Reisen II

Im Süden Nepals befindet sich der Chitwan National Park. Dort leben neben Tigern,  Leoparden, Lippenbären, Rotwild, Insekten, Schlangen, Nagern und unzähligen Vogelarten über fünfhundert einhörnige Panzernashörner. Das Reservat umfasst 932 Quadratkilometer. Südlich anschliessend, auf indischem Territorium, liegt der Valmiki National Park. Östlich des Chitwan schliesst das Parsa Reservat an.
Zusammengerechnet sind das über 2000 Quadratkilometer Fläche. Ein schöner Weideplatz für viele grosse, wilde Tiere.

Unsere Freunde reisten einst nach Nepal und besuchten mit Boot und Führer den Park.
Im reichlich mit Krokodilen dekorierten  Rapti Fluss, gelangten sie durch lichten Dschungel* an eine günstige, nach den Spuren zu schliessen, öfters benutzte Anlegestelle. Dann begann in der schwülen, drückenden Hitze alles andere als ein gemütlicher Sonntagsspaziergang im unwirtlichen Gelände.
Wie bei einem Erdbeben erzitterte plötzlich der Boden. Mit Getöse und Schnauben rannte mit einer Geschwindigkeit von annähernd 45 Kilometern pro Stunde, ein in seiner Ruhe gestörtes Panzernashorn auf die Gruppe zu. Der nepalesische Führer erkannte die drohende Gefahr, schnappte sich die Dame und ging mit ihr in Deckung.
Ähnlich wie einst Arnold Winkelried (1) in der Schlacht von Sempach, opferte sich der Reisegefährte und nahm unfreiwillig die volle Wucht des Hornes des wütenden Tieres mit seinem Hintern auf. Au Backe!

Das Grüppchen mit dem blutenden, grausam Verletzten fand in einem kleinen Dorf einen Arzt. Im einzigen Haus mit Fenstern und etwas Tageslicht reinigte und nähte der Medizinmann, begutachtet von sämtlichen Einwohnern, sie drückten sich die Nasen an den Scheiben platt, die grässliche Wunde zusammen. Ob er noch Garn für die Hose übrig hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Mit viel Glück und einem Flugzeug einer europäischen Armee wurde der Verletzte nach Euroland geflogen, wo er sich in einem Krankenhaus vom Nashornstich erholte.

Zweimal stachen mich winzige Mücken ins Krankenlager. (Dengue Fieber, 2). An drei Kilogramm Horn verschwende ich besser keine Gedanken.

Als die staunenden Grosskinder eines Tages die Nashorngeschichte vernahmen, glaubten sie anfänglich kein Wort. Ein ganz gewitzter Gernegross rief:
„Grossvater, das ist unglaublich. Das will ich sehen. Mach bitte die Hosen runter!“
Immer wieder fragten die Kinder bei Besuchen:
„Wie geht es deinem Hintern? Dürfen wir noch einmal schauen?“

Wir hatten keine Ahnung vom gewaltigen Schicksalsschlag, der den tapferen Mann traf. Kein nepalesisches Panzer-Nashorn konnte ihn von weiteren Reisen abhalten.

Der Velust ist schmerzhaft und mit gebührenden Respekt schreibe ich:
‘Ruhe sanft, grosser Wanderer.‘

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Winkelried
(2) http://www.msf.ch/de/unsere-einsaetze/was-wir-tun/ueberblick/dengue-1/?gclid=CL3-2fC6r7ICFVEX6wodqQEAMw

* Zum Vergleich: Im dichten Dschungel Malaysias erlaubte die Dunkelheit das Fotografieren nicht. Kommunistische Kämpfer, sie fochten gegen die Kolonialmacht Grossbritannien und versteckten sich seinerzeit lange im Urwald, verrieten sich oft durch ihre helle Hautfarbe.