Aussergewöhnliche Rettung vor dem Verdursten

Wir erlebten den ersten, doppelt trockenen Songkran. In Satun wird nur selten gewässert. Meine Kleidung blieb trocken. Zusätzlich litten unsere Kehlen unter Feuchtigkeitsmangel. Bier trinke ich kaum. Es gab keinen Wein, der den Namen verdient. Nur gepanschten Fusel aus Bangkok, fabriziert aus importiertem Traubenkonzentrat, gemischt mit Alkohol und Wasser. Bereits die Etiketten liessen zweifeln. Die Grafiker konnten nicht fehlerlos “Château“ schreiben. Es geht mir nicht um den schwierigen Accent circonflexe. Dieses Dach wurde zum Quälen quengelnder fremdsprachiger französischlernender Knaben erfunden. Die geniale, thailändische Neuschöpfung heisst Chaton.
Eine jüngere Angestellte erzählte: Amtsstellen in Bangkok beeinflussten den Grossverteiler – – – in Satun im Angebot auf echte Importweine zu verzichten!

Im Kad Farang in Chiang Mai genossen wir vor Monaten guten Primitivo, in Amerika heisst die Traube Zinfandel – und Negroamaro. Wir fragten den Kassierer, wir reisen demnächst nach Satun, ob die Firma zwölf Flaschen dorthin liefern würde.
Einen Tag darauf telefonierte der Kerl, unser bestellter Wein sei eingetroffen. Wir hatten keinen Platz im Auto. Zusätzlich wollte ich keinen Wein während einer Woche im heissen Fahrzeug transportieren. Zudem bestellte ich nichts. Es war bloss eine Frage, ob eine Lieferung in den Süden möglich sei.

Mühsam schleppte ich mich nach Songkran, gequält vom Durst, an die Tastatur. Ich googelte: Wine Connection. Die Firma betreibt einen Online Shop. Das Angebot ist nicht so reichhaltig wie in den luxuriösen Einkaufsgelegenheiten. Die Angestellten polieren die Flaschen täglich. In meinem Weinkeller in der Nähe von Bern waren Staubwedel verboten.
Die Dienstleistungen im Internet sind kundenfreundlich. Ab zweitausend Baht entfallen Transportgebühren. Ich fand zwei Weine, Shiraz und Chardonnay und bestellte am Montag, kurz vor Mittag, je sechs Flaschen.
Am Dienstagmorgen hatte ich einen „neunzig Tage“ Termin beim Amt. Wir waren wieder im Auto, als mein Telefon Töne dudelte. Ich dachte, es sei ein Anruf aus Bangkok, betreffend Weinbestellung. Nein, es war unser bekannter Fahrer von Kerry Express. Er sagte, er hätte eine Sendung für mich aus Bangkok, frisch vom Flughafen Hat Yai.
Unglaublich – keine vierundzwanzig Stunden später erfolgte die Lieferung. Ich kalkulierte zuvor, wenn wir Glück haben, erhalten wir die fermentierte Trauben-Medizin aufs Wochenende. Nach drei geleerten Flaschen lalle ich: Herzlichen Dank!

Heulen statt Wein(en)

Wir erlebten es. Wir wissen es. Zum Addieren von vierzig plus dreissig benutzen die reputierten Rechenkünstler Hinterindiens chinesische Elektronik.(*) Beim Prozentrechnen wird es noch schlimmer. Das ist höhere Wissenschaft, jedenfalls für hiesige Statistiker. Anders kann ich mir nicht vorstellen, wie eine Amtsstelle eine Jahresteuerung von 2,45 Prozent berechnen konnte.
Frische Waren, wie Gemüse, Kräuter, Eier und Früchte kaufen wir günstig direkt bei den Produzenten im Dorf. Dennoch besuchen wir Grossmärkte für Importe, für Teigwaren, Milchprodukte, Fleisch, Bier, Wein und Spirituosen. Wir kaufen aus Gewohnheit immer etwa dasselbe, seien es Mengen oder Artikel.
An der Kasse lege ich anstatt 12‘000 Baht, wie vor einem Jahr, nun 16‘000 Baht hin. Das sind nicht 2,45 %, sondern satte 25 Prozent. Nach klassischer Prozentrechnung sogar 33 Prozent mehr. Ich versuchte einen Kompromiss, eine Annäherung an exotische Berechnungsmodelle, nahm einen Viertel von 12’000 Baht und erhielt damit den Faktor 10 gegenüber dem amtlichen Ergebnis.
Durchschnittlicher Reis kostet anstatt 12 Baht gegenwärtig 22 Baht. Für importierten Basmati Reis bezahlen wir bis 90 Baht pro Kilogramm.
Manao, Limonen, Limetten kosteten früher einmal 30 bis 50 Baht per Kilogramm. Heute legt die Hausfrau pro Stück 8 bis 15 Baht hin. Diese Früchte sind bald teurer als Fleisch. Schweinefleisch mit Limetten wird zum Luxusartikel. (1) Die Fleischpreise erhöhten sich ebenfalls um rund zwanzig Prozent. Der Preis des eher seltenen roten Thunfischs stieg von 500 auf 670 Baht.
Koriander, Pak Chi, wird demnächst unerschwinglich teuer wie Safran, Crocus sativus. 0,3 Gramm der orangefarbigen Stempel-Fäden kosten 260 Baht. Pak Chi ist immer noch um zehner Potenzen günstiger. Der Preisanstieg von 25 auf 150 Baht ist dennoch nicht zu verachten. Ich rechne 60 Prozent, bedaure – das ist der Thaiwert – richtig sind 600 Prozent Teuerung – in einem Jahr.

Bei durchschnittlichen Weinen betragen die (ausser)ordentlichen Abgaben weit über 400 Prozent. 2,5 Euro Weine gehen für fast 700 Baht und mehr über die Theke.
Auf billigst Weine, wie Veter Pella und Konsorten, verzichten wir bewusst. Ein Insider berichtete mir:
Im LOS, üblicherweise Land Of Smile, gilt diesmal die Abkürzung für Land Of Sorcerers, Land der Zauberer. Die hohen Importabgaben werden trickreich umgangen. Die ober-faule Magie stammt von Zauberlehrlingen. (2,3)
Diese armseligen und anspruchslosen – um nicht betrügerisch zu verwenden – Gesöffe werden als konzentrierte, alkoholfreie Traubensäfte in Weinfabriken geliefert. Eines der gewinnbringenden Unternehmen gehört einem der grössten, echten Weinproduzenten Thailands. Im Betrieb werden die Konzentrate verdünnt und mit Alkohol versetzt. Die Pantscherei wird bei 8,5 Volumenprozent in Flaschen abgefüllt, etikettiert, beispielsweise mit: „Fruity Rosé, White Zinfandel, Californian Wine“, erfolgreich vermarktet. Zum Heulen, aber nicht zum Trinken.Zinfandel1 Anmerkungen:
Zinfandel wird in Italien Primitivo genannt. Es ist eine rote Rebsorte. Zinfandel-/Primitivo-Weine erreichen wegen des hohen Zuckergehalts der Beeren hohe Alkoholwerte von 13 bis 15 Volumenprozent.

(*) Reputation hilft strategisch vorteilhafter zu kalkulieren und zu erwägen, wie sich jemand zukünftig verhalten wird. Die Berechenbarkeit hat den Vorteil, dass Entscheidungen erleichtert werden und damit Aufwand eingespart wird.

(1) http://www.chefkoch.de/rs/s0/schweinefilet+a+limone/Rezepte.html
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberlehrling
(3) https://www.unix-ag.uni-kl.de/~conrad/lyrics/zauber.html