Der verärgerte Wassergeist – oder die grenzenlose Phantasie eines pfuschenden Installateurs

Probleme mit der Wasserversorgung sind relativ selten. Zweimal wurde der Motor der Wasserpumpe Opfer von Gecko und Schlange. Sie suchten im Winter Wärme auf den Wicklungen und verbrannten beim Einschalten jämmerlich.
Dieses Jahr krachte bei der Fassadenreparatur am Gästehaus ein schweres Werkzeug auf einen Wasseranschluss. (1) In wenigen Tagen hatten wir bei uns am Haus mehrere Schäden.
Die Wasserpumpe ist von farbig blühenden Bougainvilleas umgeben. (2) Nach zwei Jahren erstickte dichtes Laubwerk sämtliche Geräusche. Dick bemerkte, sie möchte einige dürre Äste entfernen. Mit der Schere in der Hand, auch wenn es eine Baumschere war, liess die Haarkünstlerin ihrer Kreativität freien Lauf. Sie war nicht zu bremsen. Sie bemerkte nicht, dass die dürren Zweige immer grüner wurden. Das dichte Laubwerk in Bodennähe fehlte nach erfolgter Manipulation. Wir hören nun jeden Pumpvorgang.
Vor einigen Wochen erzählte ich ihr, wir hätten ein Leck in der Wasserversorgung. Die Pumpe schalte die ganze Nacht jede Minute kurz ein. Sie sah den Schaden schnell. Ein grosses Ventil von einem Zoll Durchmesser tropfte sichtbar. Die geniale Konstruktion erlaubte den Austausch in Minuten ohne zu sägen und Leim.
Dann hatten wir den Zwischenfall beim Baumschneiden, als ein dicker Ast beim ungezielten Fall einen wichtigen Anschluss zerschmetterte. (3) Vergeblich empfahl ich, den Fall grössere Stücke mit Seilen sauber zu dirigieren. Ein Nachteil der blauen PVC Leitungen ist deren Empfindlichkeit. Aber mit etwas Kleber und Ersatzteilen sind Schäden schnell behoben. Der Farang besitzt viele Ersatzteile. Wenn nicht, klingeln Baht in seiner Börse.
Wir hatten einige stille Nächte, bis die ruhelose Pumpe ein neues Leck meldete. Die Frauen gruben an die zwanzig Meter Leitungen aus, ohne ein Leck zu finden.
Anfänglich wollte ich jeden Zweig der Leitungen absperrbar machen. Der Leimspezialist hatte keine Ahnung von Sicherheitsdenken. Schadensbegrenzung war ein Fremdwort für den PVC-Rohrkleber.
Bei Erbeben könnten mit Schiebern versehene, beschädigte Zweige abgestellt werden. Chiang Mai ist Erdbebengebiet. Schwache Stösse werden täglich registriert. Bei starken Beben von 5 und 6 nach Richter rollen Buddhaköpfe, fallen Mauern – neue und antike. Menschen werden verletzt. Baumängel zeigen sich. (4)
Der Pfuscher verliess uns während der Installationen im Schönheitssalon, ohne sich zu verabschieden, als er einen selbstverursachten Schaden in mehreren Versuchen nicht beheben konnte. Damals verfügte ich noch über Saft und Kraft. Dick und ich lösten die Aufgabe problemlos.

Anstelle weiterer sinnloser Grabungen, installierten wir nun Ventile. Nach dem ersten Wasserhahn vor der Abzweigung zum Wohngebäude wussten wir, der Schaden musste irgendwo rund um das Wohnhaus sein. Der Schönheitssalon selbst war dicht. Das neue Ventil erlaubte zusätzlich die Haarpflege im Salon, während wir am Wohnhaus einen weiteren Hahn setzten. Danach war klar, das Leck war an der Küchenseite des Hauses.
Zuerst gruben meine Helfer an strategischen Punkten, wie geleimte Ecken und Abzweigungen vergeblich – alles trocken.
Vor vielen Jahren montierte ich aussen beim Küchenanschluss ein T-Stück und nach etwa fünf Metern einen weiteren Anschluss beim Teich an der Veranda. Ich bat Dick, diese Teile zu inspizieren. Meine Installation war fehlerfrei. Irgendwo musste das Leck sein. Dick grub tiefer und fand eine unbekannte Wasserleitung. Sie wollte graben. Ich war dagegen und sagte: „Bitte aufsägen und Verschlusskappe anleimen.“ Das war es. Die Wasserpumpe blieb still.

Die Frage war, wohin führte diese blaue Röhre? Ich bat Mowgli, den Wasserhahn beim Autounterstand zu öffnen. Nichts – kein Wasser. Dieser Anschluss ist maximal fünf Meter von der Badezimmer-Leitung entfernt.
Unser hochintelligenter Wasserversorgungsspezialist zog an die fünfundzwanzig Meter zusätzliche Leitung durch unbekanntes Gelände vor. Hätte er ein T-Stück am Küchenanschluss verwendet, wäre der Fall für mich klar gewesen. Er setzte sein T-Stück wenige Meter vor dem Küchenanschluss und legte das unnötige Rohr sehr tief. Ich wusste von nichts. Wir pflanzten Palmen, Bäume und Sträucher, ohne auf eine „nicht“ existierende Wasserleitung zu achten!
Einheimische Handwerker sind echte Handwerker. Sie benutzen ihre Hände, ohne das Gehirn zu belasten. Der Kopf dient, wie bei Wasserbüffeln, nur zum Fressen und Saufen. Der grosse Vorteil dieser Methode: Altersdemenz bleibt unerkannt.

(1) https://hinterindien.com/2017/06/12/blumen-gurken-einbrecher-und-spezial-ermittler/
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Bougainvillea
(3) https://hinterindien.com/2017/06/26/ich-wollt-ich-waer-ein-huhn/
(4) https://hinterindien.com/2014/05/08/schwere-erdbeben-erschutterten-lan-na-land/

Ich wollt ich wär ein Huhn

Am Ende des Tagewerks legte ich geschwind ein Ei. Danach wälzte ich mich ins Bett. Hüpfen kann ich als Paraplegiker nicht. Es war um Mitternacht, also Geisterstunde. Offenbar hatte ich Besuch von einem besonders bösartigen, unsichtbaren Gast. Ich versuchte, meine Beine so zu lagern, dass sich keine Knochen auf Knochen rieben. Denn das führt zu Dekubitus-Geschwüren, welche schlecht heilen. Beim Zurechtbiegen der Beine knallte es in meinem rechten Oberarm. Eine Riesendetonation mit Feuerwerk – Zerrung.
Diese war besonders schmerzhaft. Ich schrie, volle Lautstärke, geschätzt während einer halben Stunde. In Wirklichkeit waren es einige Sekunden. Meine Helferin räkelte sich bloss wenige Meter entfernt in der Badewanne. Sie hörte mich nicht. Ich hätte ihr Smartphone aktivieren müssen. Nur darauf sind die Sinne heutiger Generationen geschärft, – eine zeitgemässe Abart selektiver neurodegenerativer Krankheiten. Althergebrachte Kommunikationsfähigkeit ist bei jungen Menschen meist nicht mehr vorhanden. Sie verspeisen lauwarmes Zeugs, meist mit einem technischen Gerät, einem Mikrowellengenerator, in der Nähe ihres Nahrungseinwurfs. Diese Menschen könnten mit Infusionen überleben, beispielsweise mit Ovomaltine im Mastdarm.

Der nächste Morgen lächelte mir unfreundlich ins Gesicht. Mein rechter Arm war gelähmt, unbrauchbar. Dick half mir den extrem langen Weg, die wenigen Zentimeter, vom Bett in den Rollstuhl zu überwinden.
„Ich habe zwei Haltegriffe – am Kopf, die Ohren. Oder reiss mich am Sack! Aber bitte, berühre meinen Arm nicht, der ist wie ein Behälter voller stichbereiter Wespen.“
Dann fand ich heraus, dass ich einarmig weder Laptop noch Smartphone benutzen konnte. Irgendwie musste ich mich im Rollstuhl festhalten. Weitere Unfälle durfte ich mir nicht erlauben. Getränke mischen, Dosen öffnen – unmöglich. Dick mixte schmerzmildernde Maracuja-Cocktails.
Ich lernte schnell, einhändig im Haus zu rollen. Kalkulierte zickzack-Kurse wie ein Segelboot, leider ohne Wind, erlaubten beinahe beliebige Ortswechsel. Im Badezimmer bemerkte ich, einarmiges Händewaschen ist leider Illusion. Ich folgerte, die nächsten Tage wäre es wohl unmöglich, mich aufs WC zu setzen. Karge Mahlzeiten mussten entsprechend angepasst werden.
In der Schweiz gibt es problemlos Pflegemöglichkeiten für solche Patienten und Situationen. Meine Unfallversicherung hätte die hohen Kosten, ungefähr 1‘500 Fr. pro Pflegetag, diskussionslos vergütet. In Chiang Mai haben sogar private Krankenhäuser keine Spezialmatratzen für Paraplegiker. Ich hätte sie, die Matratze, mitbringen müssen. Meine angepasste, verpisste Unterlage wurde durch geistige Armleuchter, meist nicht eingeladene Besucher, zerstört.

Erlebten sie bereits die Annehmlichkeiten von Luxus-Wohlfühloasen? Da gibt es weder Wasserknappheit, noch Stromausfälle. Notstromgeneratoren und Ersatzpumpen sind genau so vorhanden, wie Heerscharen von Technikern, Köchen, Servicepersonal und freundlich assistierenden Managern, geschult und trainiert für sämtliche denkbaren Ereignisse wie Weltuntergang. Für diese Berufsgattung, wandelnde Kleiderständer von Armani, Boss, an solchen Orten kein Problem. „Madame, darf ich ihnen auf Kosten des Hauses ein Glas Champagne anbieten?“

Meine Oase hat Ersatzteile. Ganze Pumpen und Generatoren fehlen, weil es keine Service-Techniker gibt. Der beste Generator müsste regelmässig benutzt und gewartet werden. Ohne elektrischen Strom, fliesst kein Wasser, denn die Pumpe streikt.

Ich klärte meine irdischen Heerscharen, bestehend aus drei Personen, auf:
„Am späteren Nachmittag am Samstag muss ich unbedingt aufs WC. Der Kot steht bereits am Pegelmesser, dem Halszäpfchen. Da gibt es im Garten keine Wasserspiele oder Experimente mit Elektrizität. Wenn ihr euch unbedingt umbringen müsst, benutzt Seile. Nach mehreren überaus schmerzhaften Tagen, möchte ich mich in aller Ruhe reinigen und duschen.“

Die Sklaven waren mit dem Entfernen von Ästen im Garten beschäftigt, während ich langsam genüsslich meinen Darm entleerte. Ein halber Baum krachte gezielt auf einen Wasseranschluss ausserhalb des Hauses und entfernte durch einen einzigen Schlag eine ganze Batterie von weiteren Anschlüssen. Wasserspiele, Springbrunnen. Dick musste die Wasserpumpe ausschalten. Ich sass sauber eingeseift, die Haare lagerten in biologischem Aktiv-Schaum, auf dem WC und wartete gespannt auf einige Tropfen Wasser.
Irgend ein möchtegern Farb-Spezialist bekleckerte die Wasserleitung mit möglichst viel Anstrich. Andernfalls wäre das Anleimen eines provisorischen Verschlusses in Minuten erfolgt.
Wohlgeseift, Low, gackernd.

Kleinschlange, Monstergeist

9. Januar 2013

Die Flüge nach Singapur sind gebucht. Die meisten Hotelzimmer ebenfalls. Wie üblich, mögen die Hausgeister unsere Abwesenheiten nicht. Vor acht Monaten streikte, nebst anderen Kleinigkeiten, die Autobatterie zwei Tage vor der Abreise.
Letzte Nacht arbeitete ich bis gegen drei Uhr. Bevor ich mich ins Bett legte, prüfte ich Haus und Garten. Die Lichter brannten. Das Wasser plätscherte in den hinteren Teich. Ein kühler Winterwind säuselte im Bambus. Alles schien in Ordnung. Das Manometer im Badezimmer zeigte normalen Wasserdruck. Dies war eine meiner klügsten Investitionen. Bei Problemen mit der Wasserversorgung in der Regenzeit, genügen Blicke auf dieses Manometer und das Voltmeter in der Küche, bevor jemand mit Werkzeugen gedankenlos im strömenden Nass herumstapft.Waterpump2005

Kurz vor acht Uhr morgens erfolgte die totale Ernüchterung. Kein Druck auf der Leitung. Eventuell schaltete die thermische Sicherung den Motor für kurze Zeit aus. Kein Wasser für WC und Bad. Sogar die Zähne blieben trocken.
Dabei musste Dick dringend nach Mae Rim reisen, um staatliche Kranken- und Unfallversicherungen zu bezahlen. Pro Kilobaht dauert diese Amtshandlung ungefähr eine Stunde, für sieben Kilobaht entsprechend länger.

Nach drei Uhr schauten wir uns gemeinsam die Wasserpumpe an. Der Motor war warm, arbeitete jedoch nicht. Ein Energiefresser mit reiner Scheinleistung, – eine alltägliche Erscheinung in Hinterindien. Ich prüfte die Spannung mit einem Messgerät. Dann entfernte ich den Netzstecker. Wir sahen uns das technische Wunderwerk sehr genau an.
Eine lebensmüde Schlange verübte im Motor Selbstmord.  Warum im Motor? Die hätte in Pattaya mit dekadent-deprimierten Farangs gemeinsam Balkonspringen üben können. Dick entfernte mit feinen Fingern und noch feineren Werkzeugen das Trockenfleisch mühsam stückweise. Wir sahen, die Wicklungen wechselten durch Feuer und Hitze beim Rösten des Tieres die Farbe.
Selbst nach der sorgfältigen Reinigung lief der Motor nicht mehr an. Mit einer Ersatzpumpe überlistete ich die bösartigen Verursacher danach in wenigen Minuten.

Dann suchte ich mit meiner selbstentwickelten, elektronischen Wünschelrute den eigentlichen Übeltäter. Ich spürte die versteckten, wohlerhaltenen Gebeine einer vorsintflutlichen, menschenverachtenden Echse auf. An schlechten Tagen deponieren sie ihre Kacke in Wein-, Whiskey- oder Wassergläsern. Sie gehören zur Familie der Schuppenkriechtiere(Squamata) und bevölkern die Erde seit etwa 50 Millionen Jahren.GeckoIn einer entsprechenden Opferzeremonie kremierten wir die Teile mit tausend Litern Spiritus und tausend Kilogramm Weihrauch. Vom PC her chanteten dazu tausend Mönche über Lautsprecher mit tausend Watt Leistung.  Über den Daumen gepeilt, findet dann in genau tausend Tagen die Wiedergeburt statt.

Weil in gewissen Ländern gewisse Tiere nicht verspeist werden dürfen, bereiteten wir uns vor. Wir kauften Bauchspeck, nicht von Ratten. Es hatte ein zartes Stückl für Filet Mignon im Kühler. Ich kaufte grobkörnigen Salumi Napoli mit appetitanregenden schwarzen Pfefferkörnern und feingeschnittenen, geräucherten Speck, Prosciutto, von Fiorucci. Während drei Tagen feierten wir schweinisch, bevor wir uns an Hummer, Peking Enten und Halal Essen gewöhnen müssen.

Nun packen wir noch die Koffer. Hoffentlich nicht tausend Kilogramm Damen-garderobe..