Herzlich willkommen

Nach aufschlussreichen sieben Ländern in sieben Wochen reisten wir wieder nach Hause. Im Dorf hatte keiner eine Ahnung, wann wir ankommen. Der Wildwuchs im tropischen Garten war voraussehbar. Von Feuersbrünsten, Überschwemmungen, Erdbeben und grösseren Einbrüchen vernahmen wir nichts. Wir durften annehmen, es sei alles in Ordnung. Bei den Einwanderungsbeamten am Flughafen Chiang Mai warteten Menschenschlangen wie in Bangkok. Die Ursache war kein Grossraumflugzeug. Die Beamten tippten nun auf Apple Computern und waren mit der neuen Technik nicht vertraut. Die Preise der Taxifahrer waren noch dieselben. Kein Wunder. Sie fuhren ahnungslos ihre gasbetriebenen japanischen Bomben. In der Post-Taksinschen Reiszeit kennt die Mehrheit der Schulabgänger weder Maranello, noch die meist roten Flitzer, die dort mit Können und Amore montiert werden. http://de.wikipedia.org/wiki/Maranello

Haustüre und Schliessvorrichtungen wiesen keine sichtbaren Schäden durch Gewaltanwendungen auf. Dicks Schmuckschatulle war unangetastet. Der Schiessprügel lag oxydierend in seinem Versteck. Die knappen Schnapsvorräte der Bar zeigten unveränderte Pegel. Ein Bündel malaysischer Banknoten lag unverzinst in der zugeschobenen Schreibtisch Schublade.

Ich setzte mich an den PC und stellte eine wundersame Programmvermehrung fest. Zusätzlich sah ich einen McAfee Scanner, ein Sprachübersetzungsprogramm und diverse Spiele. Das Zeug wurde in den Abend- und Nachtstunden im Mai und im Juni während unserer Abwesenheit installiert.

Es gab verheiratete Farang, welche hin und wieder stirnrunzelnd, mit Schweissperlen dekoriert, Probleme mit pubertierenden Kindern ihrer Frauen aus früheren Ehen erduldeten. Diesmal traf es mich, unverheiratet und ohne Transpiration. Unser eigentlich keinerlei Interessen bekundender Pflegesohn benutzte Mutters Abwesenheit zu echten Abenteuerferien.

Wie krank und spielsüchtig muss jemand sein, um fast ohne Spuren ins Haus seiner Wohltäter einzubrechen? Er stahl  nichts. Er verbrachte die Nächte spielend am PC, oder schaute Filme. Er ging drei Wochen nicht zu Schule, meldete sich krank, er könne nicht schlafen, liess sich im Spital Pillen verschreiben, sass aber (mit Epilepsie?) nächtelang am Bildschirm. Tagsüber schlief er.

Seit Monaten traute ich Mowgli nicht mehr. Vor der Abreise verriegelte ich sicherheitshalber die grossen Schlafzimmerfenster. Wie alle Fenster sind sie durch dekorative Gitter aus rostfreiem Stahl geschützt. Bei der Rückkehr stutzte ich, als ich bemerkte, dass das grosse Fenster etwa zehn Zentimeter weit geöffnet war. Das Fliegengitter war geschlossen. Staunend überlegte ich und trug kleinste Mosaiksteinchen zusammen. Mowgli gab nur zu, was wir ihm beweisen konnten.

Ein grosser Bruder, er ist nicht leiblicher Bruder, verprügelte Mowgli, als er eines Abends bemerkte, wie der schwer kranke Einbrecher lebhaft mit der Maus an meinem PC klickte. Mowgli benutzte das einst verriegelte grosse Fenster im Schlafzimmer als schnellen Ein- und Ausstieg. Bei Tageslicht erkannte ich die Spuren. Gleich um die Ecke, in über drei Metern Höhe, brach er bei einem andern Fenster zwecks des ersten Einstiegs ins Haus eine Chromstahlstange aus dem Schutzgitter. Er versteckte den verkrümmten Stahlteil im Geräteschuppen. Bei dieser Übung hätte er sich den Hals brechen können. Versuchte er etwa ebenfalls, durch das Dach einzusteigen?  In Zükunft würden es Wasserschäden beweisen.

Das Büblein hat seinen eigenen Laptop. Als ich ihn fragte, warum er den nicht benutzte, sagte er frech, dieses Spiel laufe nur auf meiner Maschine. Ich zeigte ihm in der Vergangenheit verschiedentlich die drohenden Gefahren beim Herunterladen von Programmen zweifelhafter Anbieter. Wie die Algebra und den Pythagoras in der Schule, vergass er meine Warnungen und Ratschläge. Unbekümmert installierte er verwanzten Code. Russische Hacker fanden den Weg ins System. Microsoft schützte mich und blockierte mein Konto. In Europa war ich ahnungslos weshalb. Dank an Herrn Gates und seine Nachfolger!

Soll ich mich für das gescheiterte Entwicklungshilfe Projekt schämen? In Zukunft muss der junge Mann seinen Weg ohne meine Anleitung und Unterstützung finden. Seine Kapazitäten als erfinderischer Einbrecher bewies er eindeutig. Er ist unschuldig. Es war schlussendlich unser Fehler, dass wir unangemeldet im Hause auftauchten.

Ein Gedanke zu „Herzlich willkommen

  1. Low, trotzdem gut, dass Du wieder da bist.
    der Link im vorhergehenden Bericht war sehr aufschlußreich.
    Auch was da @thai-fun über seine Einstellung zur dürftigen
    schriftlichen Resonanz schreibt, ist des Nachdenkens wert.
    Du solltest nicht beim Rollen grollen – auch nicht darüber,
    dass jemand noch verschlüsselter verschlüsselt und
    Mowgli ohne Schlüssel ja nicht anders konnte..

    Halte Dir die Dick schön warm,
    denn ohne Sie wärst wirklich arm.

    Gruß, Rudi

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