Geld kann man horten. Zeit nicht. Sie ist das einzige Guthaben, von dem wir nicht wissen, wie viel wir davon haben. Findigen Finanzgenies gelang es, Funktionen des Kapitals mit Zeit zu vereinen.
Gregor von Rezzori schrieb in seinen „Maghrebinischen Geschichten“ über einen jungen Mann, der seinen Onkel um etwas Geld und einige Frist bat. Der Onkel sagte trocken:
„Geld kann ich dir nicht geben. Frist kannst du haben, so viel du willst.“ (1) Möglicherweise lieh sich von Rezzori die Geschichte von Hodscha Nasreddin aus. (2)
Es gibt Menschen, die Luxusuhren sammeln. Mit der Zeit häufen sich dann die Zeitmesser an, ohne dass Zeit geschaffen wird. Diese Sammler benötigen Vertrauenspersonal, das ihre Schätze betreut, bewegt, aufzieht. Bei Erzeugnissen aus dem Schwarzwald wird der Kuckuck gefüttert und der Mist weggekarrt.
Bereits Buddha sagte: Eigentum schafft Abhängigkeit!
In den USA versuchen belesene, allwissende Leute die Zeit zu überlisten, indem sie sich einfrieren lassen, möglichst in flüssigem Stickstoff bei minus 195.8 Grad, mindestens für hundert Jahre.
Die Gelegenheit schien günstig, für ein Zeit-Experiment in Satun. Ein Gross-Markt bot Wanduhren aus China für umgerechnet einen Franken pro Stück an. Wie viel darf so ein Teil in der Herstellung kosten – Material und Arbeit – wenn man Verpackung, Transport und Gewinn des Verkäufers einbezieht?
Wir kauften einen roten Zeitmesser für die Küche, denn Kochzeiten sind für mich wichtig. Dick ist weniger pingelig als der alpenländische Farang. Ihr drei Minuten Ei kocht je nach Laune fünfzehn Minuten. Der Reis wird bereits nach fünf Minuten aufgetischt, ideal als Semi-Rohkost. Dafür klebt das Beef-Steak nach zwanzig Minuten in der heissen Pfanne. Die Teflon-Beschichtung haftet am Fleisch. Solche Zubereitungsarten fördern die Kaumuskulatur, jedoch kaum das Verständnis für sensible Kochkunst.
Die Quarz-Uhr läuft anstandslos. Wir kauften eine blaue Wanduhr fürs Badezimmer um wichtige Sitzungen genau bestimmen zu können. Im Wohnzimmer steckte wenig dekorativ eine nutzlose Schraube sinnlos mitten in einer Wand. Diese Schraube sollte nun eine Uhr gegen die immerwährende Schwerkraft festhalten und sich selbst dahinter verstecken. Nach einer Woche lieferte der Antrieb keine Impulse mehr. War es die Schwerkraft oder eine andere Erfindung aus England?
Die Zeiger steckten fest. Batteriewechsel halfen nicht. Mein Multimeter bestätigte, das elektronische Wunderwerk mit digitalem Teiler war unrettbar defekt. Anstatt einen Uhrmacher im Städtchen zu beglücken, schmiss ich den teuren Wecker, eine Woche einen Franken – das ergibt im Jahr zweiundfünfzig Franken – in den Kehricht.
Die Uhr im Badezimmer hatte ebenfalls Probleme. Innerhalb von drei Monaten zeigte sie bloss zweimal die richtige Zeit an, weil sie extrem langsam war.
Die Schwarzwälder-Uhren meiner Grosseltern entsprachen Chronometern, verglichen mit dem Chinaschrott. Nun steht auch sie, obwohl sie hängt.
Jedoch zweimal pro Tag zeigt sie die richtige Zeit an. Sie ist komischerweise wesentlich genauer, als zuvor, als sie noch werkelte. Ich stelle mir ernsthaft die Frage, soll ich das Ding hängen lassen, wegschmeissen, oder doch zu einem Uhrmacher bringen.
Aber – trotz meines eigenen defekten Gehwerks, überlebte ich in drei Monaten zwei Uhren.
Der neue, zeitlose Schraubenverberger des Wohnzimmers
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_von_Rezzori
(2) http://www.forgottenbooks.com/readbook_text/Der_Hodscha_Nasreddin_1100008989/169
Von Rezzoris Geschichten sind erste Sahne. Hab ich kürzlich wieder gelesen und gedacht: Der kannte die Gegend hier.
In Thailand wäre er geadelt worden. Jetzt wird nur noch geradelt!
Ja, Technik aus China ist schon was feines – meist nicht mal das wenige Geld wert. Wird eigendlich nur noch von thailändischen Produkten unterboten.
Aus Deutschland habe ich mir einige alte Pendeluhren mitgebracht – uralte Technik, ganz ohne Batterie und Elektronik. Die laufen erstaunlich genau. Natürlich gehen sie je nach Umgebungstemperatur pro Tag ein paar Sekunden vor oder nach, aber das ist irrelevant. Wie auch Armbanduhren dienen sie im Zeitalter von Smartphone und Internet nur noch dekorativen Zwecken.