muss organisiert werden. Das Verbrechen ist eine notwendige Bedingung der organisierten Existenz. Die Gesellschaft ist ihrem Wesen nach kriminell, sonst würde sie nicht existieren. Der Egoismus rettet alles – absolut alles –, was wir hassen, was wir lieben.“

Solche und ähnliche bittere Erfahrungen waren im Dorf in den Reisfeldern plötzlich alltäglich. Vorher lebte ich glücklicherweise in einem Wahn streng begrenzten wissenschaftlichen Fortschritts, der meine Gedankenwelt – ähnlich wie Religionen und Opium, vernebelte und schützte.
Aber ich blieb meinen tief verwurzelten Ideologien treu und arbeitete in globaler gratis Wissensvermittlung: Algebra, Technologien und Fremdsprachen. Begrenzte Lernfreude und Fähigkeiten der Schüler bremsten meinen Enthusiasmus. Bald bemerkte ich, alles was kostenlos ist, ist in Lan Na Land nichts wert, seien es Geschenke wie Bücher, Kameras, Radios, Telefone, Uhren oder Unterricht. Je teurer, desto besser. Ich gab die hoffnungslose Zeitverschwendung auf und widmete mich weit sinnvolleren Tätigkeiten wie Steintischphilosophien, Foren! oder Blogs!! LOL

Gelegentlich liess ich mich überreden, wieder zu unterrichten: „Sie ist eine gute und fleissige Schülerin, aber müsste dringend Konversation üben. Sie würde auch regelmässig und pünktlich erscheinen.“ Mein Hirn registrierte: regelmässig unpünktlich – und hatte recht. Weil ich durch extraordinäre Erfahrungen vorsichtiger wurde, unterrichtete ich lernwillige Frauen nur mit Begleitung.

Wir lasen Zeitungen. Ich erklärte die gelesenen Sätze; den Sinn aneinander gehängter Worte. Obwohl sie fliessend lesen konnten, verstanden die Jungen meist nichts. Darauf durften die Schüler eigene, kurze Erlebnisse schildern. Das überforderte sie bereits. Ich machte es noch einfacher.
„Schreibe wie du eine Suppe kochst“, bat ich die fast fünfzehn Jahre junge Dame.
„Ich kann nicht kochen“, antwortete sie.
„Dann schreibe wie deine Mutter Suppe kochte!“ Mutter benutzte Ka-nor Würfel und Wasser.
ka nor Ein Problem der Schülerin ist, sie lebt bei ihrem Vater. Sie flüchtete wenige Jahre zuvor, als ein neuer Freund der Mutter sie als zweites Objekt seiner Begierden missbrauchen wollte.
Die gegenwärtige Partnerin des Vaters ist etwa zehn Jahre älter. Sie stammt aus einer reichen chinesischen Familie. Dort wirkten Scharen von Dienstboten fürs Kochen, Waschen, Bügeln, allgemeine Hausarbeiten und als Gärtner im Park.
Die junge Frau studiert standesgemäss an der Universität. Sie war zur Ausbildung in Amerika und spricht fliessend Englisch. Für Anliegen des Mädchens hat sie keine Zeit. Kochen kann sie nicht. Um nicht zu verhungern, benutzt sie ihr iPhone. Nummern von KFC, MacD‘s und Pizza Kurier sind gespeichert. Fürs Waschen und Bügeln telefoniert sie ebenfalls. Die Schülerin, wenig Taschengeld, Baht sind Mangelware, besorgt ihre Wäsche selbst. Sie lebt am Tropf, während die Herrin des Hauses Überfluss geniesst. (Siehe Gebrüder Grimm, Aschenputtel)
Anstatt ihrem Herrn Sohn die Rübe zu stutzen, fing Dick an, Aschenputtel mit Kopfkissen, Matratze und so weiter zu unterstützen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Weil selbständiges Denken und Schreiben die Jugendlichen überforderte, lasen wir und betrieben eifrig Konversation. Beim Lesen fiel mir auf, meine Schülerin benutzte Thai-Englisch. In Thai wird L als N ausgesprochen. ‚Beautiful school girl‘ mutiert zu ‚buitifun scun gön‘. In einem einzigen dreisten Satz waren drei Endungen mit L. Ich liess die Leserin anhalten, las die Worte langsam und bat sie, den Satz zu wiederholen.
Nach der dritten Unterbrechung, öffnete der Herr des Universums und der Schönen die Schleusen zwecks Sintflut. Ich gab mich geschlagen und beendete den Unterricht.

Am Abend, beim gemütlichen biologischen Kokosdrink aus der eigenen Plantage – mit Rum, erzählte ich Dick von abgebrochenen Koch- und Schulstunden und meinte:
„Sie kommt nicht wieder!“
Spät nachts, nach diversen Hausbesuchen, sagte mir Dick: „Sie möchte lernen und kommt morgen pünktlich.“

Um zwei Uhr wartete ich vergeblich auf Schüler. Gegen halb drei kam eine junge Frau. Die Haare waren wunderbar gepflegt, Aufwand mindestens zwei Stunden. Das Gesicht war mit ausgiebig Schminke künstlerisch zugekleistert. Wollte sie mich in die Peking Oper einladen?
Erst an der Stimme erkannte ich meine Besucherin – draussen vor der Tür. Sie stammelte: „Heute habe ich viel zu tun, Hausarbeiten, Wäsche waschen, danach bügeln. Leider kann ich nicht zum Unterricht kommen und danach erst nächstes Wochenende wieder. Aber ich würde gerne Hausaufgaben machen.“
„Dinge wie Konversation und Vorlesen sind als Hausarbeiten schlecht möglich“, erwiderte ein herzloser, alter Farang. „Der Unterricht ist für mich damit zu Ende. Dschogg dee khrap!“

* Joseph Conrad

Die Leiden des jungen Goon

 Januar 2012

Leser, vergeßt Euer Selbstbedauern. Ich kenne einen lustigen Knirps. Er ist wenige Monate älter als ein Jahr. Wir kommen gut miteinander aus. Wenn er mich besucht, greift er zur Biskuitdose auf dem Tisch und bringt mir den Behälter. In der andern Hand schleppt er seinen einst weißen Stoffhasen mit.
Ich öffne den Deckel, ergreife die Verpackung und klaube ein Biskuit heraus. Er läßt den Hasen fallen (Der WWF sollte sich endlich um all die gefallenen Häschen kümmern) und macht einen Wai. Ich gebe ihm das Gebäck und die Dose. Er stellt die Dose zurück, setzt sich und knabbert glücklich.

Er machte bereits ganz andere Erfahrungen.
Er war knapp neun Monate alt, als seine Großtante ihre Beherrschung verlor. Nach einem Todesfall wollte die habgierige Frau sofort Geld, nicht nur sehen, sondern haben. Aber da war nichts vorhanden. Bis die Versicherung zahlt, würden Tage und Wochen vergehen. Sie war nicht auf der Liste der Begünstigten aufgeführt. Fast besinnungslos, schäumend vor Wut, entriß sie mit brutaler Gewalt das Kleinkind der Mutter. Ein Arm schien gebrochen. Im Krankenhaus erkannte man, das Gelenk war ausgekugelt.

Der Vater des Kleinen, ein brutaler Schläger, arbeitsscheuer und drogenabhängiger Alkoholiker, knüppelte seine Frau mehrmals spitalreif. Er schlug seinen eigenen Vater, einen Offizier im Ruhestand, zusammen. Selbst die glorreiche Armee verzichtete auf Dienste des Besessenen. Im Rausch wußte er nichts besseres, als das am Boden sitzende Kind als Fußball zu benutzen. Wenn niemand auf Prügel warteten, ließ er seine Zerstörungswut an Geschenken und Spielzeugen des Sohnes aus. Ein Spitzenexemplar eines bösartigen Tunichtguts. Saß er im Knast, gab seine Mutter keine Ruhe, bis er auf Kaution wieder seine rabiaten Triebe ausleben konnte!

Irgend einer in der Familie mußte sich mit dem Lebenserwerb befassen. Folglich arbeitete die Mutter des Kleinen. Verschiedentlich verlor sie gut honorierte Kaderstellen, nachdem ihr Mann in den betreffenden Unternehmungen auftauchte und unaufgefordert mit teils gewalttätigen Aktionen glänzte.
Die Frau schaffte Distanz und verließ das Haus der Schwieger- und Großeltern.
Als der Rüpel sein Unwesen im entfernten Chiang Mai trieb, handelten die Behörden endlich und er verlor Freiheit und Frau unglaublich schnell.

Was tun mit dem Kleinkind? Dafür gibt es Kinderhorte. Die Ware wird am Morgen angeliefert. Die Kleinen spielen etwas, kriegen eine Mahlzeit und ab elf Uhr herrscht Schlafzwang. Dazu gibt es preisgünstige, beruhigende Medikamente. Am Nachmittag werden die Kleinen wieder abgeholt. Der Kleine hatte Mühe mit der Anstalt. Verschiedenes stimmte nicht mehr. Plötzlich fürchtete er sich vor mir.

Einen Abends fütterten wir ihm etwas Sandwich. Er verschlang das Zeug heißhungrig.
Dann holte ihn seine Mutter ab zum Schlafen. Aber da war nichts mit Bettruhe. Er begann zu erbrechen. Zuerst Brötchenteile, dann Früchte wie Orangen und Bananen. Später undefinierbar, aggressiv stinkende Klumpen.
Als er sich bis am frühen Morgen nicht erholte, brachten ihn die Frauen ins Spital.
Ich wußte, unser Sandwich war in Ordnung. Wir aßen es beschwerdefrei. Nach dem Erbrechen litt das Kind unter Dünnpfiff. Eine Infusion wurde gesteckt.
Der Herr Doktor erzählte weit ausholend, daß sich da eine schwere Infektion aus dem Lungenbereich in den Darm verzogen hätte. Der Kleine hatte zuvor kein Fieber und litt nie unter Atemwegsproblemen.
Als weitere Kinder aus dem Hort eingeliefert wurden, schöpften die Ärzte endlich Verdacht auf eine Lebensmittelvergiftung. Währendessen erholte er sich rasch mit Cola und meiner Haferschleimsuppe nach Großmutterart.
Es ging ihm besser, bis ihn eine Pflegerin zwangsweise mit Chinawurst, bestehend aus reichlich rotem Farbstoff, 59 % Fett, 20 % Zucker, 10 % (Gammel)Fleisch, 10 % Chili, Zwiebeln und Knoblauch, fütterte. Danach strömte die Kacke explosionsartig erneut. Von angepaßter Ernährung für Kleinkinder, wie geriebenen Früchten, oder Müesli nach Dr. med. Maximilian Bircher-Benner, hatten diese Spezialisten keine Ahnung. (1)
Eines der Kinder verstarb leider in der Universitätsklinik. Wie viele Kinder erkrankten, fanden wir nie heraus, weil sie in verschiedenen Spitälern gepflegt wurden. Die Kleinkindergartenschule entschuldigte sich nie, machte aber diskret Zahlungen an Geschädigte, sofern sie aufbegehrten.
Wir nahmen Goon und ein Fässchen Antibiotika nach Hause. Zum Glück mochte er meine Süppchen und erholte sich blitzartig. Neben Suppe liebt er Pasta und Ta.

(1)
http://www.test.de/themen/essen-trinken/test/Fruechtemueslis-Zwei-sind-mangelhaft-1410217-1410208/